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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 6. H. Ob die Gemühts-Neig.
halten/ oder dieselbe gemehret werden müssen/
sondern daß vielmehr der Mensch immer darnach
trachten solle/ wie sie immer der ausserordentlichen
Bewegung nach/ so viel als möglich/ vermin-
dert
werden müssen. Und also soll der Mensch
auch auf die Austilgung der guten Affecten be-
dacht seyn/ nicht anders/ als ein Mensch/ der Artz-
ney
braucht/ und auff Krücken geht/ bedacht ist/
nach erhaltener Gesundheit der Artzney sich zu
enthalten/ und die Krücken weg zu schmeissen.

12. Jedoch ist ein grosser Unterscheid zu ma-
chen/ unter der Austilgung der bösen und guten
Affecten. Die bösen Affecten sind manchmahl
so gar böse/ daß der Mensch die Bewegung der-
selben gar nicht mehr fühlen soll/ z. e. die Be-
wegung des Zorns zur Rache/ die Bewegung
des Neides. Alleine wenn man sagt/ daß auch
die guten Affecten ausgetilget werden müssen/
muß man dieses nicht verstehen/ daß man in sel-
ben die Bewegung gar nicht mehr empfinden
solle/ sondern es soll nur der ausserordentliche
grad der Bewegung nachbleiben/ daß selber nicht
mehr unruhig/ sondern stille sey.

13. Wiederumb ist auch dieses zu mercken/
daß die indifferenz oder Gleichgültigkeit der
Gemüths-Neigungen überhaupt/
so zu sagen
nicht genau im Mittel stehe/ zwischen dem Guten
und Bösen/ sondern daß er dem bösen etwas
näher
sey als dem guten. Denn die bösen Affe-
ct
en neigen sich gar nicht zu dem guten/ und die gu-

ten

Das 6. H. Ob die Gemuͤhts-Neig.
halten/ oder dieſelbe gemehret werden muͤſſen/
ſondern daß vielmehr der Menſch immer darnach
trachten ſolle/ wie ſie immer der auſſeꝛordentlichen
Bewegung nach/ ſo viel als moͤglich/ vermin-
dert
werden muͤſſen. Und alſo ſoll der Menſch
auch auf die Austilgung der guten Affecten be-
dacht ſeyn/ nicht anders/ als ein Menſch/ der Artz-
ney
braucht/ und auff Kruͤcken geht/ bedacht iſt/
nach erhaltener Geſundheit der Artzney ſich zu
enthalten/ und die Kruͤcken weg zu ſchmeiſſen.

12. Jedoch iſt ein groſſer Unterſcheid zu ma-
chen/ unter der Austilgung der boͤſen und guten
Affecten. Die boͤſen Affecten ſind manchmahl
ſo gar boͤſe/ daß der Menſch die Bewegung der-
ſelben gar nicht mehr fuͤhlen ſoll/ z. e. die Be-
wegung des Zorns zur Rache/ die Bewegung
des Neides. Alleine wenn man ſagt/ daß auch
die guten Affecten ausgetilget werden muͤſſen/
muß man dieſes nicht verſtehen/ daß man in ſel-
ben die Bewegung gar nicht mehr empfinden
ſolle/ ſondern es ſoll nur der auſſerordentliche
grad der Bewegung nachbleiben/ daß ſelber nicht
mehr unruhig/ ſondern ſtille ſey.

13. Wiederumb iſt auch dieſes zu mercken/
daß die indifferenz oder Gleichguͤltigkeit der
Gemuͤths-Neigungen uͤberhaupt/
ſo zu ſagen
nicht genau im Mittel ſtehe/ zwiſchen dem Guten
und Boͤſen/ ſondern daß er dem boͤſen etwas
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ct
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[148/0160] Das 6. H. Ob die Gemuͤhts-Neig. halten/ oder dieſelbe gemehret werden muͤſſen/ ſondern daß vielmehr der Menſch immer darnach trachten ſolle/ wie ſie immer der auſſeꝛordentlichen Bewegung nach/ ſo viel als moͤglich/ vermin- dert werden muͤſſen. Und alſo ſoll der Menſch auch auf die Austilgung der guten Affecten be- dacht ſeyn/ nicht anders/ als ein Menſch/ der Artz- ney braucht/ und auff Kruͤcken geht/ bedacht iſt/ nach erhaltener Geſundheit der Artzney ſich zu enthalten/ und die Kruͤcken weg zu ſchmeiſſen. 12. Jedoch iſt ein groſſer Unterſcheid zu ma- chen/ unter der Austilgung der boͤſen und guten Affecten. Die boͤſen Affecten ſind manchmahl ſo gar boͤſe/ daß der Menſch die Bewegung der- ſelben gar nicht mehr fuͤhlen ſoll/ z. e. die Be- wegung des Zorns zur Rache/ die Bewegung des Neides. Alleine wenn man ſagt/ daß auch die guten Affecten ausgetilget werden muͤſſen/ muß man dieſes nicht verſtehen/ daß man in ſel- ben die Bewegung gar nicht mehr empfinden ſolle/ ſondern es ſoll nur der auſſerordentliche grad der Bewegung nachbleiben/ daß ſelber nicht mehr unruhig/ ſondern ſtille ſey. 13. Wiederumb iſt auch dieſes zu mercken/ daß die indifferenz oder Gleichguͤltigkeit der Gemuͤths-Neigungen uͤberhaupt/ ſo zu ſagen nicht genau im Mittel ſtehe/ zwiſchen dem Guten und Boͤſen/ ſondern daß er dem boͤſen etwas naͤher ſey als dem guten. Denn die boͤſen Affe- cten neigen ſich gar nicht zu dem guten/ und die gu- ten

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/160>, abgerufen am 24.11.2024.