Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Rindviehzucht.
§. 8.

Es erzeugen sich beim Rindvieh, entweder durch die Auswahl der Indivi-Bildung neuer
Racen.

duen aus derselben Race oder aber mittelst der Durchkreuzung verschiedener Ra-
cen, Familien von mehr oder minder gewünschten Eigenschaften, die man in sich
selbst fortzupflanzen suchen muß, wenn sie dem Zwecke einmal entsprechen. Diese
kann man dann, wenn ihre Eigenschaften konstant geworden sind, als eine neue
Race betrachten. Man muß jedoch bei dieser Durchkreuzung mit Vorsicht und
Aufmerksamkeit verfahren. Da wir das meiste Rindvieh der Molkerei wegen
aufziehen, so ist eine sehr milchreiche Familie am erwünschtesten, und man muß
sich bestreben, einen feststehenden Stamm daraus zu bilden, indem man immer
die vorzüglichsten Individuen zu Stamm-Eltern auswählt, und davon die Kuh-
und Bullenkälber aufzieht. Bei letzteren lassen sich die meisten zu sehr verlei-
ten, nur auf eine conventionelle Schönheit der Form zu sehen, die oft gar nicht
einmal zweckmäßig ist. Das Begatten in der nächsten Verwandtschaft, wenn
diese tadellos und unsern Zwecken entsprechend ist, muß zu Anfange besonders
beobachtet werden, wenn man eine konstante Art bilden will. Ich bilde mir
eine Race, die aus der Friesischen-Schweizer- und Jütländer Art zusammen
gesetzt ist.

Die Aufzucht des Rindviehes
§. 9.

erfordert demnach eine vorsichtige Auswahl des Zuchtochsen. (auch Bulle, Bolle,Der Bulle.
Brüllochs, Stammochs, Faselochs, Reitochs, Springochs, Stier genannt.
Manchmal versteht man jedoch unter Stier und Ochs schlechtweg das verschnit-
tene Thier.)

Von einem Bullen fordert man in Ansehung der Gestalt, daß er einen
kurzen dicken Kopf, breite krause Stirn, schwarze muntre Augen, kurze dunkle
Hörner, lange wohlbehangene Ohren, große Nasenlöcher, schwarzes Maul,
starken fleischigen Hals, breite vor den Vorderbeinen hervorragende Brust, ge-
streckten Leib, kurze säulenförmige Beine, langen wohl bewachsenen Schwanz,
einen muntren dreisten Gang habe. Ein starkes Vordertheil fällt manchem sehr
in die Augen. Ich liebe ein in Verhältniß des Vordertheils stärkeres Hinter-

Vierter Theil. Q q
Die Rindviehzucht.
§. 8.

Es erzeugen ſich beim Rindvieh, entweder durch die Auswahl der Indivi-Bildung neuer
Raçen.

duen aus derſelben Raçe oder aber mittelſt der Durchkreuzung verſchiedener Ra-
çen, Familien von mehr oder minder gewuͤnſchten Eigenſchaften, die man in ſich
ſelbſt fortzupflanzen ſuchen muß, wenn ſie dem Zwecke einmal entſprechen. Dieſe
kann man dann, wenn ihre Eigenſchaften konſtant geworden ſind, als eine neue
Raçe betrachten. Man muß jedoch bei dieſer Durchkreuzung mit Vorſicht und
Aufmerkſamkeit verfahren. Da wir das meiſte Rindvieh der Molkerei wegen
aufziehen, ſo iſt eine ſehr milchreiche Familie am erwuͤnſchteſten, und man muß
ſich beſtreben, einen feſtſtehenden Stamm daraus zu bilden, indem man immer
die vorzuͤglichſten Individuen zu Stamm-Eltern auswaͤhlt, und davon die Kuh-
und Bullenkaͤlber aufzieht. Bei letzteren laſſen ſich die meiſten zu ſehr verlei-
ten, nur auf eine conventionelle Schoͤnheit der Form zu ſehen, die oft gar nicht
einmal zweckmaͤßig iſt. Das Begatten in der naͤchſten Verwandtſchaft, wenn
dieſe tadellos und unſern Zwecken entſprechend iſt, muß zu Anfange beſonders
beobachtet werden, wenn man eine konſtante Art bilden will. Ich bilde mir
eine Raçe, die aus der Frieſiſchen-Schweizer- und Juͤtlaͤnder Art zuſammen
geſetzt iſt.

Die Aufzucht des Rindviehes
§. 9.

erfordert demnach eine vorſichtige Auswahl des Zuchtochſen. (auch Bulle, Bolle,Der Bulle.
Bruͤllochs, Stammochs, Faſelochs, Reitochs, Springochs, Stier genannt.
Manchmal verſteht man jedoch unter Stier und Ochs ſchlechtweg das verſchnit-
tene Thier.)

Von einem Bullen fordert man in Anſehung der Geſtalt, daß er einen
kurzen dicken Kopf, breite krauſe Stirn, ſchwarze muntre Augen, kurze dunkle
Hoͤrner, lange wohlbehangene Ohren, große Naſenloͤcher, ſchwarzes Maul,
ſtarken fleiſchigen Hals, breite vor den Vorderbeinen hervorragende Bruſt, ge-
ſtreckten Leib, kurze ſaͤulenfoͤrmige Beine, langen wohl bewachſenen Schwanz,
einen muntren dreiſten Gang habe. Ein ſtarkes Vordertheil faͤllt manchem ſehr
in die Augen. Ich liebe ein in Verhaͤltniß des Vordertheils ſtaͤrkeres Hinter-

Vierter Theil. Q q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0329" n="305"/>
          <fw place="top" type="header">Die Rindviehzucht.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.</head><lb/>
            <p>Es erzeugen &#x017F;ich beim Rindvieh, entweder durch die Auswahl der Indivi-<note place="right">Bildung neuer<lb/>
Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>en.</note><lb/>
duen aus der&#x017F;elben Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>e oder aber mittel&#x017F;t der Durchkreuzung ver&#x017F;chiedener Ra-<lb/><hi rendition="#aq">ç</hi>en, Familien von mehr oder minder gewu&#x0364;n&#x017F;chten Eigen&#x017F;chaften, die man in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t fortzupflanzen &#x017F;uchen muß, wenn &#x017F;ie dem Zwecke einmal ent&#x017F;prechen. Die&#x017F;e<lb/>
kann man dann, wenn ihre Eigen&#x017F;chaften kon&#x017F;tant geworden &#x017F;ind, als eine neue<lb/>
Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>e betrachten. Man muß jedoch bei die&#x017F;er Durchkreuzung mit Vor&#x017F;icht und<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit verfahren. Da wir das mei&#x017F;te Rindvieh der Molkerei wegen<lb/>
aufziehen, &#x017F;o i&#x017F;t eine &#x017F;ehr milchreiche Familie am erwu&#x0364;n&#x017F;chte&#x017F;ten, und man muß<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;treben, einen fe&#x017F;t&#x017F;tehenden Stamm daraus zu bilden, indem man immer<lb/>
die vorzu&#x0364;glich&#x017F;ten Individuen zu Stamm-Eltern auswa&#x0364;hlt, und davon die Kuh-<lb/>
und Bullenka&#x0364;lber aufzieht. Bei letzteren la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die mei&#x017F;ten zu &#x017F;ehr verlei-<lb/>
ten, nur auf eine conventionelle Scho&#x0364;nheit der Form zu &#x017F;ehen, die oft gar nicht<lb/>
einmal zweckma&#x0364;ßig i&#x017F;t. Das Begatten in der na&#x0364;ch&#x017F;ten Verwandt&#x017F;chaft, wenn<lb/>
die&#x017F;e tadellos und un&#x017F;ern Zwecken ent&#x017F;prechend i&#x017F;t, muß zu Anfange be&#x017F;onders<lb/>
beobachtet werden, wenn man eine kon&#x017F;tante Art bilden will. Ich bilde mir<lb/>
eine Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>e, die aus der Frie&#x017F;i&#x017F;chen-Schweizer- und Ju&#x0364;tla&#x0364;nder Art zu&#x017F;ammen<lb/>
ge&#x017F;etzt i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Aufzucht des Rindviehes</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 9.</head><lb/>
              <p>erfordert demnach eine vor&#x017F;ichtige Auswahl des Zuchtoch&#x017F;en. (auch Bulle, Bolle,<note place="right">Der Bulle.</note><lb/>
Bru&#x0364;llochs, Stammochs, Fa&#x017F;elochs, Reitochs, Springochs, Stier genannt.<lb/>
Manchmal ver&#x017F;teht man jedoch unter Stier und Ochs &#x017F;chlechtweg das ver&#x017F;chnit-<lb/>
tene Thier.)</p><lb/>
              <p>Von einem Bullen fordert man in An&#x017F;ehung der Ge&#x017F;talt, daß er einen<lb/>
kurzen dicken Kopf, breite krau&#x017F;e Stirn, &#x017F;chwarze muntre Augen, kurze dunkle<lb/>
Ho&#x0364;rner, lange wohlbehangene Ohren, große Na&#x017F;enlo&#x0364;cher, &#x017F;chwarzes Maul,<lb/>
&#x017F;tarken flei&#x017F;chigen Hals, breite vor den Vorderbeinen hervorragende Bru&#x017F;t, ge-<lb/>
&#x017F;treckten Leib, kurze &#x017F;a&#x0364;ulenfo&#x0364;rmige Beine, langen wohl bewach&#x017F;enen Schwanz,<lb/>
einen muntren drei&#x017F;ten Gang habe. Ein &#x017F;tarkes Vordertheil fa&#x0364;llt manchem &#x017F;ehr<lb/>
in die Augen. Ich liebe ein in Verha&#x0364;ltniß des Vordertheils &#x017F;ta&#x0364;rkeres Hinter-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Vierter Theil. Q q</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0329] Die Rindviehzucht. §. 8. Es erzeugen ſich beim Rindvieh, entweder durch die Auswahl der Indivi- duen aus derſelben Raçe oder aber mittelſt der Durchkreuzung verſchiedener Ra- çen, Familien von mehr oder minder gewuͤnſchten Eigenſchaften, die man in ſich ſelbſt fortzupflanzen ſuchen muß, wenn ſie dem Zwecke einmal entſprechen. Dieſe kann man dann, wenn ihre Eigenſchaften konſtant geworden ſind, als eine neue Raçe betrachten. Man muß jedoch bei dieſer Durchkreuzung mit Vorſicht und Aufmerkſamkeit verfahren. Da wir das meiſte Rindvieh der Molkerei wegen aufziehen, ſo iſt eine ſehr milchreiche Familie am erwuͤnſchteſten, und man muß ſich beſtreben, einen feſtſtehenden Stamm daraus zu bilden, indem man immer die vorzuͤglichſten Individuen zu Stamm-Eltern auswaͤhlt, und davon die Kuh- und Bullenkaͤlber aufzieht. Bei letzteren laſſen ſich die meiſten zu ſehr verlei- ten, nur auf eine conventionelle Schoͤnheit der Form zu ſehen, die oft gar nicht einmal zweckmaͤßig iſt. Das Begatten in der naͤchſten Verwandtſchaft, wenn dieſe tadellos und unſern Zwecken entſprechend iſt, muß zu Anfange beſonders beobachtet werden, wenn man eine konſtante Art bilden will. Ich bilde mir eine Raçe, die aus der Frieſiſchen-Schweizer- und Juͤtlaͤnder Art zuſammen geſetzt iſt. Bildung neuer Raçen. Die Aufzucht des Rindviehes §. 9. erfordert demnach eine vorſichtige Auswahl des Zuchtochſen. (auch Bulle, Bolle, Bruͤllochs, Stammochs, Faſelochs, Reitochs, Springochs, Stier genannt. Manchmal verſteht man jedoch unter Stier und Ochs ſchlechtweg das verſchnit- tene Thier.) Der Bulle. Von einem Bullen fordert man in Anſehung der Geſtalt, daß er einen kurzen dicken Kopf, breite krauſe Stirn, ſchwarze muntre Augen, kurze dunkle Hoͤrner, lange wohlbehangene Ohren, große Naſenloͤcher, ſchwarzes Maul, ſtarken fleiſchigen Hals, breite vor den Vorderbeinen hervorragende Bruſt, ge- ſtreckten Leib, kurze ſaͤulenfoͤrmige Beine, langen wohl bewachſenen Schwanz, einen muntren dreiſten Gang habe. Ein ſtarkes Vordertheil faͤllt manchem ſehr in die Augen. Ich liebe ein in Verhaͤltniß des Vordertheils ſtaͤrkeres Hinter- Vierter Theil. Q q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/329
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/329>, abgerufen am 23.11.2024.