Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.und denen daher rührenden Untugenden. Gedächtniß ein/ z. e. die Gestalt/ die Grösse/ dieFarben derselben/ und wo er keine solche Merck- Zeichen in der Natur findet/ macht er sich subsidia mnemonica selbst durch gewisse Zeichen und seine Begierde giebt ihn artem Lullisticam selbsten ein. Durch diese Ubung wormit er stets umgehet/ exerciret er sein Gedächtniß überaus sehr und bringet es zu einer sonderlichen Vortrefflig- keit. 27. Hingegentheil ist sein judicium das beste andre
und denen daher ruͤhrenden Untugenden. Gedaͤchtniß ein/ z. e. die Geſtalt/ die Groͤſſe/ dieFarben derſelben/ und wo er keine ſolche Merck- Zeichen in der Natur findet/ macht er ſich ſubſidia mnemonica ſelbſt durch gewiſſe Zeichen und ſeine Begierde giebt ihn artem Lulliſticam ſelbſten ein. Durch dieſe Ubung wormit er ſtets umgehet/ exerciret er ſein Gedaͤchtniß uͤberaus ſehr und bringet es zu einer ſonderlichen Vortrefflig- keit. 27. Hingegentheil iſt ſein judicium das beſte andre
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und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
Gedaͤchtniß ein/ z. e. die Geſtalt/ die Groͤſſe/ die
Farben derſelben/ und wo er keine ſolche Merck-
Zeichen in der Natur findet/ macht er ſich ſubſidia
mnemonica ſelbſt durch gewiſſe Zeichen und ſeine
Begierde giebt ihn artem Lulliſticam ſelbſten
ein. Durch dieſe Ubung wormit er ſtets umgehet/
exerciret er ſein Gedaͤchtniß uͤberaus ſehr und
bringet es zu einer ſonderlichen Vortrefflig-
keit.
27. Hingegentheil iſt ſein judicium das beſte
nicht: Jemehr dem gedaͤchtniß zuwaͤchſt/ je we-
niger nimt das judicium zu/ weil es nicht exco-
liret wird/ und ein Menſch nicht zu gleich an zwey
Dinge dencken kan. Sein judicium beſtehet
hauptſaͤchlich darinnen/ daß er weiß/ daß 2. mal 4.
mehr iſt als 2. mahl 2. und daß er den Unter-
ſcheid ſeiner Sachen weiß die er beſitzet: Aber
auff gegenwaͤrtige Dinge und deren Unter-
ſcheid genau acht zu haben laͤſt ihm ſein Geldgeitz
nicht zu. Ein Geitziger kaufft nicht gerne/ ſon-
dern laͤſt ſich gerne was ſchencken. Einem ge-
ſchenckten Gaul aber darff man/ nach dem ge-
meinen Sprichwort/ nicht ins Maul ſehen/ und
wenn man bey geſchenckten Dingen das beſte
allemahl wehlen wolte/ wuͤrde es nicht nur grob
heraus kommen/ woruͤber ſich endlich ein Geld-
geitziger wenig bekuͤmmern wuͤrde/ ſondern er
wuͤrde ſich befahren muͤſſen/ daß man ihm entwe-
der die begehrte Sache abſchluͤge/ oder aber
andre
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/297>, abgerufen am 16.02.2025. |