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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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in der Unterredung mit Thomas etc.
fenbarten Gottes, und des ungesehenen Chri-
stus zum vielfachen Troste so einfach gesagt!
Nicht sehen, und doch glauben, welch eine
Foderung, unter den gehörigen Bestimmungen
gethan, kann an sich natürlicher sein? Was
ist der Glaube anders, als eine gewisse Zuver-
sicht
des, das man hoffet, und nicht zweifelt
an dem, das man nicht siehet? Die Hofnung,
die man siehet, ist nicht Hofnung, denn wie
kann man des hoffen, das man siehet? --
Und welch eine Foderung kann für den Men-
schen heilsamer
sein? Ja selig sind, die
nicht sehen und doch glauben.
Der Glaube
an den Unsichtbaren und an das Unsicht-
bare,
das Schmekken höherer Kräfte, das
Ahnden und Sehnen nach dem ewigen Leben,
das stille Trachten nach dem Bessern, Aedlern,
Reinern, Höhern, das erhebt alle ihre Selen-
kräfte, das reinigt alle ihre Neigungen, das verä-
delt alle ihre Empfindungen, das verbessert ihre
ganze Denk- und Gemüthsart; und mit unver-
wandten Blikken schauen sie, im reinen Her-
zen, Gott, sehen
auf ihren, noch so verwirrten
und dunklen Wegen durchs Leben, den Himmel
offen, und des Menschen Sohn zur Rech-
ten Gottes stehen!
Die diesen innern, höhern
Sinn abgestumpft haben, o weh doch denen!
Diese lästern, da sie nichts von wissen:
was sie aber natürlich erkennen, wie die
unvernünftigen Thiere, darinnen verder-
ben sie. Diese weiden sich selbst; sie sind
Wolken ohne Wasser, von dem Winde

um-

in der Unterredung mit Thomas ꝛc.
fenbarten Gottes, und des ungeſehenen Chri-
ſtus zum vielfachen Troſte ſo einfach geſagt!
Nicht ſehen, und doch glauben, welch eine
Foderung, unter den gehörigen Beſtimmungen
gethan, kann an ſich natürlicher ſein? Was
iſt der Glaube anders, als eine gewiſſe Zuver-
ſicht
des, das man hoffet, und nicht zweifelt
an dem, das man nicht ſiehet? Die Hofnung,
die man ſiehet, iſt nicht Hofnung, denn wie
kann man des hoffen, das man ſiehet? —
Und welch eine Foderung kann für den Men-
ſchen heilſamer
ſein? Ja ſelig ſind, die
nicht ſehen und doch glauben.
Der Glaube
an den Unſichtbaren und an das Unſicht-
bare,
das Schmekken höherer Kräfte, das
Ahnden und Sehnen nach dem ewigen Leben,
das ſtille Trachten nach dem Beſſern, Aedlern,
Reinern, Höhern, das erhebt alle ihre Selen-
kräfte, das reinigt alle ihre Neigungen, das verä-
delt alle ihre Empfindungen, das verbeſſert ihre
ganze Denk- und Gemüthsart; und mit unver-
wandten Blikken ſchauen ſie, im reinen Her-
zen, Gott, ſehen
auf ihren, noch ſo verwirrten
und dunklen Wegen durchs Leben, den Himmel
offen, und des Menſchen Sohn zur Rech-
ten Gottes ſtehen!
Die dieſen innern, höhern
Sinn abgeſtumpft haben, o weh doch denen!
Dieſe läſtern, da ſie nichts von wiſſen:
was ſie aber natürlich erkennen, wie die
unvernünftigen Thiere, darinnen verder-
ben ſie. Dieſe weiden ſich ſelbſt; ſie ſind
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[175/0189] in der Unterredung mit Thomas ꝛc. fenbarten Gottes, und des ungeſehenen Chri- ſtus zum vielfachen Troſte ſo einfach geſagt! Nicht ſehen, und doch glauben, welch eine Foderung, unter den gehörigen Beſtimmungen gethan, kann an ſich natürlicher ſein? Was iſt der Glaube anders, als eine gewiſſe Zuver- ſicht des, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht ſiehet? Die Hofnung, die man ſiehet, iſt nicht Hofnung, denn wie kann man des hoffen, das man ſiehet? — Und welch eine Foderung kann für den Men- ſchen heilſamer ſein? Ja ſelig ſind, die nicht ſehen und doch glauben. Der Glaube an den Unſichtbaren und an das Unſicht- bare, das Schmekken höherer Kräfte, das Ahnden und Sehnen nach dem ewigen Leben, das ſtille Trachten nach dem Beſſern, Aedlern, Reinern, Höhern, das erhebt alle ihre Selen- kräfte, das reinigt alle ihre Neigungen, das verä- delt alle ihre Empfindungen, das verbeſſert ihre ganze Denk- und Gemüthsart; und mit unver- wandten Blikken ſchauen ſie, im reinen Her- zen, Gott, ſehen auf ihren, noch ſo verwirrten und dunklen Wegen durchs Leben, den Himmel offen, und des Menſchen Sohn zur Rech- ten Gottes ſtehen! Die dieſen innern, höhern Sinn abgeſtumpft haben, o weh doch denen! Dieſe läſtern, da ſie nichts von wiſſen: was ſie aber natürlich erkennen, wie die unvernünftigen Thiere, darinnen verder- ben ſie. Dieſe weiden ſich ſelbſt; ſie ſind Wolken ohne Waſſer, von dem Winde um-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/189>, abgerufen am 20.11.2024.