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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der drey Haupt-Laster.
zu solchen Glücke gelanget/ sondern sucht erst
den Schlüssel dazu/ so hält er sich mit einer
Schein-Modestie und Submission in der Stille/
und lebt mehr in obscuro, als daß er sich herfür
thun solte. Ein Wohllüstiger und Geldgei-
tziger
ist im privat-Stande der miserableste
und elendeste Mensch/ der niemand mehr scha-
det/ als sich selbst/ und der von jederman ver-
lacht wird. Laß aber einen König mit diesem
temperament versehen seyn/ so wirst du be-
finden/ daß daraus die unerträglichsten Ty-
rannen als Caligulae, Domitiani, Helioga-
bali, Vitellii
u. s. w. werden. Ein König von
Ehrgeitzigen und Wohllüstigen fast gleich
gemischten Begierden wird/ grossen Ruhm und
Liebe zu erwerben/ geschickt seyn: Fället aber
dieses temperament auf eine privat-Person/ so
wird ein solcher offters mehr Neider und Feinde
als Freunde haben/ und bey seinem Leben von de-
nen meisten äusserst gescholten und verachtet/
von wenigen aber geliebet und gelobet werden.

23. Dannenhero/ ob wir gleich oben ge-
sagt/ daß die Mixtur von Wohllust und Ehr-
geitz der Tugend am nächsten komme/ die Mi-
schung vom Ehr- und Geldgeitz und Wohllust
miserable Leute mache; So muß man doch nicht
dafür halten/ daß dergleichen Mixturen auch
von jederman mit diesen Augen angesehen
werden/
oder daß die Glücks-Güter bey dem
würdigsten
temperament allezeit wären/ und

sich

der drey Haupt-Laſter.
zu ſolchen Gluͤcke gelanget/ ſondern ſucht erſt
den Schluͤſſel dazu/ ſo haͤlt er ſich mit einer
Schein-Modeſtie und Submiſſion in der Stille/
und lebt mehr in obſcuro, als daß er ſich herfuͤr
thun ſolte. Ein Wohlluͤſtiger und Geldgei-
tziger
iſt im privat-Stande der miſerableſte
und elendeſte Menſch/ der niemand mehr ſcha-
det/ als ſich ſelbſt/ und der von jederman ver-
lacht wird. Laß aber einen Koͤnig mit dieſem
temperament verſehen ſeyn/ ſo wirſt du be-
finden/ daß daraus die unertraͤglichſten Ty-
rannen als Caligulæ, Domitiani, Helioga-
bali, Vitellii
u. ſ. w. werden. Ein Koͤnig von
Ehrgeitzigen und Wohlluͤſtigen faſt gleich
gemiſchten Begierden wird/ groſſen Ruhm und
Liebe zu erwerben/ geſchickt ſeyn: Faͤllet aber
dieſes temperament auf eine privat-Perſon/ ſo
wird ein ſolcher offters mehr Neider und Feinde
als Freunde haben/ und bey ſeinem Leben von de-
nen meiſten aͤuſſerſt geſcholten und verachtet/
von wenigen aber geliebet und gelobet werden.

23. Dannenhero/ ob wir gleich oben ge-
ſagt/ daß die Mixtur von Wohlluſt und Ehr-
geitz der Tugend am naͤchſten komme/ die Mi-
ſchung vom Ehr- und Geldgeitz und Wohlluſt
miſerable Leute mache; So muß man doch nicht
dafuͤr halten/ daß dergleichen Mixturen auch
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[315/0347] der drey Haupt-Laſter. zu ſolchen Gluͤcke gelanget/ ſondern ſucht erſt den Schluͤſſel dazu/ ſo haͤlt er ſich mit einer Schein-Modeſtie und Submiſſion in der Stille/ und lebt mehr in obſcuro, als daß er ſich herfuͤr thun ſolte. Ein Wohlluͤſtiger und Geldgei- tziger iſt im privat-Stande der miſerableſte und elendeſte Menſch/ der niemand mehr ſcha- det/ als ſich ſelbſt/ und der von jederman ver- lacht wird. Laß aber einen Koͤnig mit dieſem temperament verſehen ſeyn/ ſo wirſt du be- finden/ daß daraus die unertraͤglichſten Ty- rannen als Caligulæ, Domitiani, Helioga- bali, Vitellii u. ſ. w. werden. Ein Koͤnig von Ehrgeitzigen und Wohlluͤſtigen faſt gleich gemiſchten Begierden wird/ groſſen Ruhm und Liebe zu erwerben/ geſchickt ſeyn: Faͤllet aber dieſes temperament auf eine privat-Perſon/ ſo wird ein ſolcher offters mehr Neider und Feinde als Freunde haben/ und bey ſeinem Leben von de- nen meiſten aͤuſſerſt geſcholten und verachtet/ von wenigen aber geliebet und gelobet werden. 23. Dannenhero/ ob wir gleich oben ge- ſagt/ daß die Mixtur von Wohlluſt und Ehr- geitz der Tugend am naͤchſten komme/ die Mi- ſchung vom Ehr- und Geldgeitz und Wohlluſt miſerable Leute mache; So muß man doch nicht dafuͤr halten/ daß dergleichen Mixturen auch von jederman mit dieſen Augen angeſehen werden/ oder daß die Gluͤcks-Guͤter bey dem wuͤrdigſten temperament allezeit waͤren/ und ſich

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/347>, abgerufen am 24.11.2024.