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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der drey Haupt-Laster.
schlechts) wohl innen hat/ des andern sein rech-
ter armer Mann sey/ und dieser mit jenen mache
was er wolle.

42. Diese herrschende Begierde aber raget
entweder über die andern beyden
passiones
in einer mercklichen dosi herfür/ oder aber
hat die andere und nächste nach ihr in einer
starcken
mixtur nahe bey sich. Jn dem er-
sten Fa
lle sind unsere Lehr-Sätze so handgreiff-
lich gewiß/ daß auch unwissende und unachtsame
Leute an andern die diese Beschaffenheit haben/
dero herrschenden passiones zu erkennen wissen/
und die Laster/ die wir oben in der Tabelle jeden
Haupt-Laster zugeeignet/ bey ihnen antreffen.
Jederman saget dann: Dieses ist ein liederlicher
Mensch/ die Hurerey siehet ihm aus den Augen/
er siehet einen versoffenen Bruder so ähnlich als
ein Ey dem andern u. s. w. Jener siehet aus als
wenn er der Geitz und Neid selber wäre/ die gan-
tze Stadt kan nicht genug von seiner Lauserey sa-
gen u. s. w. Wieder ein anderer hat eine Spa-
nische mine, alle seine Gebehrden zeigen seinen
Stoltz u. s. w. Jedoch sind diese drey Laster in sol-
chen Ansehen dergestalt unterschieden: Die
Wollust wil und kan sich nicht bergen/ so wohl
bey uns selbst als bey andern. Sie ist unver-
schämt und leichte zu kennen. Der Geldgeitz
wolte
sich wohl gerne bergen/ und mag sich auch
gar leichte für uns selbst bergen/ indem nichts so
schwer an uns selbst zu erkennen ist/ aber für an-

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der drey Haupt-Laſter.
ſchlechts) wohl innen hat/ des andern ſein rech-
ter armer Mann ſey/ und dieſer mit jenen mache
was er wolle.

42. Dieſe herrſchende Begierde aber raget
entweder uͤber die andern beyden
paſſiones
in einer mercklichen doſi herfuͤr/ oder aber
hat die andere und naͤchſte nach ihr in einer
ſtarcken
mixtur nahe bey ſich. Jn dem er-
ſten Fa
lle ſind unſere Lehr-Saͤtze ſo handgreiff-
lich gewiß/ daß auch unwiſſende und unachtſame
Leute an andern die dieſe Beſchaffenheit haben/
dero herrſchenden paſſiones zu erkennen wiſſen/
und die Laſter/ die wir oben in der Tabelle jeden
Haupt-Laſter zugeeignet/ bey ihnen antreffen.
Jederman ſaget dann: Dieſes iſt ein liederlicher
Menſch/ die Hurerey ſiehet ihm aus den Augen/
er ſiehet einen verſoffenen Bruder ſo aͤhnlich als
ein Ey dem andern u. ſ. w. Jener ſiehet aus als
wenn er der Geitz und Neid ſelber waͤre/ die gan-
tze Stadt kan nicht genug von ſeiner Lauſerey ſa-
gen u. ſ. w. Wieder ein anderer hat eine Spa-
niſche mine, alle ſeine Gebehrden zeigen ſeinen
Stoltz u. ſ. w. Jedoch ſind dieſe drey Laſter in ſol-
chen Anſehen dergeſtalt unterſchieden: Die
Wolluſt wil und kan ſich nicht bergen/ ſo wohl
bey uns ſelbſt als bey andern. Sie iſt unver-
ſchaͤmt und leichte zu kennen. Der Geldgeitz
wolte
ſich wohl gerne bergen/ und mag ſich auch
gar leichte fuͤr uns ſelbſt bergen/ indem nichts ſo
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[357/0369] der drey Haupt-Laſter. ſchlechts) wohl innen hat/ des andern ſein rech- ter armer Mann ſey/ und dieſer mit jenen mache was er wolle. 42. Dieſe herrſchende Begierde aber raget entweder uͤber die andern beyden paſſiones in einer mercklichen doſi herfuͤr/ oder aber hat die andere und naͤchſte nach ihr in einer ſtarcken mixtur nahe bey ſich. Jn dem er- ſten Falle ſind unſere Lehr-Saͤtze ſo handgreiff- lich gewiß/ daß auch unwiſſende und unachtſame Leute an andern die dieſe Beſchaffenheit haben/ dero herrſchenden paſſiones zu erkennen wiſſen/ und die Laſter/ die wir oben in der Tabelle jeden Haupt-Laſter zugeeignet/ bey ihnen antreffen. Jederman ſaget dann: Dieſes iſt ein liederlicher Menſch/ die Hurerey ſiehet ihm aus den Augen/ er ſiehet einen verſoffenen Bruder ſo aͤhnlich als ein Ey dem andern u. ſ. w. Jener ſiehet aus als wenn er der Geitz und Neid ſelber waͤre/ die gan- tze Stadt kan nicht genug von ſeiner Lauſerey ſa- gen u. ſ. w. Wieder ein anderer hat eine Spa- niſche mine, alle ſeine Gebehrden zeigen ſeinen Stoltz u. ſ. w. Jedoch ſind dieſe drey Laſter in ſol- chen Anſehen dergeſtalt unterſchieden: Die Wolluſt wil und kan ſich nicht bergen/ ſo wohl bey uns ſelbſt als bey andern. Sie iſt unver- ſchaͤmt und leichte zu kennen. Der Geldgeitz wolte ſich wohl gerne bergen/ und mag ſich auch gar leichte fuͤr uns ſelbſt bergen/ indem nichts ſo ſchwer an uns ſelbſt zu erkennen iſt/ aber fuͤr an- dern Z 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/369>, abgerufen am 24.11.2024.