nen gegeben, was er gesagt, wie er sie ange- haucht habe.
Dies dem Thomas recht deutlich und gewis, recht gegenwärtig und lebendig zu machen, war wohl izt ieder von den Jüngern geschäftig; ieder wollte gewis der erste, keiner der lezte sein, der ihm seine Ueberzeugung, die allerfroheste seines Lebens, mittheilte; einer wollte, denk ich, es ihm immer noch genauer, noch umständlicher, noch leb- hafter erzählen, wie der andre, und so standen sie alle um ihn herum im dichten Kreise, voller Be- wegung. Und Thomas, nachdem er alles ange- hört, und die Jünger wohl alle der Reihe nach angeblikt, und sie vielleicht mit diesem unsichern, und doch vesten traurigen, halb argwönischen, halb mitleidigen, Blikke zum Stillschweigen gebracht, und halb in Erwartung, halb in Furcht gesezt hatte, was er nun zu dem allen sagen werde, Tho- mas schwieg erst, mit sehr bedenklicher Miene, dann sagte er, in unverrükter Stellung, mit nicht erhabnem und nicht schwankenden Ton, kalt und trokken, so wie er da in ihrer feurigen Mitte stand: "es sei denn, daß ich in seinen Hän- &q;den sehe die Nägelmahl, und lege meine &q;Finger in die Nägelmahl, und lege meine &q;Hand in seine Seite: sonst will ich es &q;nicht glauben."
Den Jüngern war freilich wohl die Kälte und Härte, mit welcher Thomas so sprach, und ihnen allen ins Gesicht widersprach, auf- und misfal-
lend
Unſer Herr,
nen gegeben, was er geſagt, wie er ſie ange- haucht habe.
Dies dem Thomas recht deutlich und gewis, recht gegenwärtig und lebendig zu machen, war wohl izt ieder von den Jüngern geſchäftig; ieder wollte gewis der erſte, keiner der lezte ſein, der ihm ſeine Ueberzeugung, die allerfroheſte ſeines Lebens, mittheilte; einer wollte, denk ich, es ihm immer noch genauer, noch umſtändlicher, noch leb- hafter erzählen, wie der andre, und ſo ſtanden ſie alle um ihn herum im dichten Kreiſe, voller Be- wegung. Und Thomas, nachdem er alles ange- hört, und die Jünger wohl alle der Reihe nach angeblikt, und ſie vielleicht mit dieſem unſichern, und doch veſten traurigen, halb argwöniſchen, halb mitleidigen, Blikke zum Stillſchweigen gebracht, und halb in Erwartung, halb in Furcht geſezt hatte, was er nun zu dem allen ſagen werde, Tho- mas ſchwieg erſt, mit ſehr bedenklicher Miene, dann ſagte er, in unverrükter Stellung, mit nicht erhabnem und nicht ſchwankenden Ton, kalt und trokken, ſo wie er da in ihrer feurigen Mitte ſtand: “es ſei denn, daß ich in ſeinen Hän- &q;den ſehe die Nägelmahl, und lege meine &q;Finger in die Nägelmahl, und lege meine &q;Hand in ſeine Seite: ſonſt will ich es &q;nicht glauben.”
Den Jüngern war freilich wohl die Kälte und Härte, mit welcher Thomas ſo ſprach, und ihnen allen ins Geſicht widerſprach, auf- und misfal-
lend
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0184"n="170"/><fwplace="top"type="header">Unſer Herr,</fw><lb/>
nen gegeben, was er geſagt, wie er ſie ange-<lb/>
haucht habe.</p><lb/><p>Dies dem Thomas recht deutlich und gewis,<lb/>
recht gegenwärtig und lebendig zu machen, war<lb/>
wohl izt ieder von den Jüngern geſchäftig; ieder<lb/>
wollte gewis der erſte, keiner der lezte ſein, der<lb/>
ihm ſeine Ueberzeugung, die allerfroheſte ſeines<lb/>
Lebens, mittheilte; einer wollte, denk ich, es ihm<lb/>
immer noch genauer, noch umſtändlicher, noch leb-<lb/>
hafter erzählen, wie der andre, und ſo ſtanden ſie<lb/>
alle um ihn herum im dichten Kreiſe, voller Be-<lb/>
wegung. Und Thomas, nachdem er alles ange-<lb/>
hört, und die Jünger wohl alle der Reihe nach<lb/>
angeblikt, und ſie vielleicht mit dieſem unſichern,<lb/>
und doch veſten traurigen, halb argwöniſchen, halb<lb/>
mitleidigen, Blikke zum Stillſchweigen gebracht,<lb/>
und halb in Erwartung, halb in Furcht geſezt<lb/>
hatte, was er nun zu dem allen ſagen werde, Tho-<lb/>
mas ſchwieg erſt, mit ſehr bedenklicher Miene,<lb/>
dann ſagte er, in unverrükter Stellung, mit nicht<lb/>
erhabnem und nicht ſchwankenden Ton, kalt und<lb/>
trokken, ſo wie er da in ihrer feurigen Mitte<lb/>ſtand: “<hirendition="#fr">es ſei denn, daß ich in ſeinen Hän-<lb/>&q;den ſehe die Nägelmahl, und lege meine<lb/>&q;Finger in die Nägelmahl, und lege meine<lb/>&q;Hand in ſeine Seite: ſonſt will ich es<lb/>&q;nicht glauben.</hi>”</p><lb/><p>Den Jüngern war freilich wohl die Kälte und<lb/>
Härte, mit welcher Thomas ſo ſprach, und ihnen<lb/>
allen ins Geſicht widerſprach, auf- und misfal-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lend</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[170/0184]
Unſer Herr,
nen gegeben, was er geſagt, wie er ſie ange-
haucht habe.
Dies dem Thomas recht deutlich und gewis,
recht gegenwärtig und lebendig zu machen, war
wohl izt ieder von den Jüngern geſchäftig; ieder
wollte gewis der erſte, keiner der lezte ſein, der
ihm ſeine Ueberzeugung, die allerfroheſte ſeines
Lebens, mittheilte; einer wollte, denk ich, es ihm
immer noch genauer, noch umſtändlicher, noch leb-
hafter erzählen, wie der andre, und ſo ſtanden ſie
alle um ihn herum im dichten Kreiſe, voller Be-
wegung. Und Thomas, nachdem er alles ange-
hört, und die Jünger wohl alle der Reihe nach
angeblikt, und ſie vielleicht mit dieſem unſichern,
und doch veſten traurigen, halb argwöniſchen, halb
mitleidigen, Blikke zum Stillſchweigen gebracht,
und halb in Erwartung, halb in Furcht geſezt
hatte, was er nun zu dem allen ſagen werde, Tho-
mas ſchwieg erſt, mit ſehr bedenklicher Miene,
dann ſagte er, in unverrükter Stellung, mit nicht
erhabnem und nicht ſchwankenden Ton, kalt und
trokken, ſo wie er da in ihrer feurigen Mitte
ſtand: “es ſei denn, daß ich in ſeinen Hän-
&q;den ſehe die Nägelmahl, und lege meine
&q;Finger in die Nägelmahl, und lege meine
&q;Hand in ſeine Seite: ſonſt will ich es
&q;nicht glauben.”
Den Jüngern war freilich wohl die Kälte und
Härte, mit welcher Thomas ſo ſprach, und ihnen
allen ins Geſicht widerſprach, auf- und misfal-
lend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/184>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.