Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 12. H. von der Vermischung zu erkennen/ aber sich selbst zu erkennen gehetes schwer her. Ja es ist dieses temperament geschickt/ sich arglistig für denen Augen derer/ de- nen die selbst Erkäntniß mangelt/ zu verbergen/ wiewohl in concursu zweyer dergleichen tem- peramente, das jenige so mehr Ehrgeitz hat/ or- dentlicher Weise das jenige da Geldgeitz über den Ehrgeitz ist/ eher aus Listen und über den Töl- pel werffen wird. Ein Wollüstig und Geld- geitzig temperament aber wird weder sich noch andere leicht zu erkennen/ oder sich zu ver- bergen geschickt seyn/ und ob wohl jederman solche Leute in so weit bald kennen lernet/ daß man sie nicht sehr aestimiret/ eben deshalben weil sie sich leichte in die Karte gucken lassen/ so wird doch wegen der allzu grossen Unbeständig- keit dererselben/ und wegen der widerwärtigen Thaten/ zu denen sie die widerwärtigen Laster der Wollust und Geldgeitzes nach Gelegenheit hinreissen/ der gröste Theil der Menschen/ und jedermann/ der die Kunst sich selbst zu kennen nicht wohl gelernet hat/ sich in ihre Weise we- nig oder nicht finden können/ sondern ihnen alles wunderlich und übel connectirend fürkommen. Deswegen ich auch in Anfang der Untersuchung dieser Disciplin, als mir etliche dergleichen Menschen unter die Hand kommen/ solche mixtur für ein Miracul gehalten/ und sie als ein schwe- res problema auffgegeben/ wiewohl die nach- folgenden Betrachtungen mir gezeiget/ daß der- gleichen
Das 12. H. von der Vermiſchung zu erkennen/ aber ſich ſelbſt zu erkennen gehetes ſchwer her. Ja es iſt dieſes temperament geſchickt/ ſich argliſtig fuͤr denen Augen derer/ de- nen die ſelbſt Erkaͤntniß mangelt/ zu verbergen/ wiewohl in concurſu zweyer dergleichen tem- peramente, das jenige ſo mehr Ehrgeitz hat/ or- dentlicher Weiſe das jenige da Geldgeitz uͤber den Ehrgeitz iſt/ eher aus Liſten und uͤber den Toͤl- pel werffen wird. Ein Wolluͤſtig und Geld- geitzig temperament aber wird weder ſich noch andere leicht zu erkennen/ oder ſich zu ver- bergen geſchickt ſeyn/ und ob wohl jederman ſolche Leute in ſo weit bald kennen lernet/ daß man ſie nicht ſehr æſtimiret/ eben deshalben weil ſie ſich leichte in die Karte gucken laſſen/ ſo wird doch wegen der allzu groſſen Unbeſtaͤndig- keit dererſelben/ und wegen der widerwaͤrtigen Thaten/ zu denen ſie die widerwaͤrtigen Laſter der Wolluſt und Geldgeitzes nach Gelegenheit hinreiſſen/ der groͤſte Theil der Menſchen/ und jedermann/ der die Kunſt ſich ſelbſt zu kennen nicht wohl gelernet hat/ ſich in ihre Weiſe we- nig oder nicht finden koͤnnen/ ſondern ihnen alles wunderlich und uͤbel connectirend fuͤrkommen. Deswegen ich auch in Anfang der Unterſuchung dieſer Diſciplin, als mir etliche dergleichen Menſchen unter die Hand kommen/ ſolche mixtur fuͤr ein Miracul gehalten/ und ſie als ein ſchwe- res problema auffgegeben/ wiewohl die nach- folgenden Betrachtungen mir gezeiget/ daß der- gleichen
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Das 12. H. von der Vermiſchung
zu erkennen/ aber ſich ſelbſt zu erkennen gehet
es ſchwer her. Ja es iſt dieſes temperament
geſchickt/ ſich argliſtig fuͤr denen Augen derer/ de-
nen die ſelbſt Erkaͤntniß mangelt/ zu verbergen/
wiewohl in concurſu zweyer dergleichen tem-
peramente, das jenige ſo mehr Ehrgeitz hat/ or-
dentlicher Weiſe das jenige da Geldgeitz uͤber
den Ehrgeitz iſt/ eher aus Liſten und uͤber den Toͤl-
pel werffen wird. Ein Wolluͤſtig und Geld-
geitzig temperament aber wird weder ſich
noch andere leicht zu erkennen/ oder ſich zu ver-
bergen geſchickt ſeyn/ und ob wohl jederman
ſolche Leute in ſo weit bald kennen lernet/ daß
man ſie nicht ſehr æſtimiret/ eben deshalben
weil ſie ſich leichte in die Karte gucken laſſen/ ſo
wird doch wegen der allzu groſſen Unbeſtaͤndig-
keit dererſelben/ und wegen der widerwaͤrtigen
Thaten/ zu denen ſie die widerwaͤrtigen Laſter
der Wolluſt und Geldgeitzes nach Gelegenheit
hinreiſſen/ der groͤſte Theil der Menſchen/ und
jedermann/ der die Kunſt ſich ſelbſt zu kennen
nicht wohl gelernet hat/ ſich in ihre Weiſe we-
nig oder nicht finden koͤnnen/ ſondern ihnen alles
wunderlich und uͤbel connectirend fuͤrkommen.
Deswegen ich auch in Anfang der Unterſuchung
dieſer Diſciplin, als mir etliche dergleichen
Menſchen unter die Hand kommen/ ſolche mixtur
fuͤr ein Miracul gehalten/ und ſie als ein ſchwe-
res problema auffgegeben/ wiewohl die nach-
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