Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
lichen verborgenen Zuge des Wesens selbsten:
Man müste sehen/ ob kleine Kinder nicht nach
polirten Zahlpfennigen ja so lieb greiffen wür-
den/ als nach Golde/ aber auch andere Umstän-
de mehr dabey in acht nehmen/ damit man sich
ja in seinem Urtheil nicht übereilete/ als wie die
Richter in einer Stadt in Griechenland gethan/
die/ als ein klein Kind eine güldene Crone vom
Altar genommen/ um zu prüffen/ ob es das
Kind aus Boßheit gethan/ ihm unter andern
Spielzeuge auch die Crone fürgeleget/ und als
es nach dieser für andern Puppen-Werck ge-
griffen/ dasselbige als einen Kirchen-Räuber
mit der ordentlichen Straffe des Kirchen-Rau-
bes beleget.

22. Wie soll ich aber nun einen Wohllüsti-
gen und Ehr-Geitzigen von einem Geld-Geitzi-
gen noch genauer unterscheiden? indem gleich-
wohl offenbar ist/ daß ein Wohllüstiger und
Ehr-Geitziger auch meistentheils gerne
nach Gelde trachten.
Jch halte/ daß man
unter denen Dieben und Spitzbuben/ wo nicht
mehr/ doch zum wenigsten/ ja so viel Wohllü-
stige und Ehr-Geitzige/ als Geld-Geitzige an-
treffen solte. Diese Entscheidung zeiget uns/
daß wir oben gesagt/ ein Geitziger bemühe sich/
seine Ruhe durch eigenthümliche Besitzung
Geldes und Gutes zu erlangen.
Demnach
ist eigentlich das Eigenthum die Seele und

das

Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
lichen verborgenen Zuge des Weſens ſelbſten:
Man muͤſte ſehen/ ob kleine Kinder nicht nach
polirten Zahlpfennigen ja ſo lieb greiffen wuͤr-
den/ als nach Golde/ aber auch andere Umſtaͤn-
de mehr dabey in acht nehmen/ damit man ſich
ja in ſeinem Urtheil nicht uͤbereilete/ als wie die
Richter in einer Stadt in Griechenland gethan/
die/ als ein klein Kind eine guͤldene Crone vom
Altar genommen/ um zu pruͤffen/ ob es das
Kind aus Boßheit gethan/ ihm unter andern
Spielzeuge auch die Crone fuͤrgeleget/ und als
es nach dieſer fuͤr andern Puppen-Werck ge-
griffen/ daſſelbige als einen Kirchen-Raͤuber
mit der ordentlichen Straffe des Kirchen-Rau-
bes beleget.

22. Wie ſoll ich aber nun einen Wohlluͤſti-
gen und Ehr-Geitzigen von einem Geld-Geitzi-
gen noch genauer unterſcheiden? indem gleich-
wohl offenbar iſt/ daß ein Wohlluͤſtiger und
Ehr-Geitziger auch meiſtentheils gerne
nach Gelde trachten.
Jch halte/ daß man
unter denen Dieben und Spitzbuben/ wo nicht
mehr/ doch zum wenigſten/ ja ſo viel Wohlluͤ-
ſtige und Ehr-Geitzige/ als Geld-Geitzige an-
treffen ſolte. Dieſe Entſcheidung zeiget uns/
daß wir oben geſagt/ ein Geitziger bemuͤhe ſich/
ſeine Ruhe durch eigenthuͤmliche Beſitzung
Geldes und Gutes zu erlangen.
Demnach
iſt eigentlich das Eigenthum die Seele und

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0290" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 11. H. von dem Geld-Geitz/</hi></fw><lb/>
lichen verborgenen Zuge des We&#x017F;ens &#x017F;elb&#x017F;ten:<lb/>
Man mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;ehen/ ob kleine Kinder nicht nach<lb/><hi rendition="#aq">polirt</hi>en Zahlpfennigen ja &#x017F;o lieb greiffen wu&#x0364;r-<lb/>
den/ als nach Golde/ aber auch andere Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de mehr dabey in acht nehmen/ damit man &#x017F;ich<lb/>
ja in &#x017F;einem Urtheil nicht u&#x0364;bereilete/ als wie die<lb/>
Richter in einer Stadt in Griechenland gethan/<lb/>
die/ als ein klein Kind eine gu&#x0364;ldene Crone vom<lb/>
Altar genommen/ um zu pru&#x0364;ffen/ ob es das<lb/>
Kind aus Boßheit gethan/ ihm unter andern<lb/>
Spielzeuge auch die Crone fu&#x0364;rgeleget/ und als<lb/>
es nach die&#x017F;er fu&#x0364;r andern Puppen-Werck ge-<lb/>
griffen/ da&#x017F;&#x017F;elbige als einen Kirchen-Ra&#x0364;uber<lb/>
mit der ordentlichen Straffe des Kirchen-Rau-<lb/>
bes beleget.</p><lb/>
        <p>22. Wie &#x017F;oll ich aber nun einen Wohllu&#x0364;&#x017F;ti-<lb/>
gen und Ehr-Geitzigen von einem Geld-Geitzi-<lb/>
gen noch genauer unter&#x017F;cheiden? indem gleich-<lb/>
wohl offenbar i&#x017F;t/ daß <hi rendition="#fr">ein Wohllu&#x0364;&#x017F;tiger und<lb/>
Ehr-Geitziger auch mei&#x017F;tentheils gerne<lb/>
nach Gelde trachten.</hi> Jch halte/ daß man<lb/>
unter denen Dieben und Spitzbuben/ wo nicht<lb/>
mehr/ doch zum wenig&#x017F;ten/ ja &#x017F;o viel Wohllu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tige und Ehr-Geitzige/ als Geld-Geitzige an-<lb/>
treffen &#x017F;olte. Die&#x017F;e Ent&#x017F;cheidung zeiget uns/<lb/>
daß wir oben ge&#x017F;agt/ ein Geitziger bemu&#x0364;he &#x017F;ich/<lb/>
&#x017F;eine Ruhe <hi rendition="#fr">durch eigenthu&#x0364;mliche Be&#x017F;itzung<lb/>
Geldes und Gutes zu erlangen.</hi> Demnach<lb/>
i&#x017F;t eigentlich <hi rendition="#fr">das Eigenthum die Seele und</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">das</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0290] Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ lichen verborgenen Zuge des Weſens ſelbſten: Man muͤſte ſehen/ ob kleine Kinder nicht nach polirten Zahlpfennigen ja ſo lieb greiffen wuͤr- den/ als nach Golde/ aber auch andere Umſtaͤn- de mehr dabey in acht nehmen/ damit man ſich ja in ſeinem Urtheil nicht uͤbereilete/ als wie die Richter in einer Stadt in Griechenland gethan/ die/ als ein klein Kind eine guͤldene Crone vom Altar genommen/ um zu pruͤffen/ ob es das Kind aus Boßheit gethan/ ihm unter andern Spielzeuge auch die Crone fuͤrgeleget/ und als es nach dieſer fuͤr andern Puppen-Werck ge- griffen/ daſſelbige als einen Kirchen-Raͤuber mit der ordentlichen Straffe des Kirchen-Rau- bes beleget. 22. Wie ſoll ich aber nun einen Wohlluͤſti- gen und Ehr-Geitzigen von einem Geld-Geitzi- gen noch genauer unterſcheiden? indem gleich- wohl offenbar iſt/ daß ein Wohlluͤſtiger und Ehr-Geitziger auch meiſtentheils gerne nach Gelde trachten. Jch halte/ daß man unter denen Dieben und Spitzbuben/ wo nicht mehr/ doch zum wenigſten/ ja ſo viel Wohlluͤ- ſtige und Ehr-Geitzige/ als Geld-Geitzige an- treffen ſolte. Dieſe Entſcheidung zeiget uns/ daß wir oben geſagt/ ein Geitziger bemuͤhe ſich/ ſeine Ruhe durch eigenthuͤmliche Beſitzung Geldes und Gutes zu erlangen. Demnach iſt eigentlich das Eigenthum die Seele und das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/290
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/290>, abgerufen am 22.11.2024.