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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Beichtandachten.
Abendmahls, sie kann darum nur auf Selbst-
prüfung
gerichtet sein. Eine Vorbereitung
zur Beichte wäre also eine Prüfung vor und zur
Selbstprüfung. -- Mich prüfen, ob und wie
ich, auch vor einem redlichen Zeugen, mich werde
prüfen, meine Selbstprüfung ihm gestehn, einen
gewissen Schluß aus ihr herausbringen, und
nun diesen seiner Prüfung, nun mich seiner Füh-
rung werde überlassen wollen -- das wär es
also bestimmt, was ich izt zu thun hätte, was
vor meiner Beichte vorhergehn müßte, wenn
ich davon genau den Nuzzen haben will, den
ich genau unter den Umständen -- haben kann.
Beichten will ich doch nicht blos meinem Beicht-
vater
sondern zuerst und zulezt dem, der der
rechte Vater ist über alles, was da Kinder
heißt, im Himmel und auf Erden; beichten will
ich doch noch weniger, um dafür Vergebung
der Sünden mir einzuwechseln -- beichten
will ich doch auch nicht blos im Beichstuhl?
Wenn ich dort nur kerne, wie ich dem Vater, der
ins Verborgne sieht, noch im Verborgnen

beichten, wie ich dem Bruder, an dem ich mich
versündigte, meinen Fehler, und meine Reue,
gestehen soll, wie ich künftighin gesinnet sein und
handeln muß, um der Vergebung meiner, vor-
mals begangnen, Sünden gewis zu sein, und
zu bleiben: wie gesegnet ist dann heut mein
Kirchgang! O er sei es, mir so feierlich, als
ob es mein lezter Gang, mir so freudig, als ob
es mein Gang zum wahren Hause Gottes
wäre!



Christ-

Beichtandachten.
Abendmahls, ſie kann darum nur auf Selbſt-
prüfung
gerichtet ſein. Eine Vorbereitung
zur Beichte wäre alſo eine Prüfung vor und zur
Selbſtprüfung. — Mich prüfen, ob und wie
ich, auch vor einem redlichen Zeugen, mich werde
prüfen, meine Selbſtprüfung ihm geſtehn, einen
gewiſſen Schluß aus ihr herausbringen, und
nun dieſen ſeiner Prüfung, nun mich ſeiner Füh-
rung werde überlaſſen wollen — das wär es
alſo beſtimmt, was ich izt zu thun hätte, was
vor meiner Beichte vorhergehn müßte, wenn
ich davon genau den Nuzzen haben will, den
ich genau unter den Umſtänden — haben kann.
Beichten will ich doch nicht blos meinem Beicht-
vater
ſondern zuerſt und zulezt dem, der der
rechte Vater iſt über alles, was da Kinder
heißt, im Himmel und auf Erden; beichten will
ich doch noch weniger, um dafür Vergebung
der Sünden mir einzuwechſeln — beichten
will ich doch auch nicht blos im Beichſtuhl?
Wenn ich dort nur kerne, wie ich dem Vater, der
ins Verborgne ſieht, noch im Verborgnen

beichten, wie ich dem Bruder, an dem ich mich
verſündigte, meinen Fehler, und meine Reue,
geſtehen ſoll, wie ich künftighin geſinnet ſein und
handeln muß, um der Vergebung meiner, vor-
mals begangnen, Sünden gewis zu ſein, und
zu bleiben: wie geſegnet iſt dann heut mein
Kirchgang! O er ſei es, mir ſo feierlich, als
ob es mein lezter Gang, mir ſo freudig, als ob
es mein Gang zum wahren Hauſe Gottes
wäre!



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[194/0208] Beichtandachten. Abendmahls, ſie kann darum nur auf Selbſt- prüfung gerichtet ſein. Eine Vorbereitung zur Beichte wäre alſo eine Prüfung vor und zur Selbſtprüfung. — Mich prüfen, ob und wie ich, auch vor einem redlichen Zeugen, mich werde prüfen, meine Selbſtprüfung ihm geſtehn, einen gewiſſen Schluß aus ihr herausbringen, und nun dieſen ſeiner Prüfung, nun mich ſeiner Füh- rung werde überlaſſen wollen — das wär es alſo beſtimmt, was ich izt zu thun hätte, was vor meiner Beichte vorhergehn müßte, wenn ich davon genau den Nuzzen haben will, den ich genau unter den Umſtänden — haben kann. Beichten will ich doch nicht blos meinem Beicht- vater ſondern zuerſt und zulezt dem, der der rechte Vater iſt über alles, was da Kinder heißt, im Himmel und auf Erden; beichten will ich doch noch weniger, um dafür Vergebung der Sünden mir einzuwechſeln — beichten will ich doch auch nicht blos im Beichſtuhl? Wenn ich dort nur kerne, wie ich dem Vater, der ins Verborgne ſieht, noch im Verborgnen beichten, wie ich dem Bruder, an dem ich mich verſündigte, meinen Fehler, und meine Reue, geſtehen ſoll, wie ich künftighin geſinnet ſein und handeln muß, um der Vergebung meiner, vor- mals begangnen, Sünden gewis zu ſein, und zu bleiben: wie geſegnet iſt dann heut mein Kirchgang! O er ſei es, mir ſo feierlich, als ob es mein lezter Gang, mir ſo freudig, als ob es mein Gang zum wahren Hauſe Gottes wäre! Chriſt-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/208>, abgerufen am 22.07.2024.