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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Aufzucht des Rindviehes.
dert, bewirkt man, daß sie sich gern melken lasse, und die Milch nicht aus Ei-
gensinn zurückhalte.

§. 18.

Soll das Kalb aber aufgetränkt werden, so muß man es die Mutter garDas Tränken.
nicht berühren lassen, sondern sogleich davon nehmen, und ich kann nicht der
Meinung derer beistimmen, die das Kalb in den ersten 3 bis 5 Tagen saugen
lassen, dann aber tränken.

Das Kälb lernt eben so leicht saufen als saugen. Wenn ihm nur bei den
ersten Malen der mit Milch benetzte Finger ins Maul gesteckt, und dann das
Maul in das Milchgefäß gebracht wird, so säuft es frisch weg; und ich weiß
noch keinen Fall, wo dies Schwierigkeiten gemacht hätte. Es wird ihm aller-
dings die erste Milch von der Mutter, so wie sie von ihr kommt, allenfalls
mit etwas warmem Wasser verdünnt, gegeben; und man bleibt in den ersten acht
Tagen gern bei der Milch der Mutter. In der Folge giebt man die Milch,
wie sie eben vorkommt; entweder noch warm aus dem Euter, oder mit etwas
kochendem Wasser wieder erwärmt. Es muß bei dieser Tränkung zwar mit
einiger Vorsicht verfahren werden, jedoch ist alle Pedanterie unnöthig.

Nur das Maaß muß beachtet werden, damit sich die Kälber weder über-
nehmen, noch Mangel an Nahrung leiden. Die Kälber von verschiedenem Alter
müssen daher in besondere Abschläge gebracht, und ihnen die Milch zugemessen
werden. In der ersten Woche haben sie an 4 Pfund Milch täglich genug; in
der zweiten Woche erhalten sie 8 Pfund, in der dritten 12 Pfund täglich --
jedoch allmählig steigend -- und dies wird ihnen in 3 Portionen gegeben. In
der vierten Woche giebt man ihnen nicht mehr, aber schon einen Nebentrank,
wie den Saugkälbern. In der fünften Woche bekommen sie abgerahmte süße
Milch, und fangen nun an etwas Heu, zugleich aber Kartoffeln, Runkelrüben
u. dergl. zu fressen; jedoch nur in kleinen Portionen, die ihnen fein geschnitten
in den Krippen gegeben werden. In der fechsten Woche erhalten sie mehr da-
von, und in der siebenten Woche können sie sich ohne Milch und ohne Trank
behelfen, jedoch wird ihnen, wenn es paßt, noch abgerahmte Milch süß und
sauer gegeben. Von nun an bekommen sie bei mir dasselbe Futter was die Kühe
erhalten, so lange die Winterfütterung dauert, gewöhnlich rohe Kartoffeln und

Vierter Theil. R r

Aufzucht des Rindviehes.
dert, bewirkt man, daß ſie ſich gern melken laſſe, und die Milch nicht aus Ei-
genſinn zuruͤckhalte.

§. 18.

Soll das Kalb aber aufgetraͤnkt werden, ſo muß man es die Mutter garDas Traͤnken.
nicht beruͤhren laſſen, ſondern ſogleich davon nehmen, und ich kann nicht der
Meinung derer beiſtimmen, die das Kalb in den erſten 3 bis 5 Tagen ſaugen
laſſen, dann aber traͤnken.

Das Kaͤlb lernt eben ſo leicht ſaufen als ſaugen. Wenn ihm nur bei den
erſten Malen der mit Milch benetzte Finger ins Maul geſteckt, und dann das
Maul in das Milchgefaͤß gebracht wird, ſo ſaͤuft es friſch weg; und ich weiß
noch keinen Fall, wo dies Schwierigkeiten gemacht haͤtte. Es wird ihm aller-
dings die erſte Milch von der Mutter, ſo wie ſie von ihr kommt, allenfalls
mit etwas warmem Waſſer verduͤnnt, gegeben; und man bleibt in den erſten acht
Tagen gern bei der Milch der Mutter. In der Folge giebt man die Milch,
wie ſie eben vorkommt; entweder noch warm aus dem Euter, oder mit etwas
kochendem Waſſer wieder erwaͤrmt. Es muß bei dieſer Traͤnkung zwar mit
einiger Vorſicht verfahren werden, jedoch iſt alle Pedanterie unnoͤthig.

Nur das Maaß muß beachtet werden, damit ſich die Kaͤlber weder uͤber-
nehmen, noch Mangel an Nahrung leiden. Die Kaͤlber von verſchiedenem Alter
muͤſſen daher in beſondere Abſchlaͤge gebracht, und ihnen die Milch zugemeſſen
werden. In der erſten Woche haben ſie an 4 Pfund Milch taͤglich genug; in
der zweiten Woche erhalten ſie 8 Pfund, in der dritten 12 Pfund taͤglich —
jedoch allmaͤhlig ſteigend — und dies wird ihnen in 3 Portionen gegeben. In
der vierten Woche giebt man ihnen nicht mehr, aber ſchon einen Nebentrank,
wie den Saugkaͤlbern. In der fuͤnften Woche bekommen ſie abgerahmte ſuͤße
Milch, und fangen nun an etwas Heu, zugleich aber Kartoffeln, Runkelruͤben
u. dergl. zu freſſen; jedoch nur in kleinen Portionen, die ihnen fein geſchnitten
in den Krippen gegeben werden. In der fechsten Woche erhalten ſie mehr da-
von, und in der ſiebenten Woche koͤnnen ſie ſich ohne Milch und ohne Trank
behelfen, jedoch wird ihnen, wenn es paßt, noch abgerahmte Milch ſuͤß und
ſauer gegeben. Von nun an bekommen ſie bei mir daſſelbe Futter was die Kuͤhe
erhalten, ſo lange die Winterfuͤtterung dauert, gewoͤhnlich rohe Kartoffeln und

Vierter Theil. R r
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[313/0337] Aufzucht des Rindviehes. dert, bewirkt man, daß ſie ſich gern melken laſſe, und die Milch nicht aus Ei- genſinn zuruͤckhalte. §. 18. Soll das Kalb aber aufgetraͤnkt werden, ſo muß man es die Mutter gar nicht beruͤhren laſſen, ſondern ſogleich davon nehmen, und ich kann nicht der Meinung derer beiſtimmen, die das Kalb in den erſten 3 bis 5 Tagen ſaugen laſſen, dann aber traͤnken. Das Traͤnken. Das Kaͤlb lernt eben ſo leicht ſaufen als ſaugen. Wenn ihm nur bei den erſten Malen der mit Milch benetzte Finger ins Maul geſteckt, und dann das Maul in das Milchgefaͤß gebracht wird, ſo ſaͤuft es friſch weg; und ich weiß noch keinen Fall, wo dies Schwierigkeiten gemacht haͤtte. Es wird ihm aller- dings die erſte Milch von der Mutter, ſo wie ſie von ihr kommt, allenfalls mit etwas warmem Waſſer verduͤnnt, gegeben; und man bleibt in den erſten acht Tagen gern bei der Milch der Mutter. In der Folge giebt man die Milch, wie ſie eben vorkommt; entweder noch warm aus dem Euter, oder mit etwas kochendem Waſſer wieder erwaͤrmt. Es muß bei dieſer Traͤnkung zwar mit einiger Vorſicht verfahren werden, jedoch iſt alle Pedanterie unnoͤthig. Nur das Maaß muß beachtet werden, damit ſich die Kaͤlber weder uͤber- nehmen, noch Mangel an Nahrung leiden. Die Kaͤlber von verſchiedenem Alter muͤſſen daher in beſondere Abſchlaͤge gebracht, und ihnen die Milch zugemeſſen werden. In der erſten Woche haben ſie an 4 Pfund Milch taͤglich genug; in der zweiten Woche erhalten ſie 8 Pfund, in der dritten 12 Pfund taͤglich — jedoch allmaͤhlig ſteigend — und dies wird ihnen in 3 Portionen gegeben. In der vierten Woche giebt man ihnen nicht mehr, aber ſchon einen Nebentrank, wie den Saugkaͤlbern. In der fuͤnften Woche bekommen ſie abgerahmte ſuͤße Milch, und fangen nun an etwas Heu, zugleich aber Kartoffeln, Runkelruͤben u. dergl. zu freſſen; jedoch nur in kleinen Portionen, die ihnen fein geſchnitten in den Krippen gegeben werden. In der fechsten Woche erhalten ſie mehr da- von, und in der ſiebenten Woche koͤnnen ſie ſich ohne Milch und ohne Trank behelfen, jedoch wird ihnen, wenn es paßt, noch abgerahmte Milch ſuͤß und ſauer gegeben. Von nun an bekommen ſie bei mir daſſelbe Futter was die Kuͤhe erhalten, ſo lange die Winterfuͤtterung dauert, gewoͤhnlich rohe Kartoffeln und Vierter Theil. R r

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/337>, abgerufen am 22.12.2024.