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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Getreidearten.

Aber noch gefährlicher wird die Aufdauungsperiode der Saat, wenn es
langsam und wechselnd damit geht; beim Sonnenschein am Tage und Frost in
der Nacht, und um so mehr, wenn dazwischen noch Schnee fällt, der bald von
der Sonne weggeschmolzen wird. Die oberste aufgedauete Erdlage wird vom
Wasser überfüllt, welches des Frostes wegen nicht tiefer einziehen kann; es ge-
friert des Nachts, hebt die Erdrinde in die Höhe und mit derselben die Pflanze.
Bei Tage dauet es wieder auf, die Erde senkt sich wieder, aber die leichtere
Pflanze bleibt hervorstehend. In den folgenden Nächten und Tagen geschiehet
das wieder und die Pflanze ist nun mit ihren Wurzeln ganz herausgehoben,
und diese sind auch wohl abgerissen, wenn der tiefere Frost ihre Spitzen fest
hielt. Einer solchen Witterung kann auch die kräftigste Saat nicht widerstehen,
jedoch eine stark bestaudete besser als eine schwache. Die Gefahr ist um so
größer je poröser der Boden ist. Eine solche Thauzeit hatten wir im März
1804, und das war die einzige Ursach des Miswachses und des Kornmangels
in diesem sonst der Vegetation günstigen Jahre.

§. 22.

Man wird im Frühjahre, wenn die Saat sich nicht deutlich oder zu dünneZweifelhafter
Zustand im
Frühjahre.

zeigt, leicht zu sehr besorgt, daß sie ganz oder doch zu viel ausgewintert sey,
um ein einträgliches Fruchtfeld zu geben und entschließt sich dann übereilt zum
Umpflügen. In keinem Jahre sind die Landwirthe, meines Gedenkens, so be-
sorgt und so unentschlossen gewesen, was sie dabei thun sollten, als 1803. Es
fand sich aber nachher, daß die meisten, die umpflügten und Gerste einsäeten,
es nachher bereueten, indem die stehend gebliebene Winterung noch immer einen stär-
kern Ertrag gab, als die an ihre Stelle getretene Gerste, von welcher man unter die-
sen Umständen selten einen erheblichen Ertrag hatte; wogegen Hafer besser gerieth.
Den Hafer hat man zuweilen über ein ausgewintert scheinendes Weizenfeld
gesäet und scharf eingeegget; den Weizen und Hafer zusammen geerntet, eine gute
Ernte im Ganzen gemacht, von jenem aber doch mehr als von diesem gewonnen.

Es sind deshalb die Erfahrungen Mecklenburgischer Landwirthe, welche in
dem zweiten Theile der Annalen der Mecklenburgischen Landwirthschafts-Gesell-
schaft aufbewahrt sind, sehr merkwürdig.

(Vergl. Annalen des Ackerbaues, Bd. V. S. 191.)


Getreidearten.

Aber noch gefaͤhrlicher wird die Aufdauungsperiode der Saat, wenn es
langſam und wechſelnd damit geht; beim Sonnenſchein am Tage und Froſt in
der Nacht, und um ſo mehr, wenn dazwiſchen noch Schnee faͤllt, der bald von
der Sonne weggeſchmolzen wird. Die oberſte aufgedauete Erdlage wird vom
Waſſer uͤberfuͤllt, welches des Froſtes wegen nicht tiefer einziehen kann; es ge-
friert des Nachts, hebt die Erdrinde in die Hoͤhe und mit derſelben die Pflanze.
Bei Tage dauet es wieder auf, die Erde ſenkt ſich wieder, aber die leichtere
Pflanze bleibt hervorſtehend. In den folgenden Naͤchten und Tagen geſchiehet
das wieder und die Pflanze iſt nun mit ihren Wurzeln ganz herausgehoben,
und dieſe ſind auch wohl abgeriſſen, wenn der tiefere Froſt ihre Spitzen feſt
hielt. Einer ſolchen Witterung kann auch die kraͤftigſte Saat nicht widerſtehen,
jedoch eine ſtark beſtaudete beſſer als eine ſchwache. Die Gefahr iſt um ſo
groͤßer je poroͤſer der Boden iſt. Eine ſolche Thauzeit hatten wir im Maͤrz
1804, und das war die einzige Urſach des Miswachſes und des Kornmangels
in dieſem ſonſt der Vegetation guͤnſtigen Jahre.

§. 22.

Man wird im Fruͤhjahre, wenn die Saat ſich nicht deutlich oder zu duͤnneZweifelhafter
Zuſtand im
Fruͤhjahre.

zeigt, leicht zu ſehr beſorgt, daß ſie ganz oder doch zu viel ausgewintert ſey,
um ein eintraͤgliches Fruchtfeld zu geben und entſchließt ſich dann uͤbereilt zum
Umpfluͤgen. In keinem Jahre ſind die Landwirthe, meines Gedenkens, ſo be-
ſorgt und ſo unentſchloſſen geweſen, was ſie dabei thun ſollten, als 1803. Es
fand ſich aber nachher, daß die meiſten, die umpfluͤgten und Gerſte einſaͤeten,
es nachher bereueten, indem die ſtehend gebliebene Winterung noch immer einen ſtaͤr-
kern Ertrag gab, als die an ihre Stelle getretene Gerſte, von welcher man unter die-
ſen Umſtaͤnden ſelten einen erheblichen Ertrag hatte; wogegen Hafer beſſer gerieth.
Den Hafer hat man zuweilen uͤber ein ausgewintert ſcheinendes Weizenfeld
geſaͤet und ſcharf eingeegget; den Weizen und Hafer zuſammen geerntet, eine gute
Ernte im Ganzen gemacht, von jenem aber doch mehr als von dieſem gewonnen.

Es ſind deshalb die Erfahrungen Mecklenburgiſcher Landwirthe, welche in
dem zweiten Theile der Annalen der Mecklenburgiſchen Landwirthſchafts-Geſell-
ſchaft aufbewahrt ſind, ſehr merkwuͤrdig.

(Vergl. Annalen des Ackerbaues, Bd. V. S. 191.)


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[31/0055] Getreidearten. Aber noch gefaͤhrlicher wird die Aufdauungsperiode der Saat, wenn es langſam und wechſelnd damit geht; beim Sonnenſchein am Tage und Froſt in der Nacht, und um ſo mehr, wenn dazwiſchen noch Schnee faͤllt, der bald von der Sonne weggeſchmolzen wird. Die oberſte aufgedauete Erdlage wird vom Waſſer uͤberfuͤllt, welches des Froſtes wegen nicht tiefer einziehen kann; es ge- friert des Nachts, hebt die Erdrinde in die Hoͤhe und mit derſelben die Pflanze. Bei Tage dauet es wieder auf, die Erde ſenkt ſich wieder, aber die leichtere Pflanze bleibt hervorſtehend. In den folgenden Naͤchten und Tagen geſchiehet das wieder und die Pflanze iſt nun mit ihren Wurzeln ganz herausgehoben, und dieſe ſind auch wohl abgeriſſen, wenn der tiefere Froſt ihre Spitzen feſt hielt. Einer ſolchen Witterung kann auch die kraͤftigſte Saat nicht widerſtehen, jedoch eine ſtark beſtaudete beſſer als eine ſchwache. Die Gefahr iſt um ſo groͤßer je poroͤſer der Boden iſt. Eine ſolche Thauzeit hatten wir im Maͤrz 1804, und das war die einzige Urſach des Miswachſes und des Kornmangels in dieſem ſonſt der Vegetation guͤnſtigen Jahre. §. 22. Man wird im Fruͤhjahre, wenn die Saat ſich nicht deutlich oder zu duͤnne zeigt, leicht zu ſehr beſorgt, daß ſie ganz oder doch zu viel ausgewintert ſey, um ein eintraͤgliches Fruchtfeld zu geben und entſchließt ſich dann uͤbereilt zum Umpfluͤgen. In keinem Jahre ſind die Landwirthe, meines Gedenkens, ſo be- ſorgt und ſo unentſchloſſen geweſen, was ſie dabei thun ſollten, als 1803. Es fand ſich aber nachher, daß die meiſten, die umpfluͤgten und Gerſte einſaͤeten, es nachher bereueten, indem die ſtehend gebliebene Winterung noch immer einen ſtaͤr- kern Ertrag gab, als die an ihre Stelle getretene Gerſte, von welcher man unter die- ſen Umſtaͤnden ſelten einen erheblichen Ertrag hatte; wogegen Hafer beſſer gerieth. Den Hafer hat man zuweilen uͤber ein ausgewintert ſcheinendes Weizenfeld geſaͤet und ſcharf eingeegget; den Weizen und Hafer zuſammen geerntet, eine gute Ernte im Ganzen gemacht, von jenem aber doch mehr als von dieſem gewonnen. Es ſind deshalb die Erfahrungen Mecklenburgiſcher Landwirthe, welche in dem zweiten Theile der Annalen der Mecklenburgiſchen Landwirthſchafts-Geſell- ſchaft aufbewahrt ſind, ſehr merkwuͤrdig. Zweifelhafter Zuſtand im Fruͤhjahre. (Vergl. Annalen des Ackerbaues, Bd. V. S. 191.)

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/55>, abgerufen am 22.12.2024.