Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der drey Haupt-Laster. Gähzornige Weichhertzigkeit mit verbeissenderNachtragung; Kupler- und Spielmans-Dien- ste mit Neid und Frolocken über andrer Leute Schaden; Ingenieuse Erfindungen ohne ju- dicio mit guten Gedächtniße vermischet sind. Ein solcher Mensch wolte gerne lügen und simuliren/ aber er ist zu unbedachtsam und verschnapt sich leicht: Er wolte gern ver- schweigen und hinterm Berge halten; aber seine Klätscherey läßt es nicht zu: Er wendet alles was er ausgiebet auff fressen/ sauffen und huren/ nichts auff Ehre und reputa- tion, auch auff keinen dürfftigen Menschen: Jn Glück ist er ein Praler und Auffschneider/ der unerträglich ist/ der keinen honneten Men- schen achtet; Jn Unglück ist er der verzag- teste Mensch/ der auf die Knechtischte Art sich submittiret und Speichel lecket; aber der dennoch in der Grausamkeit keine Maße zu halten weiß/ wenn er das Ubel das ihn drückt/ kan vom Halse loß werden. Er frißt/ saufft und hurt gerne/ wenn es nicht viel/ oder zum wenigsten ihn nicht viel kostet/ oder sucht sei- ne Wollust mit alten Vetteln/ die ihn Geld zugeben/ zu büssen: Seine Kleider und was er sonst an sich wendet kostet ihm nicht wenig und hat doch keine Art/ weil er kein judi- cium hat/ und an einen Ort es mit Lauserey ein- bringen will/ was an dem andern auffgangen. Er ist nicht propre sondern ein Schwein; Ein Müßig- X 4
der drey Haupt-Laſter. Gaͤhzornige Weichhertzigkeit mit verbeiſſenderNachtragung; Kupler- und Spielmans-Dien- ſte mit Neid und Frolocken uͤber andrer Leute Schaden; Ingenieuſe Erfindungen ohne ju- dicio mit guten Gedaͤchtniße vermiſchet ſind. Ein ſolcher Menſch wolte gerne luͤgen und ſimuliren/ aber er iſt zu unbedachtſam und verſchnapt ſich leicht: Er wolte gern ver- ſchweigen und hinterm Berge halten; aber ſeine Klaͤtſcherey laͤßt es nicht zu: Er wendet alles was er ausgiebet auff freſſen/ ſauffen und huren/ nichts auff Ehre und reputa- tion, auch auff keinen duͤrfftigen Menſchen: Jn Gluͤck iſt er ein Praler und Auffſchneider/ der unertraͤglich iſt/ der keinen honnêten Men- ſchen achtet; Jn Ungluͤck iſt er der verzag- teſte Menſch/ der auf die Knechtiſchte Art ſich ſubmittiret und Speichel lecket; aber der dennoch in der Grauſamkeit keine Maße zu halten weiß/ wenn er das Ubel das ihn druͤckt/ kan vom Halſe loß werden. Er frißt/ ſaufft und hurt gerne/ wenn es nicht viel/ oder zum wenigſten ihn nicht viel koſtet/ oder ſucht ſei- ne Wolluſt mit alten Vetteln/ die ihn Geld zugeben/ zu buͤſſen: Seine Kleider und was er ſonſt an ſich wendet koſtet ihm nicht wenig und hat doch keine Art/ weil er kein judi- cium hat/ und an einen Ort es mit Lauſerey ein- bringen will/ was an dem andern auffgangen. Er iſt nicht propre ſondern ein Schwein; Ein Muͤßig- X 4
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Gaͤhzornige Weichhertzigkeit mit verbeiſſender
Nachtragung; Kupler- und Spielmans-Dien-
ſte mit Neid und Frolocken uͤber andrer Leute
Schaden; Ingenieuſe Erfindungen ohne ju-
dicio mit guten Gedaͤchtniße vermiſchet ſind.
Ein ſolcher Menſch wolte gerne luͤgen und
ſimuliren/ aber er iſt zu unbedachtſam und
verſchnapt ſich leicht: Er wolte gern ver-
ſchweigen und hinterm Berge halten; aber
ſeine Klaͤtſcherey laͤßt es nicht zu: Er wendet
alles was er ausgiebet auff freſſen/ ſauffen
und huren/ nichts auff Ehre und reputa-
tion, auch auff keinen duͤrfftigen Menſchen:
Jn Gluͤck iſt er ein Praler und Auffſchneider/
der unertraͤglich iſt/ der keinen honnêten Men-
ſchen achtet; Jn Ungluͤck iſt er der verzag-
teſte Menſch/ der auf die Knechtiſchte Art ſich
ſubmittiret und Speichel lecket; aber der
dennoch in der Grauſamkeit keine Maße zu
halten weiß/ wenn er das Ubel das ihn druͤckt/
kan vom Halſe loß werden. Er frißt/ ſaufft
und hurt gerne/ wenn es nicht viel/ oder zum
wenigſten ihn nicht viel koſtet/ oder ſucht ſei-
ne Wolluſt mit alten Vetteln/ die ihn Geld
zugeben/ zu buͤſſen: Seine Kleider und was
er ſonſt an ſich wendet koſtet ihm nicht wenig
und hat doch keine Art/ weil er kein judi-
cium hat/ und an einen Ort es mit Lauſerey ein-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/339>, abgerufen am 24.07.2024. |