Daß der Lein besonders die ältere Dungkraft aus dem Acker sehr aussauge, daß er eine langweilige, beschwerliche, und in eine mit Geschäften überhäufte Zeit fallende Arbeit erfordere, über welche so leicht etwas für das Ganze der Wirth- schaft Wichtigeres verabsäumt wird, kann wohl nicht geleugnet werden. Wo also nach dem bisherigen Wirthschaftsbetriebe mit der Dungkraft und nach Maaßgabe einer schwachen ländlichen Bevölkerung, mit der Arbeitsverwendung im Sommer sparsam verfahren werden muß, da kann eine beträchtliche Ausdehnung des Leinbaues unmöglich zuträglich seyn, wogegen man auf einem in Kraft gesetzten Boden, bei einer starken Düngerproduktion und geuugsamen, vorzüglich weiblichen Händen damit ins Große gehen kann.
Er wird dann vor andrem Handelsgewächsbau vorzüglich zweckmäßig in sol- chen Gegenden betrieben, wo Spinnen und Weben ein Haupterwerb des Landvolks im Winter ist. Hier hat man häufig Gelegenheit, den Lein auf dem Felde stehend zu verkaufen, und so einen ansehnlichen klaren und baaren Gewinn daraus zu zie- hen, ohne die Sorge für Einerntung und Bearbeitung darauf verwenden zu dür- fen. Nicht unrichtig kann in manchen Fällen die Spekulation seyn, auf einem Landgute Spinnstuben und Weberstühle zu errichten, um einer größern Menge von Arbeitern, die man nur im Sommer zum Feldbau gebrauchen kann, im Winter bequemen Verdienst zu geben, und somit sich eine größere und willigere Volks- menge zu verschaffen; wobei dann der Leinbau und die Flachsbearbeitung vermehrt werden muß, aber auch vermehrt werden kann. Tritt beides nicht ein, so scheint mir der Anbau mancher andern Handelsgewächspflanzen vor dem des Leins Vor- theile zu haben, und dieser daher höchstens nur auf eignen Bedarf beschränkt wer- den zu müssen.
§. 226.
Der Lein liebt mehr einen lockern mit Sand gemengten, als strengen, thoni-Boden. gen Boden. Es muß diesem aber, was ihm an der Feuchtigkeitshaltung der Erde abgeht, durch die Lage ersetzt werden. Er muß dabei durchaus reich und kräftig von Natur oder durch alten Dungstand seyn; denn dieser kann ihm durch frischen Dünger schwerlich ersetzt werden. Uebermäßig geil darf er jedoch auch nicht seyn, weil er hier früh zu Lager gehen würde. Vor allem ist ihm ein mür- ber mergelichter Boden zuträglich.
Vierter Theil. Z
Der Leinbau.
Daß der Lein beſonders die aͤltere Dungkraft aus dem Acker ſehr ausſauge, daß er eine langweilige, beſchwerliche, und in eine mit Geſchaͤften uͤberhaͤufte Zeit fallende Arbeit erfordere, uͤber welche ſo leicht etwas fuͤr das Ganze der Wirth- ſchaft Wichtigeres verabſaͤumt wird, kann wohl nicht geleugnet werden. Wo alſo nach dem bisherigen Wirthſchaftsbetriebe mit der Dungkraft und nach Maaßgabe einer ſchwachen laͤndlichen Bevoͤlkerung, mit der Arbeitsverwendung im Sommer ſparſam verfahren werden muß, da kann eine betraͤchtliche Ausdehnung des Leinbaues unmoͤglich zutraͤglich ſeyn, wogegen man auf einem in Kraft geſetzten Boden, bei einer ſtarken Duͤngerproduktion und geuugſamen, vorzuͤglich weiblichen Haͤnden damit ins Große gehen kann.
Er wird dann vor andrem Handelsgewaͤchsbau vorzuͤglich zweckmaͤßig in ſol- chen Gegenden betrieben, wo Spinnen und Weben ein Haupterwerb des Landvolks im Winter iſt. Hier hat man haͤufig Gelegenheit, den Lein auf dem Felde ſtehend zu verkaufen, und ſo einen anſehnlichen klaren und baaren Gewinn daraus zu zie- hen, ohne die Sorge fuͤr Einerntung und Bearbeitung darauf verwenden zu duͤr- fen. Nicht unrichtig kann in manchen Faͤllen die Spekulation ſeyn, auf einem Landgute Spinnſtuben und Weberſtuͤhle zu errichten, um einer groͤßern Menge von Arbeitern, die man nur im Sommer zum Feldbau gebrauchen kann, im Winter bequemen Verdienſt zu geben, und ſomit ſich eine groͤßere und willigere Volks- menge zu verſchaffen; wobei dann der Leinbau und die Flachsbearbeitung vermehrt werden muß, aber auch vermehrt werden kann. Tritt beides nicht ein, ſo ſcheint mir der Anbau mancher andern Handelsgewaͤchspflanzen vor dem des Leins Vor- theile zu haben, und dieſer daher hoͤchſtens nur auf eignen Bedarf beſchraͤnkt wer- den zu muͤſſen.
§. 226.
Der Lein liebt mehr einen lockern mit Sand gemengten, als ſtrengen, thoni-Boden. gen Boden. Es muß dieſem aber, was ihm an der Feuchtigkeitshaltung der Erde abgeht, durch die Lage erſetzt werden. Er muß dabei durchaus reich und kraͤftig von Natur oder durch alten Dungſtand ſeyn; denn dieſer kann ihm durch friſchen Duͤnger ſchwerlich erſetzt werden. Uebermaͤßig geil darf er jedoch auch nicht ſeyn, weil er hier fruͤh zu Lager gehen wuͤrde. Vor allem iſt ihm ein muͤr- ber mergelichter Boden zutraͤglich.
Vierter Theil. Z
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[177/0201]
Der Leinbau.
Daß der Lein beſonders die aͤltere Dungkraft aus dem Acker ſehr ausſauge,
daß er eine langweilige, beſchwerliche, und in eine mit Geſchaͤften uͤberhaͤufte Zeit
fallende Arbeit erfordere, uͤber welche ſo leicht etwas fuͤr das Ganze der Wirth-
ſchaft Wichtigeres verabſaͤumt wird, kann wohl nicht geleugnet werden. Wo alſo
nach dem bisherigen Wirthſchaftsbetriebe mit der Dungkraft und nach Maaßgabe
einer ſchwachen laͤndlichen Bevoͤlkerung, mit der Arbeitsverwendung im Sommer
ſparſam verfahren werden muß, da kann eine betraͤchtliche Ausdehnung des Leinbaues
unmoͤglich zutraͤglich ſeyn, wogegen man auf einem in Kraft geſetzten Boden, bei
einer ſtarken Duͤngerproduktion und geuugſamen, vorzuͤglich weiblichen Haͤnden damit
ins Große gehen kann.
Er wird dann vor andrem Handelsgewaͤchsbau vorzuͤglich zweckmaͤßig in ſol-
chen Gegenden betrieben, wo Spinnen und Weben ein Haupterwerb des Landvolks
im Winter iſt. Hier hat man haͤufig Gelegenheit, den Lein auf dem Felde ſtehend
zu verkaufen, und ſo einen anſehnlichen klaren und baaren Gewinn daraus zu zie-
hen, ohne die Sorge fuͤr Einerntung und Bearbeitung darauf verwenden zu duͤr-
fen. Nicht unrichtig kann in manchen Faͤllen die Spekulation ſeyn, auf einem
Landgute Spinnſtuben und Weberſtuͤhle zu errichten, um einer groͤßern Menge von
Arbeitern, die man nur im Sommer zum Feldbau gebrauchen kann, im Winter
bequemen Verdienſt zu geben, und ſomit ſich eine groͤßere und willigere Volks-
menge zu verſchaffen; wobei dann der Leinbau und die Flachsbearbeitung vermehrt
werden muß, aber auch vermehrt werden kann. Tritt beides nicht ein, ſo ſcheint
mir der Anbau mancher andern Handelsgewaͤchspflanzen vor dem des Leins Vor-
theile zu haben, und dieſer daher hoͤchſtens nur auf eignen Bedarf beſchraͤnkt wer-
den zu muͤſſen.
§. 226.
Der Lein liebt mehr einen lockern mit Sand gemengten, als ſtrengen, thoni-
gen Boden. Es muß dieſem aber, was ihm an der Feuchtigkeitshaltung der
Erde abgeht, durch die Lage erſetzt werden. Er muß dabei durchaus reich und
kraͤftig von Natur oder durch alten Dungſtand ſeyn; denn dieſer kann ihm durch
friſchen Duͤnger ſchwerlich erſetzt werden. Uebermaͤßig geil darf er jedoch auch
nicht ſeyn, weil er hier fruͤh zu Lager gehen wuͤrde. Vor allem iſt ihm ein muͤr-
ber mergelichter Boden zutraͤglich.
Boden.
Vierter Theil. Z
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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