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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr,

Unmittelbar an die Leidensgeschichte unsers Herrn
schließt sich die Geschichte seiner Auferstehung an,
und die Betrachtungen, mit denen sich die christ-
lichen Gemeinen izt aller Orten beschäftigen, sind
nichts anders als fortgesezte Passionsbetrachtun-
gen. Das Leiden Jesu hörte zwar mit seinem
Tode auf, aber so wie damit sein irdisches Leben
noch nicht zu Ende war, so war sein Tod auch
nicht der eigentliche Ausgang seines Leidens, in
und nach ihm erfolgte vielmehr der Uebergang zu
seinem andern Menschenleben, und dies war erst
die Entwiklung seiner Leidensgeschichte. So war
denn der Tod, den der Sohn Gottes um der Sün-
den
der Menschen willen, und zur Tilgung ihrer
Schuld und Strafe ausstand, auch für die un-
sündliche
Menschennatur Jesu das nicht, was er,
als Sold der Sünde für uns ist, das Aufhören
unsers irdischen Daseins, der Schluß unsers
Menschenlebens in dieser Welt. Wir, die
wir nach unserm Tode nicht wieder für diese Welt
lebendig werden, nicht wieder in dies Leben würk-
lich zurükkehren,
nur auf gewisse Augenblikke
in dasselbe znrük versezt werden am allgemeinen
Gerichtstage, und auch alsdann den Schauplaz
der Welt, auf den wir eine Zeitlang hingestellt
werden, nicht als handelnde Personen, nur als
stille Zeugen, schon ganz verändert finden, wir
können denn freilich von diesem andern Menschen-
leben Jesu, von der innern und äussern Beschaf-
fenheit desselben, von der Einrichtung seines Kör-
pers nach seiner Auferstehung keinen rechten Be-
grif, auch nicht einmal eine dunkle Vorempfindung,
haben. Acht geben müssen wir iedoch auf das,

was
Unſer Herr,

Unmittelbar an die Leidensgeſchichte unſers Herrn
ſchließt ſich die Geſchichte ſeiner Auferſtehung an,
und die Betrachtungen, mit denen ſich die chriſt-
lichen Gemeinen izt aller Orten beſchäftigen, ſind
nichts anders als fortgeſezte Paſſionsbetrachtun-
gen. Das Leiden Jeſu hörte zwar mit ſeinem
Tode auf, aber ſo wie damit ſein irdiſches Leben
noch nicht zu Ende war, ſo war ſein Tod auch
nicht der eigentliche Ausgang ſeines Leidens, in
und nach ihm erfolgte vielmehr der Uebergang zu
ſeinem andern Menſchenleben, und dies war erſt
die Entwiklung ſeiner Leidensgeſchichte. So war
denn der Tod, den der Sohn Gottes um der Sün-
den
der Menſchen willen, und zur Tilgung ihrer
Schuld und Strafe ausſtand, auch für die un-
ſündliche
Menſchennatur Jeſu das nicht, was er,
als Sold der Sünde für uns iſt, das Aufhören
unſers irdiſchen Daſeins, der Schluß unſers
Menſchenlebens in dieſer Welt. Wir, die
wir nach unſerm Tode nicht wieder für dieſe Welt
lebendig werden, nicht wieder in dies Leben würk-
lich zurükkehren,
nur auf gewiſſe Augenblikke
in daſſelbe znrük verſezt werden am allgemeinen
Gerichtstage, und auch alsdann den Schauplaz
der Welt, auf den wir eine Zeitlang hingeſtellt
werden, nicht als handelnde Perſonen, nur als
ſtille Zeugen, ſchon ganz verändert finden, wir
können denn freilich von dieſem andern Menſchen-
leben Jeſu, von der innern und äuſſern Beſchaf-
fenheit deſſelben, von der Einrichtung ſeines Kör-
pers nach ſeiner Auferſtehung keinen rechten Be-
grif, auch nicht einmal eine dunkle Vorempfindung,
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[134/0148] Unſer Herr, Unmittelbar an die Leidensgeſchichte unſers Herrn ſchließt ſich die Geſchichte ſeiner Auferſtehung an, und die Betrachtungen, mit denen ſich die chriſt- lichen Gemeinen izt aller Orten beſchäftigen, ſind nichts anders als fortgeſezte Paſſionsbetrachtun- gen. Das Leiden Jeſu hörte zwar mit ſeinem Tode auf, aber ſo wie damit ſein irdiſches Leben noch nicht zu Ende war, ſo war ſein Tod auch nicht der eigentliche Ausgang ſeines Leidens, in und nach ihm erfolgte vielmehr der Uebergang zu ſeinem andern Menſchenleben, und dies war erſt die Entwiklung ſeiner Leidensgeſchichte. So war denn der Tod, den der Sohn Gottes um der Sün- den der Menſchen willen, und zur Tilgung ihrer Schuld und Strafe ausſtand, auch für die un- ſündliche Menſchennatur Jeſu das nicht, was er, als Sold der Sünde für uns iſt, das Aufhören unſers irdiſchen Daſeins, der Schluß unſers Menſchenlebens in dieſer Welt. Wir, die wir nach unſerm Tode nicht wieder für dieſe Welt lebendig werden, nicht wieder in dies Leben würk- lich zurükkehren, nur auf gewiſſe Augenblikke in daſſelbe znrük verſezt werden am allgemeinen Gerichtstage, und auch alsdann den Schauplaz der Welt, auf den wir eine Zeitlang hingeſtellt werden, nicht als handelnde Perſonen, nur als ſtille Zeugen, ſchon ganz verändert finden, wir können denn freilich von dieſem andern Menſchen- leben Jeſu, von der innern und äuſſern Beſchaf- fenheit deſſelben, von der Einrichtung ſeines Kör- pers nach ſeiner Auferſtehung keinen rechten Be- grif, auch nicht einmal eine dunkle Vorempfindung, haben. Acht geben müſſen wir iedoch auf das, was

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/148>, abgerufen am 16.11.2024.