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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daraus fliessenden Untug.
entstehen werde/ die viel empfindlicher seyn wer-
de/ als die so er allbereit empfindet.

50. Ein Wollüstiger ist zwar Jächzornig
aber weichhertzig. Die Jächzornige Weich-
hertzigkeit ist ein Laster/ das einen Wollüsti-
gen antreibet/ die zugefügte Beleidigung/ und
angethanen Schmertzen bald zu Hertzen zu
nehmen/ und auf Mittel zu dencken sich zu
rächen aber von diesen Gedancken und Vor-
satz bald wieder abläßt/ theils wegen Man-
gel des Zorns/ theils wegen Furcht der Ge-
fahr theils wegen guter Worte und andern

lubmission des Beleidigenden. Die Em-
pfindligkeit und jähe Zorn eines Wollüstigen
fliessen aus eben der Ursachen her/ die wir bey der
Ungedult in vorigen n. gesetzt haben. Wer nun
den Wollüstigen dißfalls zum Verdruß reitzet/
den hasset er/ und folgbar ist er bemühet/ so lange
der Verdruß und Zorn währet/ sich an ihn zu
rächen. Aber sein Hertz ist weibisch/ und er hat
keine Kräffte/ wegen seiner Wollust; also ist sein
Zorn ohnmächtig/ und die in erster Hitze zusam-
men getriebenen Geisterzertheilen sich natürlicher
Weise bald wieder. Also höret der Zorn auff;
Also entstehet Furcht/ daß nicht durch Wieder-
setzung des Beleidigenden noch grösserer Ver-
druß erwecket/ und er an Belustigung seiner Sin-
nen noch mehr gehindert werde. Rachgier
lässet nicht essen/ schlaffen u. s. w. das ist einem
Wollüstigen ungelegen/ daß z. e. wegen einmahl

durch
O 5

und denen daraus flieſſenden Untug.
entſtehen werde/ die viel empfindlicher ſeyn wer-
de/ als die ſo er allbereit empfindet.

50. Ein Wolluͤſtiger iſt zwar Jaͤchzornig
aber weichhertzig. Die Jaͤchzornige Weich-
hertzigkeit iſt ein Laſter/ das einen Wolluͤſti-
gen antreibet/ die zugefuͤgte Beleidigung/ uñ
angethanen Schmertzen bald zu Hertzen zu
nehmen/ und auf Mittel zu dencken ſich zu
raͤchen aber von dieſen Gedancken und Vor-
ſatz bald wieder ablaͤßt/ theils wegen Man-
gel des Zorns/ theils wegen Furcht der Ge-
fahr theils wegen guter Worte und andern

lubmiſſion des Beleidigenden. Die Em-
pfindligkeit und jaͤhe Zorn eines Wolluͤſtigen
flieſſen aus eben der Urſachen her/ die wir bey der
Ungedult in vorigen n. geſetzt haben. Wer nun
den Wolluͤſtigen dißfalls zum Verdruß reitzet/
den haſſet er/ und folgbar iſt er bemuͤhet/ ſo lange
der Verdruß und Zorn waͤhret/ ſich an ihn zu
raͤchen. Aber ſein Hertz iſt weibiſch/ und er hat
keine Kraͤffte/ wegen ſeiner Wolluſt; alſo iſt ſein
Zorn ohnmaͤchtig/ und die in erſter Hitze zuſam-
men getriebenen Geiſterzertheilen ſich natuͤrlicher
Weiſe bald wieder. Alſo hoͤret der Zorn auff;
Alſo entſtehet Furcht/ daß nicht durch Wieder-
ſetzung des Beleidigenden noch groͤſſerer Ver-
druß erwecket/ und er an Beluſtigung ſeiner Sin-
nen noch mehr gehindert werde. Rachgier
laͤſſet nicht eſſen/ ſchlaffen u. ſ. w. das iſt einem
Wolluͤſtigen ungelegen/ daß z. e. wegen einmahl

durch
O 5
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[217/0229] und denen daraus flieſſenden Untug. entſtehen werde/ die viel empfindlicher ſeyn wer- de/ als die ſo er allbereit empfindet. 50. Ein Wolluͤſtiger iſt zwar Jaͤchzornig aber weichhertzig. Die Jaͤchzornige Weich- hertzigkeit iſt ein Laſter/ das einen Wolluͤſti- gen antreibet/ die zugefuͤgte Beleidigung/ uñ angethanen Schmertzen bald zu Hertzen zu nehmen/ und auf Mittel zu dencken ſich zu raͤchen aber von dieſen Gedancken und Vor- ſatz bald wieder ablaͤßt/ theils wegen Man- gel des Zorns/ theils wegen Furcht der Ge- fahr theils wegen guter Worte und andern lubmiſſion des Beleidigenden. Die Em- pfindligkeit und jaͤhe Zorn eines Wolluͤſtigen flieſſen aus eben der Urſachen her/ die wir bey der Ungedult in vorigen n. geſetzt haben. Wer nun den Wolluͤſtigen dißfalls zum Verdruß reitzet/ den haſſet er/ und folgbar iſt er bemuͤhet/ ſo lange der Verdruß und Zorn waͤhret/ ſich an ihn zu raͤchen. Aber ſein Hertz iſt weibiſch/ und er hat keine Kraͤffte/ wegen ſeiner Wolluſt; alſo iſt ſein Zorn ohnmaͤchtig/ und die in erſter Hitze zuſam- men getriebenen Geiſterzertheilen ſich natuͤrlicher Weiſe bald wieder. Alſo hoͤret der Zorn auff; Alſo entſtehet Furcht/ daß nicht durch Wieder- ſetzung des Beleidigenden noch groͤſſerer Ver- druß erwecket/ und er an Beluſtigung ſeiner Sin- nen noch mehr gehindert werde. Rachgier laͤſſet nicht eſſen/ ſchlaffen u. ſ. w. das iſt einem Wolluͤſtigen ungelegen/ daß z. e. wegen einmahl durch O 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/229>, abgerufen am 25.11.2024.