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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Aufzucht des Rindviehes.
Heu, hernach Grünfutter jeder Art. Wenn sie zehn bis zwölf Wochen alt
sind, kommen sie auf die Weidekoppel, wo aber die Ochsenkälber getrennt wer-
den, die mehrentheils auf dem Stalle bleiben.

Ich weiß, daß manche gegen das Grünfutter und die Weide sind, dicke
Leiber und Verdauungsschwächung davon besorgen, und daher den Kälbern, bis
sie 9 Monate alt sind, nur feines Heu und Kornfutter geben. Ich habe aber
von der grünen Nahrung nie den geringsten Nachtheil beobachtet, sondern meine
Kälber sind sämmtlich gesund geblieben. Indessen ist gegen jene Methode der
trocknen Fütterung, wenn man ausgelegenes Heu hat, auch nichts zu erinnern.

Kornfutter gebe ich den Kälbern nicht anders, als wenn es einen sehr ge-
ringen Preis, z. B. im Frühjahr 1811 hat.

§. 19.

Die Gründe welche man für das Saugen und gegen das Tränken der Käl-
ber anführt, scheinen mir nicht gültig. Man sagt:

Gründe für
das Saugen
oder Tränken.
a) das Saugen sey der Natur gemäß, das Tränken unnatürlich.

Aber unsre Kühe sind nicht im natürlichen Zustande, und der Zweck, den
wir mit ihnen haben, ist nicht der natürliche. Die Natur gab den Kühen die
Milch bloß um das Kalb damit zu ernähren; wir wollen diesem die Milch nur
die kürzeste Zeit lassen, und sie anderweitig benutzen.

b) Man kann die Kuh nicht so rein ausmilchen, als das Kalb sie aussaugt.

Eine gute Melkerin holt den letzten Tropfen Milch reiner aus dem Euter
und aus allen vier Spähnen desselben, als das Kalb es gewöhnlich thut. Die-
ses saugt entweder nur wenn es durstig ist, und holt die Milch nicht rein her-
aus, oder es geht spielend dabei, und nimmt von Zeit zu Zeit nur einige
Schlucke, wobei die dickere Milch häufig zurückbleibt. Es gewöhnt sich oft
nur an einigen Spähnen, an denen auf einer Seite, zu saugen, und die an-
dern Spähne trocknen.

c) Das Auftränken sey in großen Wirthschaften sehr mißlich, weil nicht
die gehörige Vorsicht dabei angewandt werden könne; nur in kleinen möge
es angehen.

Ist gegen die Erfahrung. Wenn die Kälber nach ihrem verschiedenen
Alter in verschiedenen Abtheilungen gehalten und getränkt werden, kann die

Aufzucht des Rindviehes.
Heu, hernach Gruͤnfutter jeder Art. Wenn ſie zehn bis zwoͤlf Wochen alt
ſind, kommen ſie auf die Weidekoppel, wo aber die Ochſenkaͤlber getrennt wer-
den, die mehrentheils auf dem Stalle bleiben.

Ich weiß, daß manche gegen das Gruͤnfutter und die Weide ſind, dicke
Leiber und Verdauungsſchwaͤchung davon beſorgen, und daher den Kaͤlbern, bis
ſie 9 Monate alt ſind, nur feines Heu und Kornfutter geben. Ich habe aber
von der gruͤnen Nahrung nie den geringſten Nachtheil beobachtet, ſondern meine
Kaͤlber ſind ſaͤmmtlich geſund geblieben. Indeſſen iſt gegen jene Methode der
trocknen Fuͤtterung, wenn man ausgelegenes Heu hat, auch nichts zu erinnern.

Kornfutter gebe ich den Kaͤlbern nicht anders, als wenn es einen ſehr ge-
ringen Preis, z. B. im Fruͤhjahr 1811 hat.

§. 19.

Die Gruͤnde welche man fuͤr das Saugen und gegen das Traͤnken der Kaͤl-
ber anfuͤhrt, ſcheinen mir nicht guͤltig. Man ſagt:

Gruͤnde fuͤr
das Saugen
oder Traͤnken.
a) das Saugen ſey der Natur gemaͤß, das Traͤnken unnatuͤrlich.

Aber unſre Kuͤhe ſind nicht im natuͤrlichen Zuſtande, und der Zweck, den
wir mit ihnen haben, iſt nicht der natuͤrliche. Die Natur gab den Kuͤhen die
Milch bloß um das Kalb damit zu ernaͤhren; wir wollen dieſem die Milch nur
die kuͤrzeſte Zeit laſſen, und ſie anderweitig benutzen.

b) Man kann die Kuh nicht ſo rein ausmilchen, als das Kalb ſie ausſaugt.

Eine gute Melkerin holt den letzten Tropfen Milch reiner aus dem Euter
und aus allen vier Spaͤhnen deſſelben, als das Kalb es gewoͤhnlich thut. Die-
ſes ſaugt entweder nur wenn es durſtig iſt, und holt die Milch nicht rein her-
aus, oder es geht ſpielend dabei, und nimmt von Zeit zu Zeit nur einige
Schlucke, wobei die dickere Milch haͤufig zuruͤckbleibt. Es gewoͤhnt ſich oft
nur an einigen Spaͤhnen, an denen auf einer Seite, zu ſaugen, und die an-
dern Spaͤhne trocknen.

c) Das Auftraͤnken ſey in großen Wirthſchaften ſehr mißlich, weil nicht
die gehoͤrige Vorſicht dabei angewandt werden koͤnne; nur in kleinen moͤge
es angehen.

Iſt gegen die Erfahrung. Wenn die Kaͤlber nach ihrem verſchiedenen
Alter in verſchiedenen Abtheilungen gehalten und getraͤnkt werden, kann die

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[314/0338] Aufzucht des Rindviehes. Heu, hernach Gruͤnfutter jeder Art. Wenn ſie zehn bis zwoͤlf Wochen alt ſind, kommen ſie auf die Weidekoppel, wo aber die Ochſenkaͤlber getrennt wer- den, die mehrentheils auf dem Stalle bleiben. Ich weiß, daß manche gegen das Gruͤnfutter und die Weide ſind, dicke Leiber und Verdauungsſchwaͤchung davon beſorgen, und daher den Kaͤlbern, bis ſie 9 Monate alt ſind, nur feines Heu und Kornfutter geben. Ich habe aber von der gruͤnen Nahrung nie den geringſten Nachtheil beobachtet, ſondern meine Kaͤlber ſind ſaͤmmtlich geſund geblieben. Indeſſen iſt gegen jene Methode der trocknen Fuͤtterung, wenn man ausgelegenes Heu hat, auch nichts zu erinnern. Kornfutter gebe ich den Kaͤlbern nicht anders, als wenn es einen ſehr ge- ringen Preis, z. B. im Fruͤhjahr 1811 hat. §. 19. Die Gruͤnde welche man fuͤr das Saugen und gegen das Traͤnken der Kaͤl- ber anfuͤhrt, ſcheinen mir nicht guͤltig. Man ſagt: a) das Saugen ſey der Natur gemaͤß, das Traͤnken unnatuͤrlich. Gruͤnde fuͤr das Saugen oder Traͤnken. Aber unſre Kuͤhe ſind nicht im natuͤrlichen Zuſtande, und der Zweck, den wir mit ihnen haben, iſt nicht der natuͤrliche. Die Natur gab den Kuͤhen die Milch bloß um das Kalb damit zu ernaͤhren; wir wollen dieſem die Milch nur die kuͤrzeſte Zeit laſſen, und ſie anderweitig benutzen. b) Man kann die Kuh nicht ſo rein ausmilchen, als das Kalb ſie ausſaugt. Eine gute Melkerin holt den letzten Tropfen Milch reiner aus dem Euter und aus allen vier Spaͤhnen deſſelben, als das Kalb es gewoͤhnlich thut. Die- ſes ſaugt entweder nur wenn es durſtig iſt, und holt die Milch nicht rein her- aus, oder es geht ſpielend dabei, und nimmt von Zeit zu Zeit nur einige Schlucke, wobei die dickere Milch haͤufig zuruͤckbleibt. Es gewoͤhnt ſich oft nur an einigen Spaͤhnen, an denen auf einer Seite, zu ſaugen, und die an- dern Spaͤhne trocknen. c) Das Auftraͤnken ſey in großen Wirthſchaften ſehr mißlich, weil nicht die gehoͤrige Vorſicht dabei angewandt werden koͤnne; nur in kleinen moͤge es angehen. Iſt gegen die Erfahrung. Wenn die Kaͤlber nach ihrem verſchiedenen Alter in verſchiedenen Abtheilungen gehalten und getraͤnkt werden, kann die

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/338>, abgerufen am 22.11.2024.