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Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827.

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Davids.
Spatziergängen. Am liebsten ging er nach dem
Park. Aber seine unbezwingliche Leidenschaft
für die Malerei führte ihn fast täglich in seine
Werkstätte zurück, die nicht weit von seiner
Wohnung in der vormaligen bischöflichen Resi-
denz zu Brüssel in der Bischofsstraße befindlich
war. Obgleich es ihm an Kraft, zu malen,
fehlte, so fand er doch Vergnügen daran, aller-
hand Umrisse mit schwarzer Kreide auf die Mau-
ern, ja selbst auf die in der Werkstätte befind-
lichen Möbeln zu zeichnen. Wenn er sich auf
einige Augenblicke stark genug fühlte, so nahm
er seinen Pinsel; fand er aber, daß er seine
Gedanken nicht ausdrücken konnte, dann warf
er seine Palette weg und rief schmerzlich aus:
"Meine Hand will nicht!"

Jm Sommer 1825 zu Anfang des Juli
wurde er krank, aber nachdem er sich einige
Tage in einem Zustande befunden, der für sein
Leben fürchten ließ, genas er wieder.

Nicht lange nach seiner Wiederherstellung
wurde seine Gattin vom Schlage gerührt. Sie
war eine verdienstvolle und sanfte Frau; sie
lebte nur für das Glück ihres Gatten; und

Davids.
Spatziergaͤngen. Am liebſten ging er nach dem
Park. Aber ſeine unbezwingliche Leidenſchaft
fuͤr die Malerei fuͤhrte ihn faſt taͤglich in ſeine
Werkſtaͤtte zuruͤck, die nicht weit von ſeiner
Wohnung in der vormaligen biſchoͤflichen Reſi-
denz zu Bruͤſſel in der Biſchofsſtraße befindlich
war. Obgleich es ihm an Kraft, zu malen,
fehlte, ſo fand er doch Vergnuͤgen daran, aller-
hand Umriſſe mit ſchwarzer Kreide auf die Mau-
ern, ja ſelbſt auf die in der Werkſtaͤtte befind-
lichen Moͤbeln zu zeichnen. Wenn er ſich auf
einige Augenblicke ſtark genug fuͤhlte, ſo nahm
er ſeinen Pinſel; fand er aber, daß er ſeine
Gedanken nicht ausdruͤcken konnte, dann warf
er ſeine Palette weg und rief ſchmerzlich aus:
„Meine Hand will nicht!“

Jm Sommer 1825 zu Anfang des Juli
wurde er krank, aber nachdem er ſich einige
Tage in einem Zuſtande befunden, der fuͤr ſein
Leben fuͤrchten ließ, genas er wieder.

Nicht lange nach ſeiner Wiederherſtellung
wurde ſeine Gattin vom Schlage geruͤhrt. Sie
war eine verdienſtvolle und ſanfte Frau; ſie
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[165/0179] Davids. Spatziergaͤngen. Am liebſten ging er nach dem Park. Aber ſeine unbezwingliche Leidenſchaft fuͤr die Malerei fuͤhrte ihn faſt taͤglich in ſeine Werkſtaͤtte zuruͤck, die nicht weit von ſeiner Wohnung in der vormaligen biſchoͤflichen Reſi- denz zu Bruͤſſel in der Biſchofsſtraße befindlich war. Obgleich es ihm an Kraft, zu malen, fehlte, ſo fand er doch Vergnuͤgen daran, aller- hand Umriſſe mit ſchwarzer Kreide auf die Mau- ern, ja ſelbſt auf die in der Werkſtaͤtte befind- lichen Moͤbeln zu zeichnen. Wenn er ſich auf einige Augenblicke ſtark genug fuͤhlte, ſo nahm er ſeinen Pinſel; fand er aber, daß er ſeine Gedanken nicht ausdruͤcken konnte, dann warf er ſeine Palette weg und rief ſchmerzlich aus: „Meine Hand will nicht!“ Jm Sommer 1825 zu Anfang des Juli wurde er krank, aber nachdem er ſich einige Tage in einem Zuſtande befunden, der fuͤr ſein Leben fuͤrchten ließ, genas er wieder. Nicht lange nach ſeiner Wiederherſtellung wurde ſeine Gattin vom Schlage geruͤhrt. Sie war eine verdienſtvolle und ſanfte Frau; ſie lebte nur fuͤr das Gluͤck ihres Gatten; und

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Zitationshilfe: Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/179>, abgerufen am 24.11.2024.