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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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im Grabe und in der Hölle.
ärgerer Betrug entstehn, wenn nicht sein Grab,
wenigstens bis an den dritten Tag, mit Soldaten
besezt werde. "Da ist Wache, gab Pilatus so-
gleich, wie es scheint, mit tief verachtendem Un-
willen, zur Antwort, macht damit, was ihr wollt."
Und nun stellten sie die Wache bei dem Grabe
Jesu in Josephs Garten hin, und drükten, zum
Ueberfluß, noch ihr Insiegel auf den Stein.

So weit die evangelische Geschichte, aber so
weit nur die Geschichte des Erdenlebens Jesu,
die mit seiner leiblichen Auferstehung wieder an-
geht, und erst mit seiner sichtbaren Himmelfahrt
sich endigt, so weit also nur die erste irdische,
äussere, nicht die eigentliche, innere Lebensge-
schichte Jesu. Zwischen dem erstern und andern
Menschenleben Jesu, zwischen seinem Aufenthalt
auf Erden und im Himmel reiht sich eine, unserer
Zeitbestimmung nach, zwar nur kurze, aber für
die ganze Ewigkeit gewis sehr wigtige, Begeben-
heit, gleichsam als ein Glied an eine Kette, in
die grossen Begebenheiten ein, die durch ihn voll-
bracht sind, und nur durch Ihn vollbracht werden
konnten. Diese Begebenheit, oder diese That-
handlung, denn sie ist beides, gehört so gewis in
den großen Plan der allgemeinen Welterlö-
sung
und der besondern Menschenbeglük-
kung,
als sie genau an das Erdenleben Jesu sich
anschließt, und kurz vor seiner Verherrlichung
durch Auferstehung und Himmelfahrt vorhergeht.
Die evangelische Geschichte erwähnt dieser
Thatsache mit keinem Wort, und sie durft ihrer
auch so wenig erwähnen, als dessen, was vor der

Mensch-
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im Grabe und in der Hölle.
ärgerer Betrug entſtehn, wenn nicht ſein Grab,
wenigſtens bis an den dritten Tag, mit Soldaten
beſezt werde. “Da iſt Wache, gab Pilatus ſo-
gleich, wie es ſcheint, mit tief verachtendem Un-
willen, zur Antwort, macht damit, was ihr wollt.”
Und nun ſtellten ſie die Wache bei dem Grabe
Jeſu in Joſephs Garten hin, und drükten, zum
Ueberfluß, noch ihr Inſiegel auf den Stein.

So weit die evangeliſche Geſchichte, aber ſo
weit nur die Geſchichte des Erdenlebens Jeſu,
die mit ſeiner leiblichen Auferſtehung wieder an-
geht, und erſt mit ſeiner ſichtbaren Himmelfahrt
ſich endigt, ſo weit alſo nur die erſte irdiſche,
äuſſere, nicht die eigentliche, innere Lebensge-
ſchichte Jeſu. Zwiſchen dem erſtern und andern
Menſchenleben Jeſu, zwiſchen ſeinem Aufenthalt
auf Erden und im Himmel reiht ſich eine, unſerer
Zeitbeſtimmung nach, zwar nur kurze, aber für
die ganze Ewigkeit gewis ſehr wigtige, Begeben-
heit, gleichſam als ein Glied an eine Kette, in
die groſſen Begebenheiten ein, die durch ihn voll-
bracht ſind, und nur durch Ihn vollbracht werden
konnten. Dieſe Begebenheit, oder dieſe That-
handlung, denn ſie iſt beides, gehört ſo gewis in
den großen Plan der allgemeinen Welterlö-
ſung
und der beſondern Menſchenbeglük-
kung,
als ſie genau an das Erdenleben Jeſu ſich
anſchließt, und kurz vor ſeiner Verherrlichung
durch Auferſtehung und Himmelfahrt vorhergeht.
Die evangeliſche Geſchichte erwähnt dieſer
Thatſache mit keinem Wort, und ſie durft ihrer
auch ſo wenig erwähnen, als deſſen, was vor der

Menſch-
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[121/0135] im Grabe und in der Hölle. ärgerer Betrug entſtehn, wenn nicht ſein Grab, wenigſtens bis an den dritten Tag, mit Soldaten beſezt werde. “Da iſt Wache, gab Pilatus ſo- gleich, wie es ſcheint, mit tief verachtendem Un- willen, zur Antwort, macht damit, was ihr wollt.” Und nun ſtellten ſie die Wache bei dem Grabe Jeſu in Joſephs Garten hin, und drükten, zum Ueberfluß, noch ihr Inſiegel auf den Stein. So weit die evangeliſche Geſchichte, aber ſo weit nur die Geſchichte des Erdenlebens Jeſu, die mit ſeiner leiblichen Auferſtehung wieder an- geht, und erſt mit ſeiner ſichtbaren Himmelfahrt ſich endigt, ſo weit alſo nur die erſte irdiſche, äuſſere, nicht die eigentliche, innere Lebensge- ſchichte Jeſu. Zwiſchen dem erſtern und andern Menſchenleben Jeſu, zwiſchen ſeinem Aufenthalt auf Erden und im Himmel reiht ſich eine, unſerer Zeitbeſtimmung nach, zwar nur kurze, aber für die ganze Ewigkeit gewis ſehr wigtige, Begeben- heit, gleichſam als ein Glied an eine Kette, in die groſſen Begebenheiten ein, die durch ihn voll- bracht ſind, und nur durch Ihn vollbracht werden konnten. Dieſe Begebenheit, oder dieſe That- handlung, denn ſie iſt beides, gehört ſo gewis in den großen Plan der allgemeinen Welterlö- ſung und der beſondern Menſchenbeglük- kung, als ſie genau an das Erdenleben Jeſu ſich anſchließt, und kurz vor ſeiner Verherrlichung durch Auferſtehung und Himmelfahrt vorhergeht. Die evangeliſche Geſchichte erwähnt dieſer Thatſache mit keinem Wort, und ſie durft ihrer auch ſo wenig erwähnen, als deſſen, was vor der Menſch- H 5

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/135>, abgerufen am 15.11.2024.