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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr,

Wie da sein Leib sanft ruhte in so engem Bezirk: so
war sein Geist stark geschäftig in einem grossen Wür-
kungskreise, der ihm, sofern er Mensch und Sünder-
heiland war, nun erst eröfnet ward, und in den er
auch nicht eher eintreten konnte, als bis er auf Erden
alles vollbracht hatte. So fremd nun seiner Menschen-
natur bis dahin dieser Würkungskreis war: so herrlich
offenbarte sich auch darin seine allmächtige und allgü-
tige Gotteskraft. Persönlich ist Jesus hinabgefahren
in die eigentliche Hölle, die Unterwelt, worin Satan
mit den gefallnen Engeln und den verdammten Men-
schenselen sich befindet. Das sagt Petrus eben so gewis,
als er von der persönlichen Auferwekkung Jesu
redet. Christus hat einmal für unsre Sünden
gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf
daß er uns Gott opfere, und ist getödtet nach
dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem
Geist. In demselbigen ist er auch hingegangen,
und hat geprediget den Geistern im Gefängnitz,
die etwa nicht gläubeten, da Gott einsmals har-
rete, und Geduld hätte zu den Zeiten Noä, da
man die Arche zurüstete, in welcher wenig, das
ist acht Selen behalten wurden durchs Wasser.
Eben das wiederholt er: Wir werden, sagt er, Rechen-
schaft geben dem, der bereit ist zu richten die
Lebendigen und die Todten. Denn dazu ist auch
den Todten das Evangelium geprediget, auf daß
sie gerichtet werden nach dem Menschen am
Fleisch, aber im Geist Gott leben. Und so sagt
Paulus: Er ist aufgefahren in die Höhe, und hat
das Gefängnis gefangen geführt, und hat den
Menschen Gaben gegeben. Daß er aber auf-
gefahren ist, was ist, denn daß er zuvor ist hin-
unter gefahren in die untersten Oerter der Er-
den? Der hinunter gefahren ist, das ist dersel-
bige, der aufgefahren ist über alle Himmel, auf
daß er alles erfüllte.

Nicht nur also die Erde, auf welcher der Fluch der
Sünde ruhte, sondern auch selbst den Ort der Ver-

damm-
Unſer Herr,

Wie da ſein Leib ſanft ruhte in ſo engem Bezirk: ſo
war ſein Geiſt ſtark geſchäftig in einem groſſen Wür-
kungskreiſe, der ihm, ſofern er Menſch und Sünder-
heiland war, nun erſt eröfnet ward, und in den er
auch nicht eher eintreten konnte, als bis er auf Erden
alles vollbracht hatte. So fremd nun ſeiner Menſchen-
natur bis dahin dieſer Würkungskreis war: ſo herrlich
offenbarte ſich auch darin ſeine allmächtige und allgü-
tige Gotteskraft. Perſönlich iſt Jeſus hinabgefahren
in die eigentliche Hölle, die Unterwelt, worin Satan
mit den gefallnen Engeln und den verdammten Men-
ſchenſelen ſich befindet. Das ſagt Petrus eben ſo gewis,
als er von der perſönlichen Auferwekkung Jeſu
redet. Chriſtus hat einmal für unſre Sünden
gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf
daß er uns Gott opfere, und iſt getödtet nach
dem Fleiſch, aber lebendig gemacht nach dem
Geiſt. In demſelbigen iſt er auch hingegangen,
und hat geprediget den Geiſtern im Gefängnitz,
die etwa nicht gläubeten, da Gott einsmals har-
rete, und Geduld hätte zu den Zeiten Noä, da
man die Arche zurüſtete, in welcher wenig, das
iſt acht Selen behalten wurden durchs Waſſer.
Eben das wiederholt er: Wir werden, ſagt er, Rechen-
ſchaft geben dem, der bereit iſt zu richten die
Lebendigen und die Todten. Denn dazu iſt auch
den Todten das Evangelium geprediget, auf daß
ſie gerichtet werden nach dem Menſchen am
Fleiſch, aber im Geiſt Gott leben. Und ſo ſagt
Paulus: Er iſt aufgefahren in die Höhe, und hat
das Gefängnis gefangen geführt, und hat den
Menſchen Gaben gegeben. Daß er aber auf-
gefahren iſt, was iſt, denn daß er zuvor iſt hin-
unter gefahren in die unterſten Oerter der Er-
den? Der hinunter gefahren iſt, das iſt derſel-
bige, der aufgefahren iſt über alle Himmel, auf
daß er alles erfüllte.

Nicht nur alſo die Erde, auf welcher der Fluch der
Sünde ruhte, ſondern auch ſelbſt den Ort der Ver-

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[126/0140] Unſer Herr, Wie da ſein Leib ſanft ruhte in ſo engem Bezirk: ſo war ſein Geiſt ſtark geſchäftig in einem groſſen Wür- kungskreiſe, der ihm, ſofern er Menſch und Sünder- heiland war, nun erſt eröfnet ward, und in den er auch nicht eher eintreten konnte, als bis er auf Erden alles vollbracht hatte. So fremd nun ſeiner Menſchen- natur bis dahin dieſer Würkungskreis war: ſo herrlich offenbarte ſich auch darin ſeine allmächtige und allgü- tige Gotteskraft. Perſönlich iſt Jeſus hinabgefahren in die eigentliche Hölle, die Unterwelt, worin Satan mit den gefallnen Engeln und den verdammten Men- ſchenſelen ſich befindet. Das ſagt Petrus eben ſo gewis, als er von der perſönlichen Auferwekkung Jeſu redet. Chriſtus hat einmal für unſre Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns Gott opfere, und iſt getödtet nach dem Fleiſch, aber lebendig gemacht nach dem Geiſt. In demſelbigen iſt er auch hingegangen, und hat geprediget den Geiſtern im Gefängnitz, die etwa nicht gläubeten, da Gott einsmals har- rete, und Geduld hätte zu den Zeiten Noä, da man die Arche zurüſtete, in welcher wenig, das iſt acht Selen behalten wurden durchs Waſſer. Eben das wiederholt er: Wir werden, ſagt er, Rechen- ſchaft geben dem, der bereit iſt zu richten die Lebendigen und die Todten. Denn dazu iſt auch den Todten das Evangelium geprediget, auf daß ſie gerichtet werden nach dem Menſchen am Fleiſch, aber im Geiſt Gott leben. Und ſo ſagt Paulus: Er iſt aufgefahren in die Höhe, und hat das Gefängnis gefangen geführt, und hat den Menſchen Gaben gegeben. Daß er aber auf- gefahren iſt, was iſt, denn daß er zuvor iſt hin- unter gefahren in die unterſten Oerter der Er- den? Der hinunter gefahren iſt, das iſt derſel- bige, der aufgefahren iſt über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte. Nicht nur alſo die Erde, auf welcher der Fluch der Sünde ruhte, ſondern auch ſelbſt den Ort der Ver- damm-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/140>, abgerufen am 16.11.2024.