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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Ernährung des Rindviehes.
können Ochsen sich gut darauf halten. Ob hieran ein Uebergang der Säure des
Bodens in die sonst gesunden Gras- und Krautarten, oder die auf solchen Weiden
wachsenden besonderen Kräuter Schuld seyen, getraue ich mich ebenfalls nicht zu
entscheiden. Das Equisetum arvense und palustre, das Colchicum, mehrere
Ranunkelarten und andere Sumpfpflanzen haben gewiß eine nachtheilige Wirkung
auf das Rindvieh, und besonders auf dessen Milcherzeugung; aber es läßt sie
auch stehen, wenn es nicht durch übermäßigen Hunger getrieben wird.

Höheweiden haben, wenn sie reichlich genug sind, eine Kuh auf drei oder we-
nigeren Morgen völlig zu sättigen, in der Milchergiebigkeit Vorzüge vor den Nie-
derungsweiden, wobei sich jedoch versteht, daß die Race ihnen angemessen seyn
müsse; denn eine große Marschkuh wird nicht leicht auf drei Morgen Höhewei-
den genug haben.

Entfernte Weiden verlieren sehr durch das Hin- und Hertreiben des Viehes,
wobei es, wie man sagt, die Milch vergehet. Je ruhiger das Vieh auf seiner
Weide bleibt und sich selbst überlassen wird, um desto größer wird die Benutzung
derselben seyn. Deshalb haben die Ackerweiden der Koppelwirthschaft auch von
dieser Seite so große Vorzüge, weil hier das Vieh ganz ruhig auf den wirklich
befriedigten Koppeln ohne Hund und Hirten, bleibt, auch Tag und Nacht dar-
auf gelassen wird.

In Hinsicht des letztern sind zwar die Meinungen getheilt, indem einige das
nächtliche Eintreiben des Viehes nicht nur seiner Gesundheit zuträglicher, sondern
auch der Stallmist-Gewinnung wegen für wirthschaftlicher halten. Die Mehrheit
der Koppelwirthe aber, und besonders alle Molkerei-Pächter sind entschieden dafür,
daß die Kühe in den wärmeren Sommermonaten des Nachts auf der Weide blei-
ben müssen, weil sie behaupten, daß die Milch sich sonst beträchtlich vermindere.
Was einige von der Schädlichkeit des Nebels und Thaus, und von dem Nach-
theile des davon noch triefenden Grases angeben, ist zuverlässig ohne Grund auf
gesunden Höhen. Nur an sumpfigen Stellen, Brüchern und Mooren kann der
aufsteigende Nebel nachtheilig würken. In den kalten Nächten des Frühjahrs
und Herbstes aber ist das nächtliche Eintreiben des Viehes doch immer zu em-
pfehlen, und wenn man ihnen des Morgens vor dem Austreiben etwas trockenes

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Ernaͤhrung des Rindviehes.
koͤnnen Ochſen ſich gut darauf halten. Ob hieran ein Uebergang der Saͤure des
Bodens in die ſonſt geſunden Gras- und Krautarten, oder die auf ſolchen Weiden
wachſenden beſonderen Kraͤuter Schuld ſeyen, getraue ich mich ebenfalls nicht zu
entſcheiden. Das Equisetum arvense und palustre, das Colchicum, mehrere
Ranunkelarten und andere Sumpfpflanzen haben gewiß eine nachtheilige Wirkung
auf das Rindvieh, und beſonders auf deſſen Milcherzeugung; aber es laͤßt ſie
auch ſtehen, wenn es nicht durch uͤbermaͤßigen Hunger getrieben wird.

Hoͤheweiden haben, wenn ſie reichlich genug ſind, eine Kuh auf drei oder we-
nigeren Morgen voͤllig zu ſaͤttigen, in der Milchergiebigkeit Vorzuͤge vor den Nie-
derungsweiden, wobei ſich jedoch verſteht, daß die Raçe ihnen angemeſſen ſeyn
muͤſſe; denn eine große Marſchkuh wird nicht leicht auf drei Morgen Hoͤhewei-
den genug haben.

Entfernte Weiden verlieren ſehr durch das Hin- und Hertreiben des Viehes,
wobei es, wie man ſagt, die Milch vergehet. Je ruhiger das Vieh auf ſeiner
Weide bleibt und ſich ſelbſt uͤberlaſſen wird, um deſto groͤßer wird die Benutzung
derſelben ſeyn. Deshalb haben die Ackerweiden der Koppelwirthſchaft auch von
dieſer Seite ſo große Vorzuͤge, weil hier das Vieh ganz ruhig auf den wirklich
befriedigten Koppeln ohne Hund und Hirten, bleibt, auch Tag und Nacht dar-
auf gelaſſen wird.

In Hinſicht des letztern ſind zwar die Meinungen getheilt, indem einige das
naͤchtliche Eintreiben des Viehes nicht nur ſeiner Geſundheit zutraͤglicher, ſondern
auch der Stallmiſt-Gewinnung wegen fuͤr wirthſchaftlicher halten. Die Mehrheit
der Koppelwirthe aber, und beſonders alle Molkerei-Paͤchter ſind entſchieden dafuͤr,
daß die Kuͤhe in den waͤrmeren Sommermonaten des Nachts auf der Weide blei-
ben muͤſſen, weil ſie behaupten, daß die Milch ſich ſonſt betraͤchtlich vermindere.
Was einige von der Schaͤdlichkeit des Nebels und Thaus, und von dem Nach-
theile des davon noch triefenden Graſes angeben, iſt zuverlaͤſſig ohne Grund auf
geſunden Hoͤhen. Nur an ſumpfigen Stellen, Bruͤchern und Mooren kann der
aufſteigende Nebel nachtheilig wuͤrken. In den kalten Naͤchten des Fruͤhjahrs
und Herbſtes aber iſt das naͤchtliche Eintreiben des Viehes doch immer zu em-
pfehlen, und wenn man ihnen des Morgens vor dem Austreiben etwas trockenes

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[331/0355] Ernaͤhrung des Rindviehes. koͤnnen Ochſen ſich gut darauf halten. Ob hieran ein Uebergang der Saͤure des Bodens in die ſonſt geſunden Gras- und Krautarten, oder die auf ſolchen Weiden wachſenden beſonderen Kraͤuter Schuld ſeyen, getraue ich mich ebenfalls nicht zu entſcheiden. Das Equisetum arvense und palustre, das Colchicum, mehrere Ranunkelarten und andere Sumpfpflanzen haben gewiß eine nachtheilige Wirkung auf das Rindvieh, und beſonders auf deſſen Milcherzeugung; aber es laͤßt ſie auch ſtehen, wenn es nicht durch uͤbermaͤßigen Hunger getrieben wird. Hoͤheweiden haben, wenn ſie reichlich genug ſind, eine Kuh auf drei oder we- nigeren Morgen voͤllig zu ſaͤttigen, in der Milchergiebigkeit Vorzuͤge vor den Nie- derungsweiden, wobei ſich jedoch verſteht, daß die Raçe ihnen angemeſſen ſeyn muͤſſe; denn eine große Marſchkuh wird nicht leicht auf drei Morgen Hoͤhewei- den genug haben. Entfernte Weiden verlieren ſehr durch das Hin- und Hertreiben des Viehes, wobei es, wie man ſagt, die Milch vergehet. Je ruhiger das Vieh auf ſeiner Weide bleibt und ſich ſelbſt uͤberlaſſen wird, um deſto groͤßer wird die Benutzung derſelben ſeyn. Deshalb haben die Ackerweiden der Koppelwirthſchaft auch von dieſer Seite ſo große Vorzuͤge, weil hier das Vieh ganz ruhig auf den wirklich befriedigten Koppeln ohne Hund und Hirten, bleibt, auch Tag und Nacht dar- auf gelaſſen wird. In Hinſicht des letztern ſind zwar die Meinungen getheilt, indem einige das naͤchtliche Eintreiben des Viehes nicht nur ſeiner Geſundheit zutraͤglicher, ſondern auch der Stallmiſt-Gewinnung wegen fuͤr wirthſchaftlicher halten. Die Mehrheit der Koppelwirthe aber, und beſonders alle Molkerei-Paͤchter ſind entſchieden dafuͤr, daß die Kuͤhe in den waͤrmeren Sommermonaten des Nachts auf der Weide blei- ben muͤſſen, weil ſie behaupten, daß die Milch ſich ſonſt betraͤchtlich vermindere. Was einige von der Schaͤdlichkeit des Nebels und Thaus, und von dem Nach- theile des davon noch triefenden Graſes angeben, iſt zuverlaͤſſig ohne Grund auf geſunden Hoͤhen. Nur an ſumpfigen Stellen, Bruͤchern und Mooren kann der aufſteigende Nebel nachtheilig wuͤrken. In den kalten Naͤchten des Fruͤhjahrs und Herbſtes aber iſt das naͤchtliche Eintreiben des Viehes doch immer zu em- pfehlen, und wenn man ihnen des Morgens vor dem Austreiben etwas trockenes T t 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/355>, abgerufen am 22.11.2024.