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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Leid. Vernünfftiger/ Ehr-Geld-u. Wol. L.

2. Die vernünfftige Liebe ist nur einerley
Art/ die unvernünfftige aber hat unterschiedene
Arten. Es ist eine Wahrheit/ viel Jrrthümer;
eine gerade Linie/ viel krumme; ein einig Gut/ viel
Böses; eine einige Tugend/ viel Laster. Die
Aristotelici schwatzen viel von ihrer Gerechtigkeit/
daß alle Tugenden darinnen stecken. Wir ha-
ben im ersten Theile a) allbereit gewiesen/ daß
die Liebe viel weiter gehe als die Gerechtigkeit/ und
also kan dieses mit bessern Fug von der raisonnab-
len Liebe gesagt werden/ daß sie alle Tugenden
in sich begreiffe; und daß/ wer sie nicht alle besi-
tzet/ gewiß seyn kan/ daß er die vernünfftige Liebe
nicht habe/ ja daß er nicht einmahl eine Tugend
recht besitze/ sondern daß es nur ein falscher
Schein derselben sey.

3. Warumb nun eben drey Haupt-Nei-
gungen
der unvernünfftigen Liebe seyn/ haben
wir allbereit kurtz zuvorhero b) aus denen drey zur
vernünfftigen Liebe gehörigen Tugenden herge-
leitet. Aber es kan auch auff eine andre Art er-
wiesen werden. Ein ieder Mensch liebet et-
was.
Alles/ was nach dem Begriff der Ver-
nunfft geliebet werden kan/ ist entweder GOtt/ o-
der der Mensch/ oder die Creaturen unter den
Menschen.
Von der Liebe GOttes weiß die
sich selbst gelassene Vernunfft nichts anders/

als
a) c. 4. n. 64. seqq. & cap. 5. n. 104. seqq.
b) cap.
5. n.
11.
Leid. Vernuͤnfftiger/ Ehr-Geld-u. Wol. L.

2. Die vernuͤnfftige Liebe iſt nur einerley
Art/ die unvernuͤnfftige aber hat unterſchiedene
Arten. Es iſt eine Wahrheit/ viel Jrrthuͤmer;
eine gerade Linie/ viel krumme; ein einig Gut/ viel
Boͤſes; eine einige Tugend/ viel Laſter. Die
Ariſtotelici ſchwatzen viel von ihrer Gerechtigkeit/
daß alle Tugenden darinnen ſtecken. Wir ha-
ben im erſten Theile a) allbereit gewieſen/ daß
die Liebe viel weiter gehe als die Gerechtigkeit/ und
alſo kan dieſes mit beſſern Fug von der raiſonnab-
len Liebe geſagt werden/ daß ſie alle Tugenden
in ſich begreiffe; und daß/ wer ſie nicht alle beſi-
tzet/ gewiß ſeyn kan/ daß er die vernuͤnfftige Liebe
nicht habe/ ja daß er nicht einmahl eine Tugend
recht beſitze/ ſondern daß es nur ein falſcher
Schein derſelben ſey.

3. Warumb nun eben drey Haupt-Nei-
gungen
der unvernuͤnfftigen Liebe ſeyn/ haben
wir allbereit kurtz zuvorhero b) aus denen drey zur
vernuͤnfftigen Liebe gehoͤrigen Tugenden herge-
leitet. Aber es kan auch auff eine andre Art er-
wieſen werden. Ein ieder Menſch liebet et-
was.
Alles/ was nach dem Begriff der Ver-
nunfft geliebet werden kan/ iſt entweder GOtt/ o-
der der Menſch/ oder die Creaturen unter den
Menſchen.
Von der Liebe GOttes weiß die
ſich ſelbſt gelaſſene Vernunfft nichts anders/

als
a) c. 4. n. 64. ſeqq. & cap. 5. n. 104. ſeqq.
b) cap.
5. n.
11.
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[159/0171] Leid. Vernuͤnfftiger/ Ehr-Geld-u. Wol. L. 2. Die vernuͤnfftige Liebe iſt nur einerley Art/ die unvernuͤnfftige aber hat unterſchiedene Arten. Es iſt eine Wahrheit/ viel Jrrthuͤmer; eine gerade Linie/ viel krumme; ein einig Gut/ viel Boͤſes; eine einige Tugend/ viel Laſter. Die Ariſtotelici ſchwatzen viel von ihrer Gerechtigkeit/ daß alle Tugenden darinnen ſtecken. Wir ha- ben im erſten Theile a) allbereit gewieſen/ daß die Liebe viel weiter gehe als die Gerechtigkeit/ und alſo kan dieſes mit beſſern Fug von der raiſonnab- len Liebe geſagt werden/ daß ſie alle Tugenden in ſich begreiffe; und daß/ wer ſie nicht alle beſi- tzet/ gewiß ſeyn kan/ daß er die vernuͤnfftige Liebe nicht habe/ ja daß er nicht einmahl eine Tugend recht beſitze/ ſondern daß es nur ein falſcher Schein derſelben ſey. 3. Warumb nun eben drey Haupt-Nei- gungen der unvernuͤnfftigen Liebe ſeyn/ haben wir allbereit kurtz zuvorhero b) aus denen drey zur vernuͤnfftigen Liebe gehoͤrigen Tugenden herge- leitet. Aber es kan auch auff eine andre Art er- wieſen werden. Ein ieder Menſch liebet et- was. Alles/ was nach dem Begriff der Ver- nunfft geliebet werden kan/ iſt entweder GOtt/ o- der der Menſch/ oder die Creaturen unter den Menſchen. Von der Liebe GOttes weiß die ſich ſelbſt gelaſſene Vernunfft nichts anders/ als a) c. 4. n. 64. ſeqq. & cap. 5. n. 104. ſeqq. b) cap. 5. n. 11.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/171>, abgerufen am 24.11.2024.