Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 8. H. Aus der vernünfftigen Liebe nichts angehen/ sondern mit Ausübung der all-gemeinen Liebe und Verbindung in der abson- derlichen beschäfftiget ist. Beyde Lieben brau- chen nicht viel Mühe oder Kopffbrechens/ und al- so darff man dabey das Judicium nicht sehe oder scharff angreiffen. Ja weil man dabey nicht auff viel Dinge/ die garzu sehre von einander entschie- denwären/ zu sehen hat/ so braucht auch das Ge- dächtnüs keine garzu grosse Ausspannung/ und weil man in der vernünfftigen Liebe nicht mit bö- sen Tücken umgehet/ oder durch sonderliche Erfin- dung sich bey denen Geliebten sehen zu lassen/ o- der in Ansehungzu bringen/ nicht von nöthen hat/ braucht auch das Ingenium keine ungemeine explo- rirung. 5. Gleichwohl darff man nicht meynen/ als Schwach-
Das 8. H. Aus der vernuͤnfftigen Liebe nichts angehen/ ſondern mit Ausuͤbung der all-gemeinen Liebe und Verbindung in der abſon- derlichen beſchaͤfftiget iſt. Beyde Lieben brau- chen nicht viel Muͤhe oder Kopffbrechens/ und al- ſo darff man dabey das Judicium nicht ſehe oder ſcharff angreiffen. Ja weil man dabey nicht auff viel Dinge/ die garzu ſehre von einander entſchie- denwaͤren/ zu ſehen hat/ ſo braucht auch das Ge- daͤchtnuͤs keine garzu groſſe Ausſpannung/ und weil man in der vernuͤnfftigen Liebe nicht mit boͤ- ſen Tuͤcken umgehet/ oder durch ſonderliche Erfin- dung ſich bey denen Geliebten ſehen zu laſſen/ o- der in Anſehungzu bringen/ nicht von noͤthen hat/ braucht auch das Ingenium keine ungemeine explo- rirung. 5. Gleichwohl darff man nicht meynen/ als Schwach-
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Das 8. H. Aus der vernuͤnfftigen Liebe
nichts angehen/ ſondern mit Ausuͤbung der all-
gemeinen Liebe und Verbindung in der abſon-
derlichen beſchaͤfftiget iſt. Beyde Lieben brau-
chen nicht viel Muͤhe oder Kopffbrechens/ und al-
ſo darff man dabey das Judicium nicht ſehe oder
ſcharff angreiffen. Ja weil man dabey nicht auff
viel Dinge/ die garzu ſehre von einander entſchie-
denwaͤren/ zu ſehen hat/ ſo braucht auch das Ge-
daͤchtnuͤs keine garzu groſſe Ausſpannung/ und
weil man in der vernuͤnfftigen Liebe nicht mit boͤ-
ſen Tuͤcken umgehet/ oder durch ſonderliche Erfin-
dung ſich bey denen Geliebten ſehen zu laſſen/ o-
der in Anſehungzu bringen/ nicht von noͤthen hat/
braucht auch das Ingenium keine ungemeine explo-
rirung.
5. Gleichwohl darff man nicht meynen/ als
ob bey der vernuͤnfftigen Liebe dieſe drey Kraͤffte
der Gedancken gar nichts zu thun faͤnden/ ſon-
dern weil man ihrer nicht von noͤthen habe/ gantz
verroſten muͤſten. Tumme und albere Leute ſind
nicht tugendhafft/ ob ſchon die Tugendhafften
nicht eben ſubtil, liſtig/ excellente Poeten u. ſ. w.
ſeyn/ oder ungemeine Exempel herrlicher Ge-
daͤchtnuͤs abgeben. Die vernuͤnfftige Liebe findet
genug zu thun/ das Gedaͤchtnuͤs/ Judicium und
Ingenium in gemaͤßigter Arbeit zu erhalten/ wenn
ſie ſo wohl die Tugenden allgemeiner Liebe ausuͤ-
bet; als auch in Erkieſung und Erforſchung/ deñ
auch in Gewiñung und Erhaltung eines wahren
Tugend-Freundes/ zu mahl wenn ſelber noch mit
Schwach-
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