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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der vier Haupt-Leidenschafften.
gehoben. Aus jenem ist der Ehrgeitz in sein
völliges Wachsthum kommen. Die Einfüh-
rung des Eigenthumbs hat Arme und Reiche ge-
macht. Reichthum hat die Wollust/ und Ar-
muth
den Geldgeitz genehret.

5. Die natürliche Wissenschafft zeiget
uns eben dieses aus einem andern fundament. Es
ist kein Zweiffel/ daß unsere Seele/ so wohl was
den Verstand/ als die Neigungen des Willens
betrifft/ von der Beschaffenheit des Leibes sehr
geändert wird. Unser Leib ist aus denen Ursprün-
gen zusammen gesetzet. Diese Ursprünge sind mit
Erlaubnüs derer Aristotelicorum und der Cartesi-
aner keine andere/ als Saltz/ Schweffel und
Qvecksilber. Wären diese Dinge in ihrer rech-
ten
temperatur, so wäre der Mensch in seiner Ru-
he/ und die vernünfftige Liebe wäre das Wesen
seiner Seelen. Aber in dem bald der feurige und
hitzige Schweffel praedominiret/ wird die Seele
zum Ehrgeitz geneiget; Bald aber das flüchti-
ge und fliessende Qvecksilber die Oberhand be-
hält/ wird die Seele nach der Wohllust gezo-
gen/ ja endlich das schwere und zur Erde ziehende
Saltz überwieget/ hänget das Hertz des Men-
schen an dem Gelde.

6. Wolten wir die Sache auch aus denen
vier gemeinen Elementen herleiten/ würde es
von der vorigen Anmerckung nicht weit entfernet
seyn. Das alles verzehrende Feuer correspondi-
ret mit dem grimmigen Ehrgeitz. Das unbe-

stän-
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der vier Haupt-Leidenſchafften.
gehoben. Aus jenem iſt der Ehrgeitz in ſein
voͤlliges Wachsthum kommen. Die Einfuͤh-
rung des Eigenthumbs hat Arme und Reiche ge-
macht. Reichthum hat die Wolluſt/ und Ar-
muth
den Geldgeitz genehret.

5. Die natuͤrliche Wiſſenſchafft zeiget
uns eben dieſes aus einem andern fundament. Es
iſt kein Zweiffel/ daß unſere Seele/ ſo wohl was
den Verſtand/ als die Neigungen des Willens
betrifft/ von der Beſchaffenheit des Leibes ſehr
geaͤndert wird. Unſer Leib iſt aus denen Urſpruͤn-
gen zuſammen geſetzet. Dieſe Urſpruͤnge ſind mit
Erlaubnuͤs derer Ariſtotelicorum und der Carteſi-
aner keine andere/ als Saltz/ Schweffel und
Qveckſilber. Waͤren dieſe Dinge in ihrer rech-
ten
temperatur, ſo waͤre der Menſch in ſeiner Ru-
he/ und die vernuͤnfftige Liebe waͤre das Weſen
ſeiner Seelen. Aber in dem bald der feurige und
hitzige Schweffel prædominiret/ wird die Seele
zum Ehrgeitz geneiget; Bald aber das fluͤchti-
ge und flieſſende Qveckſilber die Oberhand be-
haͤlt/ wird die Seele nach der Wohlluſt gezo-
gen/ ja endlich das ſchwere und zur Erde ziehende
Saltz uͤberwieget/ haͤnget das Hertz des Men-
ſchen an dem Gelde.

6. Wolten wir die Sache auch aus denen
vier gemeinen Elementen herleiten/ wuͤrde es
von der vorigen Anmerckung nicht weit entfernet
ſeyn. Das alles verzehrende Feuer correſpondi-
ret mit dem grimmigen Ehrgeitz. Das unbe-

ſtaͤn-
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[161/0173] der vier Haupt-Leidenſchafften. gehoben. Aus jenem iſt der Ehrgeitz in ſein voͤlliges Wachsthum kommen. Die Einfuͤh- rung des Eigenthumbs hat Arme und Reiche ge- macht. Reichthum hat die Wolluſt/ und Ar- muth den Geldgeitz genehret. 5. Die natuͤrliche Wiſſenſchafft zeiget uns eben dieſes aus einem andern fundament. Es iſt kein Zweiffel/ daß unſere Seele/ ſo wohl was den Verſtand/ als die Neigungen des Willens betrifft/ von der Beſchaffenheit des Leibes ſehr geaͤndert wird. Unſer Leib iſt aus denen Urſpruͤn- gen zuſammen geſetzet. Dieſe Urſpruͤnge ſind mit Erlaubnuͤs derer Ariſtotelicorum und der Carteſi- aner keine andere/ als Saltz/ Schweffel und Qveckſilber. Waͤren dieſe Dinge in ihrer rech- ten temperatur, ſo waͤre der Menſch in ſeiner Ru- he/ und die vernuͤnfftige Liebe waͤre das Weſen ſeiner Seelen. Aber in dem bald der feurige und hitzige Schweffel prædominiret/ wird die Seele zum Ehrgeitz geneiget; Bald aber das fluͤchti- ge und flieſſende Qveckſilber die Oberhand be- haͤlt/ wird die Seele nach der Wohlluſt gezo- gen/ ja endlich das ſchwere und zur Erde ziehende Saltz uͤberwieget/ haͤnget das Hertz des Men- ſchen an dem Gelde. 6. Wolten wir die Sache auch aus denen vier gemeinen Elementen herleiten/ wuͤrde es von der vorigen Anmerckung nicht weit entfernet ſeyn. Das alles verzehrende Feuer correſpondi- ret mit dem grimmigen Ehrgeitz. Das unbe- ſtaͤn- L

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/173>, abgerufen am 24.11.2024.