Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 13. H. Von denen euserl. Kennzeichen als wenn ich von dieser Begierde entfernet bin/und wenn ich einem feind bin/ werde ich mich leicht übereilen/ und seine Edelgesteine für unecht halten/ eines grossen Fürsten seine Edelgesteine aber leichte für gut aus Ubereilung ansehen/ wenn sie gleich falsch sind. Also scheinen die Ge- müths Neigungen unserer Freunde uns schon nicht so schlimm als unserer Feinde. Und wir halten unserer Freunde Thaten allezeit mehr für natürlich und unaffectirt, wenn sie gleich gekün- stelt sind/ und die offenhertzigsten Thaten unserer Feinde halten wir für Verstellungen. 6. Bistu nun/ so viel dich selbst betrifft/ zu 7. Hierzu aber mustu mit Gedult unter- len.
Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen als wenn ich von dieſer Begierde entfernet bin/und wenn ich einem feind bin/ werde ich mich leicht uͤbereilen/ und ſeine Edelgeſteine fuͤr unecht halten/ eines groſſen Fuͤrſten ſeine Edelgeſteine aber leichte fuͤr gut aus Ubereilung anſehen/ wenn ſie gleich falſch ſind. Alſo ſcheinen die Ge- muͤths Neigungen unſerer Freunde uns ſchon nicht ſo ſchlimm als unſerer Feinde. Und wir halten unſerer Freunde Thaten allezeit mehr fuͤr natuͤrlich und unaffectirt, wenn ſie gleich gekuͤn- ſtelt ſind/ und die offenhertzigſten Thaten unſerer Feinde halten wir fuͤr Verſtellungen. 6. Biſtu nun/ ſo viel dich ſelbſt betrifft/ zu 7. Hierzu aber muſtu mit Gedult unter- len.
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Das 13. H. Von denen euſerl. Kennzeichen
als wenn ich von dieſer Begierde entfernet bin/
und wenn ich einem feind bin/ werde ich mich
leicht uͤbereilen/ und ſeine Edelgeſteine fuͤr unecht
halten/ eines groſſen Fuͤrſten ſeine Edelgeſteine
aber leichte fuͤr gut aus Ubereilung anſehen/
wenn ſie gleich falſch ſind. Alſo ſcheinen die Ge-
muͤths Neigungen unſerer Freunde uns ſchon
nicht ſo ſchlimm als unſerer Feinde. Und wir
halten unſerer Freunde Thaten allezeit mehr fuͤr
natuͤrlich und unaffectirt, wenn ſie gleich gekuͤn-
ſtelt ſind/ und die offenhertzigſten Thaten unſerer
Feinde halten wir fuͤr Verſtellungen.
6. Biſtu nun/ ſo viel dich ſelbſt betrifft/ zu
dieſer Kaͤntniß wohl præpariret/ ſo beſtehet das
vornehmſte Stuͤck dieſer Kunſt darinnen/ daß
du das falſche Licht/ das etwan ein Edelge-
ſtein aus dem einſetzen eines Kuͤnſtlers be-
kommen/ oder auch ſelbſt von ſich blicken
laͤſt/ von dem wahren entſcheideſt. Das
iſt: gieb wohl acht auf das Thun und Laſſen eines
Menſchen/ daß du in ſelbigen das jenige/ was
von Hertzen gehet von dem was er affectiret/
und das falſche Tugendlicht von wahrer Tu-
gend und vernuͤnfftiger Liebe wohl entſcheideſt.
Denn hierinnen iſt gleichſam das centrum der
gantzen Wiſſenſchafft.
7. Hierzu aber muſtu mit Gedult unter-
ſchiedenes Thun und Laſſen eines Menſchen
gegen einander halten/ und dich nicht uͤber-
eilen/ alſobald aus einem eintzigen zu urthei-
len.
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