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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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am Abend seines Auferstehungstags.
dies zusammengenommen, macht es begreiflich,
wie sie izt Jesum nicht kannten.

Daß er, von dessen Tode sie eben izt mit ein-
ander sprachen, daß er es selbst sein konnte, der sie
anredete, davon hatten sie nicht die entfernteste Ver-
muthung, und wenn sie Jemand auch auf diesen
Gedanken hätte leiten wollen: so wär ihnen das
wohl ganz ein Ding der Unmöglichkeit geschienen.
Um eine Zeitlang unerkannt zu bleiben, nahm auch
wohl Jesus izt einen ganz ungewöhnlichen Ton an.
Vielleicht hatte sich auch seine Stimme nach seiner
Auferstehung schon sehr verändert, vielleicht hatte
sie izt noch einen reinern höhern Klang. Und so
konnten denn die beiden Jünger ihren Herrn izt
nicht gleich kennen, aber den Klang seiner Stimme,
der auch in ihrer, tief bekümmerten Sele eine
sanfte Empfindung wekte, konnten sie, die das sonst
wohl izt gewollt hätten, nicht widerstehen. Doch
lag in ihrer ersten kurzen Antwort noch etwas
Unwilliges: "bist du allein unter den Fremdlin-
&q;gen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen
&q;Tagen darinnen geschehen ist?" Aber wie nun
Jesus weiter in sie drang, wie er, mit einer, gewis
sehr viele Aufmerksamkeit anzeigenden, Miene,
gewis in einer, sehr viele Erwartung ausdrükken-
den, Stellung sie fragte: "welches?" wie öfneten
sie ihm da das Herz, wie flossen ihre Empfindun-
gen, und in welche Worte flossen sie über: "das
&q;von Jesu von Nazareth, welcher war ein Pro-
&q;phet, mächtig von Thaten und Worten, vor Gott
&q;und allem Volk! Wie ihn unsre Hohepriester

&q;und
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am Abend ſeines Auferſtehungstags.
dies zuſammengenommen, macht es begreiflich,
wie ſie izt Jeſum nicht kannten.

Daß er, von deſſen Tode ſie eben izt mit ein-
ander ſprachen, daß er es ſelbſt ſein konnte, der ſie
anredete, davon hatten ſie nicht die entfernteſte Ver-
muthung, und wenn ſie Jemand auch auf dieſen
Gedanken hätte leiten wollen: ſo wär ihnen das
wohl ganz ein Ding der Unmöglichkeit geſchienen.
Um eine Zeitlang unerkannt zu bleiben, nahm auch
wohl Jeſus izt einen ganz ungewöhnlichen Ton an.
Vielleicht hatte ſich auch ſeine Stimme nach ſeiner
Auferſtehung ſchon ſehr verändert, vielleicht hatte
ſie izt noch einen reinern höhern Klang. Und ſo
konnten denn die beiden Jünger ihren Herrn izt
nicht gleich kennen, aber den Klang ſeiner Stimme,
der auch in ihrer, tief bekümmerten Sele eine
ſanfte Empfindung wekte, konnten ſie, die das ſonſt
wohl izt gewollt hätten, nicht widerſtehen. Doch
lag in ihrer erſten kurzen Antwort noch etwas
Unwilliges: “biſt du allein unter den Fremdlin-
&q;gen zu Jeruſalem, der nicht wiſſe, was in dieſen
&q;Tagen darinnen geſchehen iſt?” Aber wie nun
Jeſus weiter in ſie drang, wie er, mit einer, gewis
ſehr viele Aufmerkſamkeit anzeigenden, Miene,
gewis in einer, ſehr viele Erwartung ausdrükken-
den, Stellung ſie fragte: “welches?” wie öfneten
ſie ihm da das Herz, wie floſſen ihre Empfindun-
gen, und in welche Worte floſſen ſie über: “das
&q;von Jeſu von Nazareth, welcher war ein Pro-
&q;phet, mächtig von Thaten und Worten, vor Gott
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[151/0165] am Abend ſeines Auferſtehungstags. dies zuſammengenommen, macht es begreiflich, wie ſie izt Jeſum nicht kannten. Daß er, von deſſen Tode ſie eben izt mit ein- ander ſprachen, daß er es ſelbſt ſein konnte, der ſie anredete, davon hatten ſie nicht die entfernteſte Ver- muthung, und wenn ſie Jemand auch auf dieſen Gedanken hätte leiten wollen: ſo wär ihnen das wohl ganz ein Ding der Unmöglichkeit geſchienen. Um eine Zeitlang unerkannt zu bleiben, nahm auch wohl Jeſus izt einen ganz ungewöhnlichen Ton an. Vielleicht hatte ſich auch ſeine Stimme nach ſeiner Auferſtehung ſchon ſehr verändert, vielleicht hatte ſie izt noch einen reinern höhern Klang. Und ſo konnten denn die beiden Jünger ihren Herrn izt nicht gleich kennen, aber den Klang ſeiner Stimme, der auch in ihrer, tief bekümmerten Sele eine ſanfte Empfindung wekte, konnten ſie, die das ſonſt wohl izt gewollt hätten, nicht widerſtehen. Doch lag in ihrer erſten kurzen Antwort noch etwas Unwilliges: “biſt du allein unter den Fremdlin- &q;gen zu Jeruſalem, der nicht wiſſe, was in dieſen &q;Tagen darinnen geſchehen iſt?” Aber wie nun Jeſus weiter in ſie drang, wie er, mit einer, gewis ſehr viele Aufmerkſamkeit anzeigenden, Miene, gewis in einer, ſehr viele Erwartung ausdrükken- den, Stellung ſie fragte: “welches?” wie öfneten ſie ihm da das Herz, wie floſſen ihre Empfindun- gen, und in welche Worte floſſen ſie über: “das &q;von Jeſu von Nazareth, welcher war ein Pro- &q;phet, mächtig von Thaten und Worten, vor Gott &q;und allem Volk! Wie ihn unſre Hoheprieſter &q;und K 4

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/165>, abgerufen am 18.11.2024.