größte Ordnung dabei beobachtet werden, und wenn dagegen die Kälber der Mutter jedesmal zugeführt werden müssen, kann eher eins vergessen werden. Auch nimmt das Zuführen mehrere Zeit, wie das Tränken, weg. Will man Kälber auch dann noch saugen lassen, wenn die Kühe schon auf die Weide gehen, so müssen die Mütter auf dem Stalle gehalten, und besonders gefüt- tert werden.
Ferner aber: Beim Tränken bleiben die Kälber ruhig in ihrem abgeson- derten Stalle, werden durch das Hin- und Herführen nicht beunruhigt oder beschädigt. Die in immer gleichen Portionen den Kälbern nach ihrem Alter zugetheilte Milch gedeihet ihnen besser, als wenn sie bald viel, bald wenig ab- saugen. Sie können sich nicht übersaugen, und die Erfahrung lehrt, daß bei gehörig getränkten Kälbern weit seltner der daher rührende Durchfall enstehe, als bei Saugekälbern. Man kann die Milch nach der Stärke und dem Ap- petite eines jeden Kalbes abmessen, da bei dem Saugen ein Kalb die Milch seiner Mutter entweder nicht bezwingen kann, oder nicht genug daran hat. Der Hauptgrund für das Träuken ist: daß sich die Kälber leichter und nur allmählig von der Milch entwöhnen, und allmählig zu schlechterer Milch und zu anderer Nahrung übergehen. Daher erfolgt bei den Tränkkälbern nicht das beträchtliche Abfallen, was man allgemein bei den abgesetzten Saugekälbern verspürt. Der Gram der Kuh und des Kalbes, welcher sich durch das heftige Blöken und Schreien offenbart, wird gänzlich vermieden. Die Kuh ist an ihre Bestimmung, ausgemolken zu werden, gewöhnt, und dies gab ihr vom Anfange an eine angenehme Empfindung, weswegen sie gern ihre Milch der Melkerin hingiebt. Endlich wird, da man früher zu abgerahmter Milch über- gehen kann, in den meisten Fällen dabei erspart.
Der einzige Fall wo das Saugen vielleicht rathsamer seyn kann, ist bei Erstlingen, bei denen die Milchgefäße dadurch besser geöffnet werden mögen.
§. 20.
Bei dem Tränken ist noch folgendes zu beobachten: Nur in den ersten Tagen giebt man jedem Kalbe die Milch seiner Mutter, nachher braucht man nur zu beachten, daß sie die jungen Kälber von frischmilchenden Kühen erhalten; sind sie 3 Wochen alt, so kann man jede gesunde Milch ohne Unterschied geben.
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Aufzucht des Rindviehes.
groͤßte Ordnung dabei beobachtet werden, und wenn dagegen die Kaͤlber der Mutter jedesmal zugefuͤhrt werden muͤſſen, kann eher eins vergeſſen werden. Auch nimmt das Zufuͤhren mehrere Zeit, wie das Traͤnken, weg. Will man Kaͤlber auch dann noch ſaugen laſſen, wenn die Kuͤhe ſchon auf die Weide gehen, ſo muͤſſen die Muͤtter auf dem Stalle gehalten, und beſonders gefuͤt- tert werden.
Ferner aber: Beim Traͤnken bleiben die Kaͤlber ruhig in ihrem abgeſon- derten Stalle, werden durch das Hin- und Herfuͤhren nicht beunruhigt oder beſchaͤdigt. Die in immer gleichen Portionen den Kaͤlbern nach ihrem Alter zugetheilte Milch gedeihet ihnen beſſer, als wenn ſie bald viel, bald wenig ab- ſaugen. Sie koͤnnen ſich nicht uͤberſaugen, und die Erfahrung lehrt, daß bei gehoͤrig getraͤnkten Kaͤlbern weit ſeltner der daher ruͤhrende Durchfall enſtehe, als bei Saugekaͤlbern. Man kann die Milch nach der Staͤrke und dem Ap- petite eines jeden Kalbes abmeſſen, da bei dem Saugen ein Kalb die Milch ſeiner Mutter entweder nicht bezwingen kann, oder nicht genug daran hat. Der Hauptgrund fuͤr das Traͤuken iſt: daß ſich die Kaͤlber leichter und nur allmaͤhlig von der Milch entwoͤhnen, und allmaͤhlig zu ſchlechterer Milch und zu anderer Nahrung uͤbergehen. Daher erfolgt bei den Traͤnkkaͤlbern nicht das betraͤchtliche Abfallen, was man allgemein bei den abgeſetzten Saugekaͤlbern verſpuͤrt. Der Gram der Kuh und des Kalbes, welcher ſich durch das heftige Bloͤken und Schreien offenbart, wird gaͤnzlich vermieden. Die Kuh iſt an ihre Beſtimmung, ausgemolken zu werden, gewoͤhnt, und dies gab ihr vom Anfange an eine angenehme Empfindung, weswegen ſie gern ihre Milch der Melkerin hingiebt. Endlich wird, da man fruͤher zu abgerahmter Milch uͤber- gehen kann, in den meiſten Faͤllen dabei erſpart.
Der einzige Fall wo das Saugen vielleicht rathſamer ſeyn kann, iſt bei Erſtlingen, bei denen die Milchgefaͤße dadurch beſſer geoͤffnet werden moͤgen.
§. 20.
Bei dem Traͤnken iſt noch folgendes zu beobachten: Nur in den erſten Tagen giebt man jedem Kalbe die Milch ſeiner Mutter, nachher braucht man nur zu beachten, daß ſie die jungen Kaͤlber von friſchmilchenden Kuͤhen erhalten; ſind ſie 3 Wochen alt, ſo kann man jede geſunde Milch ohne Unterſchied geben.
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Aufzucht des Rindviehes.
groͤßte Ordnung dabei beobachtet werden, und wenn dagegen die Kaͤlber der
Mutter jedesmal zugefuͤhrt werden muͤſſen, kann eher eins vergeſſen werden.
Auch nimmt das Zufuͤhren mehrere Zeit, wie das Traͤnken, weg. Will man
Kaͤlber auch dann noch ſaugen laſſen, wenn die Kuͤhe ſchon auf die Weide
gehen, ſo muͤſſen die Muͤtter auf dem Stalle gehalten, und beſonders gefuͤt-
tert werden.
Ferner aber: Beim Traͤnken bleiben die Kaͤlber ruhig in ihrem abgeſon-
derten Stalle, werden durch das Hin- und Herfuͤhren nicht beunruhigt oder
beſchaͤdigt. Die in immer gleichen Portionen den Kaͤlbern nach ihrem Alter
zugetheilte Milch gedeihet ihnen beſſer, als wenn ſie bald viel, bald wenig ab-
ſaugen. Sie koͤnnen ſich nicht uͤberſaugen, und die Erfahrung lehrt, daß bei
gehoͤrig getraͤnkten Kaͤlbern weit ſeltner der daher ruͤhrende Durchfall enſtehe,
als bei Saugekaͤlbern. Man kann die Milch nach der Staͤrke und dem Ap-
petite eines jeden Kalbes abmeſſen, da bei dem Saugen ein Kalb die Milch
ſeiner Mutter entweder nicht bezwingen kann, oder nicht genug daran hat.
Der Hauptgrund fuͤr das Traͤuken iſt: daß ſich die Kaͤlber leichter und nur
allmaͤhlig von der Milch entwoͤhnen, und allmaͤhlig zu ſchlechterer Milch und
zu anderer Nahrung uͤbergehen. Daher erfolgt bei den Traͤnkkaͤlbern nicht das
betraͤchtliche Abfallen, was man allgemein bei den abgeſetzten Saugekaͤlbern
verſpuͤrt. Der Gram der Kuh und des Kalbes, welcher ſich durch das heftige
Bloͤken und Schreien offenbart, wird gaͤnzlich vermieden. Die Kuh iſt an
ihre Beſtimmung, ausgemolken zu werden, gewoͤhnt, und dies gab ihr vom
Anfange an eine angenehme Empfindung, weswegen ſie gern ihre Milch der
Melkerin hingiebt. Endlich wird, da man fruͤher zu abgerahmter Milch uͤber-
gehen kann, in den meiſten Faͤllen dabei erſpart.
Der einzige Fall wo das Saugen vielleicht rathſamer ſeyn kann, iſt bei
Erſtlingen, bei denen die Milchgefaͤße dadurch beſſer geoͤffnet werden moͤgen.
§. 20.
Bei dem Traͤnken iſt noch folgendes zu beobachten: Nur in den erſten Tagen
giebt man jedem Kalbe die Milch ſeiner Mutter, nachher braucht man nur zu
beachten, daß ſie die jungen Kaͤlber von friſchmilchenden Kuͤhen erhalten; ſind
ſie 3 Wochen alt, ſo kann man jede geſunde Milch ohne Unterſchied geben.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/339>, abgerufen am 16.02.2025.
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