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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 9. H. von der Wollust
der Speise und Tranck/ indem sie keinen natür-
lichen Beyschlaff ohne dergleichen empfindliche
Rührung weiß/ als wie sie unschmakhaffte Spei-
sen weiß/ und muß also hierinnen dieser Mangel
der Vernunfft aus einem höhern Liecht ersetzet
werden.

20. Gleichwohl kan der Mensch dessen
leicht vergewissert werden/ wenn er nur auff sich
selbst Achtung geben will/ daß diese Empfind-
lichkeit
und die Ursache derselben durch allzu
schmackhaffte und mannigfaltige Speise und
Tranck/ ingleichen durch die
conversation,
mit wohllüstigen Leuten und das Exempel und
Anreitzung derselben mehr und mehr gestär-
cket werde/
und also er selbst guten theils Ursa-
che an der Reitzung zu dieser Lust sey; Auch wenn
er sich in Essen und Trincken in acht nähme/ umb
ein merckliches diese Reitzung dämpffen könte.
Wannenhero in so weit die fleischliche Wohl-
lust aus der Wohllust des Geschmacks her-
stammet.

21. Ob nun wohl alle Menschen bey sich
eine Neigung zu guten Essen und Trincken/ in-
gleichen zu fleischlicher Vermischung finden; So
giebt es doch etliche/ die alle andere Belustig-
ung und Vergnügen umb diese geben solten/

und also ihre Ruhe darinnen suchen/ da doch an-
dere dißfalls anders Sinnes sind/ und dieses sind
nun die Wohllüstigen.

23. Und zwar wird die Verknüpffung des

wohl-

Das 9. H. von der Wolluſt
der Speiſe und Tranck/ indem ſie keinen natuͤr-
lichen Beyſchlaff ohne dergleichen empfindliche
Ruͤhrung weiß/ als wie ſie unſchmakhaffte Spei-
ſen weiß/ und muß alſo hierinnen dieſer Mangel
der Vernunfft aus einem hoͤhern Liecht erſetzet
werden.

20. Gleichwohl kan der Menſch deſſen
leicht vergewiſſert werden/ wenn er nur auff ſich
ſelbſt Achtung geben will/ daß dieſe Empfind-
lichkeit
und die Urſache derſelben durch allzu
ſchmackhaffte und mannigfaltige Speiſe und
Tranck/ ingleichen durch die
converſation,
mit wohlluͤſtigen Leuten und das Exempel und
Anreitzung derſelben mehr und mehr geſtaͤr-
cket werde/
und alſo er ſelbſt guten theils Urſa-
che an der Reitzung zu dieſer Luſt ſey; Auch wenn
er ſich in Eſſen und Trincken in acht naͤhme/ umb
ein merckliches dieſe Reitzung daͤmpffen koͤnte.
Wannenhero in ſo weit die fleiſchliche Wohl-
luſt aus der Wohlluſt des Geſchmacks her-
ſtammet.

21. Ob nun wohl alle Menſchen bey ſich
eine Neigung zu guten Eſſen und Trincken/ in-
gleichen zu fleiſchlicher Vermiſchung finden; So
giebt es doch etliche/ die alle andere Beluſtig-
ung und Vergnuͤgen umb dieſe geben ſolten/

und alſo ihre Ruhe darinnen ſuchen/ da doch an-
dere dißfalls anders Sinnes ſind/ und dieſes ſind
nun die Wohlluͤſtigen.

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[194/0206] Das 9. H. von der Wolluſt der Speiſe und Tranck/ indem ſie keinen natuͤr- lichen Beyſchlaff ohne dergleichen empfindliche Ruͤhrung weiß/ als wie ſie unſchmakhaffte Spei- ſen weiß/ und muß alſo hierinnen dieſer Mangel der Vernunfft aus einem hoͤhern Liecht erſetzet werden. 20. Gleichwohl kan der Menſch deſſen leicht vergewiſſert werden/ wenn er nur auff ſich ſelbſt Achtung geben will/ daß dieſe Empfind- lichkeit und die Urſache derſelben durch allzu ſchmackhaffte und mannigfaltige Speiſe und Tranck/ ingleichen durch die converſation, mit wohlluͤſtigen Leuten und das Exempel und Anreitzung derſelben mehr und mehr geſtaͤr- cket werde/ und alſo er ſelbſt guten theils Urſa- che an der Reitzung zu dieſer Luſt ſey; Auch wenn er ſich in Eſſen und Trincken in acht naͤhme/ umb ein merckliches dieſe Reitzung daͤmpffen koͤnte. Wannenhero in ſo weit die fleiſchliche Wohl- luſt aus der Wohlluſt des Geſchmacks her- ſtammet. 21. Ob nun wohl alle Menſchen bey ſich eine Neigung zu guten Eſſen und Trincken/ in- gleichen zu fleiſchlicher Vermiſchung finden; So giebt es doch etliche/ die alle andere Beluſtig- ung und Vergnuͤgen umb dieſe geben ſolten/ und alſo ihre Ruhe darinnen ſuchen/ da doch an- dere dißfalls anders Sinnes ſind/ und dieſes ſind nun die Wohlluͤſtigen. 23. Und zwar wird die Verknuͤpffung des wohl-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/206>, abgerufen am 24.11.2024.