Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.am Morgen seines Auferstehungstags. den Jesu in den Garten fielen schon einige Lichtstralendurch die Bäume, und wie alle am Grabe versammelt waren, da schien die Sonne schon ganz in das -- leere -- Grab. Reiner hat sie nie ihren ersten Lichtstrahl gewor- Eh die Freundinnen Jesu zu seinem Grabe kamen, als
am Morgen ſeines Auferſtehungstags. den Jeſu in den Garten fielen ſchon einige Lichtſtralendurch die Bäume, und wie alle am Grabe verſammelt waren, da ſchien die Sonne ſchon ganz in das — leere — Grab. Reiner hat ſie nie ihren erſten Lichtſtrahl gewor- Eh die Freundinnen Jeſu zu ſeinem Grabe kamen, als
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am Morgen ſeines Auferſtehungstags.
den Jeſu in den Garten fielen ſchon einige Lichtſtralen
durch die Bäume, und wie alle am Grabe verſammelt
waren, da ſchien die Sonne ſchon ganz in das — leere —
Grab.
Reiner hat ſie nie ihren erſten Lichtſtrahl gewor-
fen, als in dieſen paradieſiſchen Garten, prächtiger iſt
ſie nie aufgegangen als über dieſem leeren Grabe. Wenn
ich denn heut oder morgen ihr zuſeh, wie ſie über Gär-
ten und Feldern aufgeht, und mit ſtärkerm Röthen dem
ſchüchternen Frühling entgegen winkt, wie ſie noch im-
merdar neues Leben in die Natur bringt: dann will ich
an das neue Menſchenleben des Erlöſers, an Ihn, der
noch früher aufſtand, wie ſie, mich erinnern, ſo als ob
ich ſie ſelbſt, dieſen lebenden Augenzeugen iener großen
Begebenheit, daran erinnerte; dann will ich hinaus-
denken auf den Morgen meiner Auferſtehung, wo ſie —
ſchreklich ſchön — zum leztenmal aufgehen wird über
meinem leeren Grabe! ——
Eh die Freundinnen Jeſu zu ſeinem Grabe kamen,
war ſchon, folglich in ſtiller Mitternacht, um das heilige
Grab her eine Erderſchütterung verſpürt worden. Ob
auch ſie das ſchon auf dem Wege bemerkt hatten, und
von da an in eine heilige Begeiſterung gerathen waren,
das dürfen wir, bei dem Stillſchweigen der Geſchichte,
nicht entſcheiden. Aber die Wächter bei dem Grabe Jeſu
empfanden es ſtark, und fielen zulezt, wie todt, zur Erde
hin. Denn mit der zunehmenden Gewalt des Erdbe-
bens rollte der, vor das Grab gewälzte, Stein hinweg
unter dem glänzenden Fuß eines Engels, das Grab hob
und öfnete ſich, und — Jeſus erſtand. Leiblich ſahn dieſe
Auferſtehung Jeſu dieſe Wächter nicht. Sie waren,
deucht mir, nicht werth, Zeugen und zwar die einzi-
gen Augenzeugen eines ſo göttlichen Ereigniſſes in
der Menſchennatur, eines ſo einzigen Vorgangs in
der Weltgeſchichte zu ſein. Hingeſtrekt lagen ſie alſo
izt zu den Füßen des Siegers, der, nachdem er den Tod
gleich beim erſten Angrif, den dieſer auf ihn gewagt, be-
zwungen hatte, nun vom Triumph über die Hölle nach
der Erde zurükkam, um auf ihr ſeinen ganzen Triumph
als
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