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Thaer, Albrecht: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Berlin, 1815.

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gewöhnlichen Sinne des Wortes -- anzusehen.
Es wird vorausgesetzt, daß jeder, der hier kommt,
von dem Zweck seines Hierseyns schon ein leb-
haftes Gefühl und den Willen, solchen zu errei-
chen, mitbringe. Es findet kein gezwungener
Antrieb statt, wohl aber derjenige, welcher durch
das Beispiel und den sich mittheilenden Ernthu-
siasmus des immer größeren Theils, und durch
alle Umgebungen, die -- ich darf es sagem --
auf Ordnung, Fleiß und Sittlichkeit hinweisen,
bewirkt wird. Wer irgend Empfänglichkeit da-
für hat, muß davon durchdrungen werden. Wenn
man uns aber junge Leute zuschickt, die sich der
Landwirthschaft widmen sollen, weil sie zu an-
dern Gewerben und Studien entweder zu stumpf
und zu träge, oder zu leichtsinnig sind -- die
das Wesentliche der Landwirthschaft im wüsten
Umherjagen, rohen Treiben der Menschen und
des Viehes, Bereuten der Jahr- und Viehmärkte,
Schachern mit Ochsen und Pferden u. d. gl. sez-
zen -- genaues Beobachten, Calculiren und
Nachdenken, mithin alle mathematische und na-
turwissenschaftliche Kenntnisse für überflüssig hal-
ten, weil sie Beispiele kennen, daß ein Pachter
ohne das alles reich geworden sey -- auf das
Schwadroniren jedes Schreibers mehr als auf
die Resultate wahrer und reiner Erfahrung ach-

gewoͤhnlichen Sinne des Wortes — anzuſehen.
Es wird vorausgeſetzt, daß jeder, der hier kommt,
von dem Zweck ſeines Hierſeyns ſchon ein leb-
haftes Gefuͤhl und den Willen, ſolchen zu errei-
chen, mitbringe. Es findet kein gezwungener
Antrieb ſtatt, wohl aber derjenige, welcher durch
das Beiſpiel und den ſich mittheilenden Ernthu-
ſiasmus des immer groͤßeren Theils, und durch
alle Umgebungen, die — ich darf es ſagem —
auf Ordnung, Fleiß und Sittlichkeit hinweiſen,
bewirkt wird. Wer irgend Empfaͤnglichkeit da-
fuͤr hat, muß davon durchdrungen werden. Wenn
man uns aber junge Leute zuſchickt, die ſich der
Landwirthſchaft widmen ſollen, weil ſie zu an-
dern Gewerben und Studien entweder zu ſtumpf
und zu traͤge, oder zu leichtſinnig ſind — die
das Weſentliche der Landwirthſchaft im wuͤſten
Umherjagen, rohen Treiben der Menſchen und
des Viehes, Bereuten der Jahr- und Viehmaͤrkte,
Schachern mit Ochſen und Pferden u. d. gl. ſez-
zen — genaues Beobachten, Calculiren und
Nachdenken, mithin alle mathematiſche und na-
turwiſſenſchaftliche Kenntniſſe fuͤr uͤberfluͤſſig hal-
ten, weil ſie Beiſpiele kennen, daß ein Pachter
ohne das alles reich geworden ſey — auf das
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[338/0355] gewoͤhnlichen Sinne des Wortes — anzuſehen. Es wird vorausgeſetzt, daß jeder, der hier kommt, von dem Zweck ſeines Hierſeyns ſchon ein leb- haftes Gefuͤhl und den Willen, ſolchen zu errei- chen, mitbringe. Es findet kein gezwungener Antrieb ſtatt, wohl aber derjenige, welcher durch das Beiſpiel und den ſich mittheilenden Ernthu- ſiasmus des immer groͤßeren Theils, und durch alle Umgebungen, die — ich darf es ſagem — auf Ordnung, Fleiß und Sittlichkeit hinweiſen, bewirkt wird. Wer irgend Empfaͤnglichkeit da- fuͤr hat, muß davon durchdrungen werden. Wenn man uns aber junge Leute zuſchickt, die ſich der Landwirthſchaft widmen ſollen, weil ſie zu an- dern Gewerben und Studien entweder zu ſtumpf und zu traͤge, oder zu leichtſinnig ſind — die das Weſentliche der Landwirthſchaft im wuͤſten Umherjagen, rohen Treiben der Menſchen und des Viehes, Bereuten der Jahr- und Viehmaͤrkte, Schachern mit Ochſen und Pferden u. d. gl. ſez- zen — genaues Beobachten, Calculiren und Nachdenken, mithin alle mathematiſche und na- turwiſſenſchaftliche Kenntniſſe fuͤr uͤberfluͤſſig hal- ten, weil ſie Beiſpiele kennen, daß ein Pachter ohne das alles reich geworden ſey — auf das Schwadroniren jedes Schreibers mehr als auf die Reſultate wahrer und reiner Erfahrung ach-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Berlin, 1815, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_moeglin_1815/355>, abgerufen am 24.11.2024.