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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 8. H. aus der vernünfftig en Liebe
weden gleiches Recht auch mit Nachlassung/
eigenes Rechtens/ nach Gelegenheit der Um-
stände/ geniessen läst.
Daß diese Tugend noth-
wendig bey der vernünfftigen Liebe seyn müsse/
wird das jenige beweisen/ was wir eben von der
Leutseligkeit und Bescheidenheit gelehret/ weil
sie aus diesen beyden zusammen gesetzet ist.

10. Die geduldige Hertzhafftigkeit ist
eine Tugend/ die alle Wiederwärtigkeit und
zugefügtes Hertzeleid mit standhafften Ge-
müthe ohne Furcht erträget/ und sich darü-
ber nicht beklaget.
Diese Tugend rühret da-
her/ daß die vernünfftige Liebe das natürliche
Vertrauen auff GOtt
ins Werck zu üben/ und
dadurch die Furcht vor denen Creaturen hinter
sich zu legen bemühet ist/ wovon wir gleichfalls im
ersten Theile a) geredet haben. Zu geschwei-
gen/ daß die Vernunfft sattsam bezeuget/ daß die
Furcht für einem Dinge/ dem man nicht entge-
ben kan/ nichts als Unruhe verursache/ und eine
Begierde zu unmöglichen Dingen; das Klagen
aber diese Unruhe bezeuge und selbige vermehre.
Nun ist aber solche Unruhe nicht in der ver-
nünfftigen Liebe.

11. Hierbey aber können wir nicht umb hin/
den gemeinen Fehler der Philosophen anzumer-
cken/ die den Todt mit ihrem Aristotele für
das erschrecklichste unter allen erschrecklich-
sten ausgeben/
welches eine recht absurde Mey-

nung
a) P. 1. c. 3. n. 28. 30.

Das 8. H. aus der vernuͤnfftig en Liebe
weden gleiches Recht auch mit Nachlaſſung/
eigenes Rechtens/ nach Gelegenheit der Um-
ſtaͤnde/ genieſſen laͤſt.
Daß dieſe Tugend noth-
wendig bey der vernuͤnfftigen Liebe ſeyn muͤſſe/
wird das jenige beweiſen/ was wir eben von der
Leutſeligkeit und Beſcheidenheit gelehret/ weil
ſie aus dieſen beyden zuſammen geſetzet iſt.

10. Die geduldige Hertzhafftigkeit iſt
eine Tugend/ die alle Wiederwaͤrtigkeit und
zugefuͤgtes Hertzeleid mit ſtandhafften Ge-
muͤthe ohne Furcht ertraͤget/ und ſich daruͤ-
ber nicht beklaget.
Dieſe Tugend ruͤhret da-
her/ daß die vernuͤnfftige Liebe das natuͤrliche
Vertrauen auff GOtt
ins Werck zu uͤben/ und
dadurch die Furcht vor denen Creaturen hinter
ſich zu legen bemuͤhet iſt/ wovon wir gleichfalls im
erſten Theile a) geredet haben. Zu geſchwei-
gen/ daß die Vernunfft ſattſam bezeuget/ daß die
Furcht fuͤr einem Dinge/ dem man nicht entge-
ben kan/ nichts als Unruhe verurſache/ und eine
Begierde zu unmoͤglichen Dingen; das Klagen
aber dieſe Unruhe bezeuge und ſelbige vermehre.
Nun iſt aber ſolche Unruhe nicht in der ver-
nuͤnfftigen Liebe.

11. Hierbey aber koͤnnen wir nicht umb hin/
den gemeinen Fehler der Philoſophen anzumer-
cken/ die den Todt mit ihrem Ariſtotele fuͤr
das erſchrecklichſte unter allen erſchrecklich-
ſten ausgeben/
welches eine recht abſurde Mey-

nung
a) P. 1. c. 3. n. 28. 30.
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[180/0192] Das 8. H. aus der vernuͤnfftig en Liebe weden gleiches Recht auch mit Nachlaſſung/ eigenes Rechtens/ nach Gelegenheit der Um- ſtaͤnde/ genieſſen laͤſt. Daß dieſe Tugend noth- wendig bey der vernuͤnfftigen Liebe ſeyn muͤſſe/ wird das jenige beweiſen/ was wir eben von der Leutſeligkeit und Beſcheidenheit gelehret/ weil ſie aus dieſen beyden zuſammen geſetzet iſt. 10. Die geduldige Hertzhafftigkeit iſt eine Tugend/ die alle Wiederwaͤrtigkeit und zugefuͤgtes Hertzeleid mit ſtandhafften Ge- muͤthe ohne Furcht ertraͤget/ und ſich daruͤ- ber nicht beklaget. Dieſe Tugend ruͤhret da- her/ daß die vernuͤnfftige Liebe das natuͤrliche Vertrauen auff GOtt ins Werck zu uͤben/ und dadurch die Furcht vor denen Creaturen hinter ſich zu legen bemuͤhet iſt/ wovon wir gleichfalls im erſten Theile a) geredet haben. Zu geſchwei- gen/ daß die Vernunfft ſattſam bezeuget/ daß die Furcht fuͤr einem Dinge/ dem man nicht entge- ben kan/ nichts als Unruhe verurſache/ und eine Begierde zu unmoͤglichen Dingen; das Klagen aber dieſe Unruhe bezeuge und ſelbige vermehre. Nun iſt aber ſolche Unruhe nicht in der ver- nuͤnfftigen Liebe. 11. Hierbey aber koͤnnen wir nicht umb hin/ den gemeinen Fehler der Philoſophen anzumer- cken/ die den Todt mit ihrem Ariſtotele fuͤr das erſchrecklichſte unter allen erſchrecklich- ſten ausgeben/ welches eine recht abſurde Mey- nung a) P. 1. c. 3. n. 28. 30.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/192>, abgerufen am 24.11.2024.