Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.des allgemeinen Unglücks. ligsten Leute von der Welt seyn/ und desto un[-]glücklicher/ je weniger wir und andere gestehen wollen/ oder erkennen/ daß wir unglücklich sind/ sondern unsern unglücklichen Zustand gegen Uns und andere für das glückseeligste/ oder doch zum wenigsten für ein nicht unglückliches Leben aus- geben; Da wir doch gantz leichtlich zu überfüh- ren seyn/ daß wir von der wahren Glückseelig- keit in der That wenig oder gar nichts besitzen. 4. Denn wo sind diejenigen/ die sich einer 5. Wo wolte aber auch die Gemüths-Ruhe 6. Wo findet man Leute/ die durch eine hertz- A 3
des allgemeinen Ungluͤcks. ligſten Leute von der Welt ſeyn/ und deſto un[-]gluͤcklicher/ je weniger wir und andere geſtehen wollen/ oder erkennen/ daß wir ungluͤcklich ſind/ ſondern unſern ungluͤcklichen Zuſtand gegen Uns und andere fuͤr das gluͤckſeeligſte/ oder doch zum wenigſten fuͤr ein nicht ungluͤckliches Leben aus- geben; Da wir doch gantz leichtlich zu uͤberfuͤh- ren ſeyn/ daß wir von der wahren Gluͤckſeelig- keit in der That wenig oder gar nichts beſitzen. 4. Denn wo ſind diejenigen/ die ſich einer 5. Wo wolte aber auch die Gemuͤths-Ruhe 6. Wo findet man Leute/ die durch eine hertz- A 3
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des allgemeinen Ungluͤcks.
ligſten Leute von der Welt ſeyn/ und deſto un-
gluͤcklicher/ je weniger wir und andere geſtehen
wollen/ oder erkennen/ daß wir ungluͤcklich ſind/
ſondern unſern ungluͤcklichen Zuſtand gegen Uns
und andere fuͤr das gluͤckſeeligſte/ oder doch zum
wenigſten fuͤr ein nicht ungluͤckliches Leben aus-
geben; Da wir doch gantz leichtlich zu uͤberfuͤh-
ren ſeyn/ daß wir von der wahren Gluͤckſeelig-
keit in der That wenig oder gar nichts beſitzen.
4. Denn wo ſind diejenigen/ die ſich einer
wahren Ruhe oder Vergnuͤgung des Gemuͤths
glaubwuͤrdig ruͤhmen koͤnnen/ und derer Jhre
innerliche Unruhe nicht aus allen ihren aͤuſſerli-
chen Thun und Laſſen/ von waſerley Art auch
daſſelbige ſeyn moͤge/ hervor leuchte/ indem auch
ihr Eßen und Trincken/ ja Jhr Schlaff/ die doch
die Ruhe zu Jhren Gebrauch an meiſten erfor-
derten/ mit lauter Unruhe angefuͤllet iſt.
5. Wo wolte aber auch die Gemuͤths-Ruhe
unter denen Menſchen herkommen/ nachdem
wir oben gewieſen/ daß Sie eine Wuͤrckung und
Gebaͤhrerin der vernuͤnfftigen Liebe ſey/ die taͤgli-
che Erfahrung aber bezeuget/ daß die vernuͤnff-
tige Liebe wo nicht gar aus der Welt verban-
net/ doch bey denen allerwenigſten Menſchen an-
zutreffen ſey; Ja daß die Tugenden/ aus wel-
chen die vernuͤnfftige Liebe zuſammen geſetzet iſt/
an allen Orten und Staͤnden durch die Jhnen
entgegen geſetzte Laſter vertrieben worden.
6. Wo findet man Leute/ die durch eine
hertz-
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