Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

und denen daher rührenden Unt.
weder solches von ihnen nicht geschehen/ oder da
es geschiehet/ wird dieses auffgebrachte Geld ge-
wiß zum point d'honneur an andere verwendet
werden/ und also selbiges von dem Ehrgeitzigen
als ein blosses Mittel zu seinen Verlangen das
ist zu anderer Leute Hochachtung zu gelangen/
nicht aber als das Verlangen selbst betrachtet
werden.

18. Aber was ist für ein Unterscheid zwi-
schen einen Tugendhafften und Ehrgeitzigen/ in-
dem ein Tugendhaffter eben/ weil er nach
anderer tugendhafften Leute Liebe trachtet/ noth-
wendig nach derselben Hochachtung trachten
muß/ massen wir in vorigen Theil gewiesen/ daß
die Hochachtung allemahl vor der vernünfftigen
Liebe vorher gehen müsse? Aber hierunter ist
ein mercklicher Unterscheid. Jn der vernünfftigen
Liebe werden Hertzen durch Hertzen gesucht/ und
die Hochachtung ist nur die Bahne dadurch
man gehet/ nicht aber das Ziel. Ein Tugend-
haffter sucht nur die Hertzen gleich gesinnter Leu-
te/ und diese weiß er gewiß/ daß er sie erhalten
werde/ weil es nothwendig ist/ daß tugendhaffte
Leute andere Tugendhaffte lieben müssen/ also
verlanget er ein Gut das in seinen Vermögen ist.
Ein Ehrgeitziger aber trachtet nach der Hoch-
achtung anderer Menschen überhaupt/ ob schon
diese zu erhalten nicht in seinem Vermögen/ ja
absolut unmöglich ist/ massen kein Mensch aller
Menschen Hochachtung erhalten mag. Ein

Hoffär-
P 4

und denen daher ruͤhrenden Unt.
weder ſolches von ihnen nicht geſchehen/ oder da
es geſchiehet/ wird dieſes auffgebrachte Geld ge-
wiß zum point d’honneur an andere verwendet
werden/ und alſo ſelbiges von dem Ehrgeitzigen
als ein bloſſes Mittel zu ſeinen Verlangen das
iſt zu anderer Leute Hochachtung zu gelangen/
nicht aber als das Verlangen ſelbſt betrachtet
werden.

18. Aber was iſt fuͤr ein Unterſcheid zwi-
ſchen einen Tugendhafften und Ehrgeitzigen/ in-
dem ein Tugendhaffter eben/ weil er nach
anderer tugendhafften Leute Liebe trachtet/ noth-
wendig nach derſelben Hochachtung trachten
muß/ maſſen wir in vorigen Theil gewieſen/ daß
die Hochachtung allemahl vor der vernuͤnfftigen
Liebe vorher gehen muͤſſe? Aber hierunter iſt
ein mercklicher Unterſcheid. Jn der vernuͤnfftigen
Liebe werden Hertzen durch Hertzen geſucht/ und
die Hochachtung iſt nur die Bahne dadurch
man gehet/ nicht aber das Ziel. Ein Tugend-
haffter ſucht nur die Hertzen gleich geſinnter Leu-
te/ und dieſe weiß er gewiß/ daß er ſie erhalten
werde/ weil es nothwendig iſt/ daß tugendhaffte
Leute andere Tugendhaffte lieben muͤſſen/ alſo
verlanget er ein Gut das in ſeinen Vermoͤgen iſt.
Ein Ehrgeitziger aber trachtet nach der Hoch-
achtung anderer Menſchen uͤberhaupt/ ob ſchon
dieſe zu erhalten nicht in ſeinem Vermoͤgen/ ja
abſolut unmoͤglich iſt/ maſſen kein Menſch aller
Menſchen Hochachtung erhalten mag. Ein

Hoffaͤr-
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und denen daher ru&#x0364;hrenden Unt.</hi></fw><lb/>
weder &#x017F;olches von ihnen nicht ge&#x017F;chehen/ oder da<lb/>
es ge&#x017F;chiehet/ wird die&#x017F;es auffgebrachte Geld ge-<lb/>
wiß zum <hi rendition="#aq">point d&#x2019;honneur</hi> an andere verwendet<lb/>
werden/ und al&#x017F;o &#x017F;elbiges von dem Ehrgeitzigen<lb/>
als ein blo&#x017F;&#x017F;es Mittel zu &#x017F;einen Verlangen das<lb/>
i&#x017F;t zu anderer Leute Hochachtung zu gelangen/<lb/>
nicht aber als das Verlangen &#x017F;elb&#x017F;t betrachtet<lb/>
werden.</p><lb/>
        <p>18. Aber was i&#x017F;t fu&#x0364;r ein Unter&#x017F;cheid zwi-<lb/>
&#x017F;chen einen Tugendhafften und Ehrgeitzigen/ in-<lb/>
dem ein <hi rendition="#fr">Tugendhaffter</hi> eben/ weil er nach<lb/>
anderer tugendhafften Leute Liebe trachtet/ noth-<lb/>
wendig nach der&#x017F;elben <hi rendition="#fr">Hochachtung</hi> trachten<lb/>
muß/ ma&#x017F;&#x017F;en wir in vorigen Theil gewie&#x017F;en/ daß<lb/>
die Hochachtung allemahl vor der vernu&#x0364;nfftigen<lb/>
Liebe vorher gehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e? Aber hierunter i&#x017F;t<lb/>
ein mercklicher Unter&#x017F;cheid. Jn der vernu&#x0364;nfftigen<lb/>
Liebe werden Hertzen durch Hertzen ge&#x017F;ucht/ und<lb/>
die Hochachtung i&#x017F;t nur die Bahne dadurch<lb/>
man gehet/ nicht aber das Ziel. Ein Tugend-<lb/>
haffter &#x017F;ucht nur die Hertzen gleich ge&#x017F;innter Leu-<lb/>
te/ und die&#x017F;e weiß er gewiß/ daß er &#x017F;ie erhalten<lb/>
werde/ weil es nothwendig i&#x017F;t/ daß tugendhaffte<lb/>
Leute andere Tugendhaffte lieben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ al&#x017F;o<lb/>
verlanget er ein Gut das in &#x017F;einen Vermo&#x0364;gen i&#x017F;t.<lb/>
Ein <hi rendition="#fr">Ehrgeitziger</hi> aber trachtet nach der Hoch-<lb/>
achtung anderer Men&#x017F;chen u&#x0364;berhaupt/ ob &#x017F;chon<lb/>
die&#x017F;e zu erhalten nicht in &#x017F;einem Vermo&#x0364;gen/ ja<lb/><hi rendition="#aq">ab&#x017F;olut</hi> unmo&#x0364;glich i&#x017F;t/ ma&#x017F;&#x017F;en kein Men&#x017F;ch aller<lb/>
Men&#x017F;chen Hochachtung erhalten mag. Ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Hoffa&#x0364;r-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0243] und denen daher ruͤhrenden Unt. weder ſolches von ihnen nicht geſchehen/ oder da es geſchiehet/ wird dieſes auffgebrachte Geld ge- wiß zum point d’honneur an andere verwendet werden/ und alſo ſelbiges von dem Ehrgeitzigen als ein bloſſes Mittel zu ſeinen Verlangen das iſt zu anderer Leute Hochachtung zu gelangen/ nicht aber als das Verlangen ſelbſt betrachtet werden. 18. Aber was iſt fuͤr ein Unterſcheid zwi- ſchen einen Tugendhafften und Ehrgeitzigen/ in- dem ein Tugendhaffter eben/ weil er nach anderer tugendhafften Leute Liebe trachtet/ noth- wendig nach derſelben Hochachtung trachten muß/ maſſen wir in vorigen Theil gewieſen/ daß die Hochachtung allemahl vor der vernuͤnfftigen Liebe vorher gehen muͤſſe? Aber hierunter iſt ein mercklicher Unterſcheid. Jn der vernuͤnfftigen Liebe werden Hertzen durch Hertzen geſucht/ und die Hochachtung iſt nur die Bahne dadurch man gehet/ nicht aber das Ziel. Ein Tugend- haffter ſucht nur die Hertzen gleich geſinnter Leu- te/ und dieſe weiß er gewiß/ daß er ſie erhalten werde/ weil es nothwendig iſt/ daß tugendhaffte Leute andere Tugendhaffte lieben muͤſſen/ alſo verlanget er ein Gut das in ſeinen Vermoͤgen iſt. Ein Ehrgeitziger aber trachtet nach der Hoch- achtung anderer Menſchen uͤberhaupt/ ob ſchon dieſe zu erhalten nicht in ſeinem Vermoͤgen/ ja abſolut unmoͤglich iſt/ maſſen kein Menſch aller Menſchen Hochachtung erhalten mag. Ein Hoffaͤr- P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/243
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/243>, abgerufen am 22.11.2024.