Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.und denen daher rührenden Untugenden. Esels-Arbeit zugeleget haben/ so muß doch die-ses wohl und mit gewisser Bedingung verstan- den werden. Ein Tugendhaffter temperiret seine Arbeit mit mäßiger Erqvickung/ ein Wohl- lüstiger ist ein Feind der Arbeit/ und ein Ehr-Gei- tziger arbeitet gar zu viel. Der Geld-Geitz aber ist an und für sich selbst indifferent, daß nach der Passion, wormit er gemischet wird/ er sich so wohl zum Müßiggang als Arbeit schickt. Hat er Geld und Gut schon erworben/ so ist die- ses eben keine grosse Arbeit/ bey seinem Gel- de zu sitzen/ selbiges zu zehlen/ auf seinen Gü- tern von einem Ort auf den andern zu gehen/ und zusehen/ ob alles noch da ist/ und wohl verrich- tet wird. Es ist aber doch auch kein Müßiggang eines Wohllüstigen. Hat er aber noch kein Geld und Gut für sich gebracht/ oder er hätte dessen gerne mehr/ so hat ein Geitziger noch andere Mittel reich zu werden/ oder etwas zu erlangen/ als eben arbeiten. Ein Tugendhaff- ter/ ja ein Ehr-Geitziger schämet sich/ etwas von andern zum Geschencke zu begehren. Ein Wohllüstiger giebt gerne weg/ und schämet sich eben so sehr nicht/ wieder was zu betteln/ wenn er es braucht. Ein Geitziger hat auch keine Scham zu betteln/ wenn er nur Hoff- nung hat/ was zu erlangen/ ja ein Geitziger schämet sich auch nicht zu stehlen/ oder durch Unrecht was an sich zu bringen. Wann er demnach im Glücke/ Macht und Ansehen sitzet/ weiß
und denen daher ruͤhrenden Untugenden. Eſels-Arbeit zugeleget haben/ ſo muß doch die-ſes wohl und mit gewiſſer Bedingung verſtan- den werden. Ein Tugendhaffter temperiret ſeine Arbeit mit maͤßiger Erqvickung/ ein Wohl- luͤſtiger iſt ein Feind der Arbeit/ und ein Ehr-Gei- tziger arbeitet gar zu viel. Der Geld-Geitz aber iſt an und fuͤr ſich ſelbſt indifferent, daß nach der Paſſion, wormit er gemiſchet wird/ er ſich ſo wohl zum Muͤßiggang als Arbeit ſchickt. Hat er Geld und Gut ſchon erworben/ ſo iſt die- ſes eben keine groſſe Arbeit/ bey ſeinem Gel- de zu ſitzen/ ſelbiges zu zehlen/ auf ſeinen Guͤ- tern von einem Ort auf den andern zu gehen/ und zuſehen/ ob alles noch da iſt/ und wohl verrich- tet wird. Es iſt aber doch auch kein Muͤßiggang eines Wohlluͤſtigen. Hat er aber noch kein Geld und Gut fuͤr ſich gebracht/ oder er haͤtte deſſen gerne mehr/ ſo hat ein Geitziger noch andere Mittel reich zu werden/ oder etwas zu erlangen/ als eben arbeiten. Ein Tugendhaff- ter/ ja ein Ehr-Geitziger ſchaͤmet ſich/ etwas von andern zum Geſchencke zu begehren. Ein Wohlluͤſtiger giebt gerne weg/ und ſchaͤmet ſich eben ſo ſehr nicht/ wieder was zu betteln/ wenn er es braucht. Ein Geitziger hat auch keine Scham zu betteln/ wenn er nur Hoff- nung hat/ was zu erlangen/ ja ein Geitziger ſchaͤmet ſich auch nicht zu ſtehlen/ oder durch Unrecht was an ſich zu bringen. Wann er demnach im Gluͤcke/ Macht und Anſehen ſitzet/ weiß
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und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
Eſels-Arbeit zugeleget haben/ ſo muß doch die-
ſes wohl und mit gewiſſer Bedingung verſtan-
den werden. Ein Tugendhaffter temperiret
ſeine Arbeit mit maͤßiger Erqvickung/ ein Wohl-
luͤſtiger iſt ein Feind der Arbeit/ und ein Ehr-Gei-
tziger arbeitet gar zu viel. Der Geld-Geitz aber
iſt an und fuͤr ſich ſelbſt indifferent, daß nach
der Paſſion, wormit er gemiſchet wird/ er ſich
ſo wohl zum Muͤßiggang als Arbeit ſchickt.
Hat er Geld und Gut ſchon erworben/ ſo iſt die-
ſes eben keine groſſe Arbeit/ bey ſeinem Gel-
de zu ſitzen/ ſelbiges zu zehlen/ auf ſeinen Guͤ-
tern von einem Ort auf den andern zu gehen/ und
zuſehen/ ob alles noch da iſt/ und wohl verrich-
tet wird. Es iſt aber doch auch kein Muͤßiggang
eines Wohlluͤſtigen. Hat er aber noch kein
Geld und Gut fuͤr ſich gebracht/ oder er haͤtte
deſſen gerne mehr/ ſo hat ein Geitziger noch
andere Mittel reich zu werden/ oder etwas
zu erlangen/ als eben arbeiten. Ein Tugendhaff-
ter/ ja ein Ehr-Geitziger ſchaͤmet ſich/ etwas
von andern zum Geſchencke zu begehren. Ein
Wohlluͤſtiger giebt gerne weg/ und ſchaͤmet ſich
eben ſo ſehr nicht/ wieder was zu betteln/ wenn
er es braucht. Ein Geitziger hat auch
keine Scham zu betteln/ wenn er nur Hoff-
nung hat/ was zu erlangen/ ja ein Geitziger
ſchaͤmet ſich auch nicht zu ſtehlen/ oder durch
Unrecht was an ſich zu bringen. Wann er
demnach im Gluͤcke/ Macht und Anſehen ſitzet/
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