Der große Ruf, worin sich diese Pflanze bekanntlich seit uralten Zeiten bis auf unsern Tag, als das trefflichste aller Futtergewächse, ununterbrochen erhalten, auf der einen Seite, und dagegen die widersprechenden Erfahrungen von den mit aller Sorgfalt angestellten und dennoch ganz verunglückten Anbauversuchen auf der andern, haben meine Aufmerksamkeit auf diese Pflanze besonders erhalten. Ich habe nicht nur selbst fortdauernd Versuche damit angestellt, sondern auch die Erfahrungen andrer einzelnen Anbauer gesammelt, verglichen und dabei auf den Grund der verschiedenen Resultate zu dringen gesucht. Deshalb habe ich auch meine Meinung zu verschiedenen Zeiten abgeändert, wie aus demjenigen, was ich im ersten und wieder im dritten Bande meiner englischen Landwirthschaft darüber gesagt habe, erhellt. Jetzt glaube ich sie mehr bestimmen und fester stellen zu können.
§. 364.
Es kommt beim Anbau dieser Pflanze fast mehr auf den Untergrund als auf die obere Ackerkrume an. Diese kann während des Wachsthums der Luzerne ver- bessert und bereichert werden. Jener wird bei der Verlängerung der Pfahlwur- zeln mit jedem Jahre wichtiger. Es ist zur Ausdauer der Luzerne unumgänglich nöthig, daß er bis zu einer Tiefe von 4 Fuß wenigstens gleichartig mit der Grund- erde der Krume und mit sich selbst bleibe. Wo sich die Lage der Erdarten in ihrer Konsistenz und in ihren Bestandtheilen verändert, da stockt die Wurzel der Luzerne, die Pflanze geht aus oder hält sich nur kümmerlich hin. Am wenigsten darf zäher Thon ihr in den Weg kommen, auf welchem obendrein das Wasser stockt und nicht tiefer einziehen kann. Da es nun ganze Gegenden sowohl, wie einzelne Stellen auf dem Acker giebt, wo sich diese bisher in größerer Tiefe viel- leicht unbeachtete Abwechselung der Erdarten findet; so mißrathen daselbst alle Anbauversuche mit dieser Pflanze. Man hat es indessen in seiner Gewalt, die verschiedenen Schichten des Untergrundes durch das Rejolen miteinander zu men- gen und dadurch den Luzernebau zu erzwingen. Es muß aber bis zu einer sehr beträchtlichen Tiefe geschehen, und 3 Fuß als die gewöhnliche Grenze des Rejo- lens, sind zu einer längeren Ausdauer der Luzerne noch nicht hinreichend. Ich
Futterkraͤuter.
Die Luzerne (Medicago sativa).
§. 363.
Der große Ruf, worin ſich dieſe Pflanze bekanntlich ſeit uralten Zeiten bis auf unſern Tag, als das trefflichſte aller Futtergewaͤchſe, ununterbrochen erhalten, auf der einen Seite, und dagegen die widerſprechenden Erfahrungen von den mit aller Sorgfalt angeſtellten und dennoch ganz verungluͤckten Anbauverſuchen auf der andern, haben meine Aufmerkſamkeit auf dieſe Pflanze beſonders erhalten. Ich habe nicht nur ſelbſt fortdauernd Verſuche damit angeſtellt, ſondern auch die Erfahrungen andrer einzelnen Anbauer geſammelt, verglichen und dabei auf den Grund der verſchiedenen Reſultate zu dringen geſucht. Deshalb habe ich auch meine Meinung zu verſchiedenen Zeiten abgeaͤndert, wie aus demjenigen, was ich im erſten und wieder im dritten Bande meiner engliſchen Landwirthſchaft daruͤber geſagt habe, erhellt. Jetzt glaube ich ſie mehr beſtimmen und feſter ſtellen zu koͤnnen.
§. 364.
Es kommt beim Anbau dieſer Pflanze faſt mehr auf den Untergrund als auf die obere Ackerkrume an. Dieſe kann waͤhrend des Wachsthums der Luzerne ver- beſſert und bereichert werden. Jener wird bei der Verlaͤngerung der Pfahlwur- zeln mit jedem Jahre wichtiger. Es iſt zur Ausdauer der Luzerne unumgaͤnglich noͤthig, daß er bis zu einer Tiefe von 4 Fuß wenigſtens gleichartig mit der Grund- erde der Krume und mit ſich ſelbſt bleibe. Wo ſich die Lage der Erdarten in ihrer Konſiſtenz und in ihren Beſtandtheilen veraͤndert, da ſtockt die Wurzel der Luzerne, die Pflanze geht aus oder haͤlt ſich nur kuͤmmerlich hin. Am wenigſten darf zaͤher Thon ihr in den Weg kommen, auf welchem obendrein das Waſſer ſtockt und nicht tiefer einziehen kann. Da es nun ganze Gegenden ſowohl, wie einzelne Stellen auf dem Acker giebt, wo ſich dieſe bisher in groͤßerer Tiefe viel- leicht unbeachtete Abwechſelung der Erdarten findet; ſo mißrathen daſelbſt alle Anbauverſuche mit dieſer Pflanze. Man hat es indeſſen in ſeiner Gewalt, die verſchiedenen Schichten des Untergrundes durch das Rejolen miteinander zu men- gen und dadurch den Luzernebau zu erzwingen. Es muß aber bis zu einer ſehr betraͤchtlichen Tiefe geſchehen, und 3 Fuß als die gewoͤhnliche Grenze des Rejo- lens, ſind zu einer laͤngeren Ausdauer der Luzerne noch nicht hinreichend. Ich
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Futterkraͤuter.
Die Luzerne (Medicago sativa).
§. 363.
Der große Ruf, worin ſich dieſe Pflanze bekanntlich ſeit uralten Zeiten bis
auf unſern Tag, als das trefflichſte aller Futtergewaͤchſe, ununterbrochen erhalten,
auf der einen Seite, und dagegen die widerſprechenden Erfahrungen von den mit
aller Sorgfalt angeſtellten und dennoch ganz verungluͤckten Anbauverſuchen auf
der andern, haben meine Aufmerkſamkeit auf dieſe Pflanze beſonders erhalten.
Ich habe nicht nur ſelbſt fortdauernd Verſuche damit angeſtellt, ſondern auch die
Erfahrungen andrer einzelnen Anbauer geſammelt, verglichen und dabei auf den
Grund der verſchiedenen Reſultate zu dringen geſucht. Deshalb habe ich auch
meine Meinung zu verſchiedenen Zeiten abgeaͤndert, wie aus demjenigen, was ich
im erſten und wieder im dritten Bande meiner engliſchen Landwirthſchaft daruͤber
geſagt habe, erhellt. Jetzt glaube ich ſie mehr beſtimmen und feſter ſtellen zu koͤnnen.
§. 364.
Es kommt beim Anbau dieſer Pflanze faſt mehr auf den Untergrund als auf
die obere Ackerkrume an. Dieſe kann waͤhrend des Wachsthums der Luzerne ver-
beſſert und bereichert werden. Jener wird bei der Verlaͤngerung der Pfahlwur-
zeln mit jedem Jahre wichtiger. Es iſt zur Ausdauer der Luzerne unumgaͤnglich
noͤthig, daß er bis zu einer Tiefe von 4 Fuß wenigſtens gleichartig mit der Grund-
erde der Krume und mit ſich ſelbſt bleibe. Wo ſich die Lage der Erdarten in
ihrer Konſiſtenz und in ihren Beſtandtheilen veraͤndert, da ſtockt die Wurzel der
Luzerne, die Pflanze geht aus oder haͤlt ſich nur kuͤmmerlich hin. Am wenigſten
darf zaͤher Thon ihr in den Weg kommen, auf welchem obendrein das Waſſer
ſtockt und nicht tiefer einziehen kann. Da es nun ganze Gegenden ſowohl, wie
einzelne Stellen auf dem Acker giebt, wo ſich dieſe bisher in groͤßerer Tiefe viel-
leicht unbeachtete Abwechſelung der Erdarten findet; ſo mißrathen daſelbſt alle
Anbauverſuche mit dieſer Pflanze. Man hat es indeſſen in ſeiner Gewalt, die
verſchiedenen Schichten des Untergrundes durch das Rejolen miteinander zu men-
gen und dadurch den Luzernebau zu erzwingen. Es muß aber bis zu einer ſehr
betraͤchtlichen Tiefe geſchehen, und 3 Fuß als die gewoͤhnliche Grenze des Rejo-
lens, ſind zu einer laͤngeren Ausdauer der Luzerne noch nicht hinreichend. Ich
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/298>, abgerufen am 23.11.2024.
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