Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

der drey Haupt-Laster.
wohnheit und Gelegenheit auf die dominirende
passion falle/ selbige so zu sagen die Natur gleich-
sam verdoppele
und den Menschen dergestalt
in derselben Begierde ersoffen mache/ daß man
sich hernach aus der Sclaverey solcher Begierde
am allerwenigsten loßreissen kan. z. e. Wenn
ein wollüstiger Mensch lange Zeit unter lieder-
licher/ ein Ehrgeitziger unter arbeitsamer und
tieffsinniger/ und ein Geldgeitziger unter arglisti-
ger und betriegischer Gesellschafft ist.

21. Am allermeisten aber thut der Stand
und die Aufferziehung dabey. Ein Kind/ das
einen reichen wollüstigen Vater hat/ wird
von Jugend auff der Wollust/ des Uberflußes
und Verschwendung angewehnet/ wenn es
gleich von Natur Ehr-oder Geldgeitz/ zu passio-
nibus dominantibus
hätte. Bey Hofe wird
gemeiniglich der Ehrgeitz von Jugend auff in die
Kinder gebracht. Bey Handels Leuten die
Gewinnsucht und der Geld-Geitz u. s. w. Trifft
es nun/ daß ein Kind ohne dem zu solchen Begier-
den von Natur starck incliniret/ so wird so zu
sagen seine verderbte genie von jugend auff ge-
nehret/ daß er bey seinen Alter einen vollkomme-
nen habitum, aber nach der Sittenlehre viel-
mehr desto grösser Elend/ erworben und gelernet
hat. Trifft es sich aber/ daß ein Kind eine an-
dere inclination hat als der Zustand seiner
Aufferziehung ist/ so wird dennoch auch die

Ge-

der drey Haupt-Laſter.
wohnheit und Gelegenheit auf die dominirende
paſſion falle/ ſelbige ſo zu ſagen die Natur gleich-
ſam verdoppele
und den Menſchen dergeſtalt
in derſelben Begierde erſoffen mache/ daß man
ſich hernach aus der Sclaverey ſolcher Begierde
am allerwenigſten loßreiſſen kan. z. e. Wenn
ein wolluͤſtiger Menſch lange Zeit unter lieder-
licher/ ein Ehrgeitziger unter arbeitſamer und
tieffſinniger/ und ein Geldgeitziger unter argliſti-
ger und betriegiſcher Geſellſchafft iſt.

21. Am allermeiſten aber thut der Stand
und die Aufferziehung dabey. Ein Kind/ das
einen reichen wolluͤſtigen Vater hat/ wird
von Jugend auff der Wolluſt/ des Uberflußes
und Verſchwendung angewehnet/ wenn es
gleich von Natur Ehr-oder Geldgeitz/ zu paſſio-
nibus dominantibus
haͤtte. Bey Hofe wird
gemeiniglich der Ehrgeitz von Jugend auff in die
Kinder gebracht. Bey Handels Leuten die
Gewinnſucht und der Geld-Geitz u. ſ. w. Trifft
es nun/ daß ein Kind ohne dem zu ſolchen Begier-
den von Natur ſtarck incliniret/ ſo wird ſo zu
ſagen ſeine verderbte genie von jugend auff ge-
nehret/ daß er bey ſeinen Alter einen vollkomme-
nen habitum, aber nach der Sittenlehre viel-
mehr deſto groͤſſer Elend/ erworben und gelernet
hat. Trifft es ſich aber/ daß ein Kind eine an-
dere inclination hat als der Zuſtand ſeiner
Aufferziehung iſt/ ſo wird dennoch auch die

Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0345" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der drey Haupt-La&#x017F;ter.</hi></fw><lb/>
wohnheit und Gelegenheit auf <hi rendition="#fr">die</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">domini</hi></hi><hi rendition="#fr">rende</hi><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pa&#x017F;&#x017F;ion</hi></hi> <hi rendition="#fr">falle/</hi> &#x017F;elbige &#x017F;o zu &#x017F;agen <hi rendition="#fr">die Natur gleich-<lb/>
&#x017F;am verdoppele</hi> und den Men&#x017F;chen derge&#x017F;talt<lb/>
in der&#x017F;elben Begierde er&#x017F;offen mache/ daß man<lb/>
&#x017F;ich hernach aus der Sclaverey &#x017F;olcher Begierde<lb/>
am allerwenig&#x017F;ten loßrei&#x017F;&#x017F;en kan. z. e. Wenn<lb/>
ein wollu&#x0364;&#x017F;tiger Men&#x017F;ch lange Zeit unter lieder-<lb/>
licher/ ein Ehrgeitziger unter arbeit&#x017F;amer und<lb/>
tieff&#x017F;inniger/ und ein Geldgeitziger unter argli&#x017F;ti-<lb/>
ger und betriegi&#x017F;cher Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>21. Am allermei&#x017F;ten aber thut <hi rendition="#fr">der Stand</hi><lb/>
und die <hi rendition="#fr">Aufferziehung</hi> dabey. Ein Kind/ das<lb/>
einen <hi rendition="#fr">reichen wollu&#x0364;&#x017F;tigen Vater hat/</hi> wird<lb/>
von Jugend auff der Wollu&#x017F;t/ des Uberflußes<lb/>
und Ver&#x017F;chwendung angewehnet/ wenn es<lb/>
gleich von Natur Ehr-oder Geldgeitz/ zu <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;io-<lb/>
nibus dominantibus</hi> ha&#x0364;tte. Bey Hofe wird<lb/>
gemeiniglich der Ehrgeitz von Jugend auff in die<lb/>
Kinder gebracht. Bey <hi rendition="#fr">Handels Leuten</hi> die<lb/>
Gewinn&#x017F;ucht und der Geld-Geitz u. &#x017F;. w. Trifft<lb/>
es nun/ daß ein Kind ohne dem zu &#x017F;olchen Begier-<lb/>
den von Natur &#x017F;tarck <hi rendition="#aq">inclini</hi>ret/ &#x017F;o wird &#x017F;o zu<lb/>
&#x017F;agen &#x017F;eine verderbte <hi rendition="#aq">genie</hi> von jugend auff ge-<lb/>
nehret/ daß er bey &#x017F;einen Alter einen vollkomme-<lb/>
nen <hi rendition="#aq">habitum,</hi> aber nach der Sittenlehre viel-<lb/>
mehr de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Elend/ erworben und gelernet<lb/>
hat. Trifft es &#x017F;ich aber/ daß ein Kind eine an-<lb/>
dere <hi rendition="#aq">inclination</hi> hat als der Zu&#x017F;tand &#x017F;einer<lb/>
Aufferziehung i&#x017F;t/ &#x017F;o wird dennoch auch die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0345] der drey Haupt-Laſter. wohnheit und Gelegenheit auf die dominirende paſſion falle/ ſelbige ſo zu ſagen die Natur gleich- ſam verdoppele und den Menſchen dergeſtalt in derſelben Begierde erſoffen mache/ daß man ſich hernach aus der Sclaverey ſolcher Begierde am allerwenigſten loßreiſſen kan. z. e. Wenn ein wolluͤſtiger Menſch lange Zeit unter lieder- licher/ ein Ehrgeitziger unter arbeitſamer und tieffſinniger/ und ein Geldgeitziger unter argliſti- ger und betriegiſcher Geſellſchafft iſt. 21. Am allermeiſten aber thut der Stand und die Aufferziehung dabey. Ein Kind/ das einen reichen wolluͤſtigen Vater hat/ wird von Jugend auff der Wolluſt/ des Uberflußes und Verſchwendung angewehnet/ wenn es gleich von Natur Ehr-oder Geldgeitz/ zu paſſio- nibus dominantibus haͤtte. Bey Hofe wird gemeiniglich der Ehrgeitz von Jugend auff in die Kinder gebracht. Bey Handels Leuten die Gewinnſucht und der Geld-Geitz u. ſ. w. Trifft es nun/ daß ein Kind ohne dem zu ſolchen Begier- den von Natur ſtarck incliniret/ ſo wird ſo zu ſagen ſeine verderbte genie von jugend auff ge- nehret/ daß er bey ſeinen Alter einen vollkomme- nen habitum, aber nach der Sittenlehre viel- mehr deſto groͤſſer Elend/ erworben und gelernet hat. Trifft es ſich aber/ daß ein Kind eine an- dere inclination hat als der Zuſtand ſeiner Aufferziehung iſt/ ſo wird dennoch auch die Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/345
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/345>, abgerufen am 25.11.2024.