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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Kalkerde.
liche Materie, die seit undenklichen Zeiten zu Bauten gebraucht worden. Seine
Bereitung im Großen zu beschreiben, ist hier der Ort nicht. Wir müssen aber
seine physischen und chemischen Eigenschaften betrachten, um die vielen merkwür-
digen Erscheinungen, die er hervorbringt, und seine Wirkungen als Düngungs-
mittel und als Mörtel erklären zu können.

§. 64.

Der gebrannte Kalk besitzt einen alkalischen, ätzenden, die GeschmacksorganeGebrannter
Kalk.

sehr beleidigenden Geschmack. Er verändert die Pflanzenfarben gleich dem Alkali.
Werden seine Stücke mit Wasser benetzt, so saugen sie dasselbe in beträchtlicher
Menge ein, und bleiben doch ganz trocken dabei. Nach und nach bemerkt man eine
Erhitzung, die immer steigt. Endlich erhalten die Stücke Risse und Borsten, und
zerfallen in ein sehr weißes, lockeres, milde anzufühlendes und trockenes Pulver.
Der Grad der sich hier entwickelnden Hitze kann so hoch steigen, daß er den Sie-
depunkt des Wassers übertrifft. Auch bemerkt man im Dunkeln zuweilen
ein Leuchten.

Auch wenn man den vierten Theil des Gewichts des Kalks an Wasser ange-
wandt hat, so ist der in Pulver zerfallene Kalk dennoch nicht naß. Er hat das
Wasser gänzlich eingeschluckt, und es als Krystall in sich gebunden. Sein Ge-
wicht ist aber vergrößert. Hieraus erklärt sich allein die starke Erhitzung, welche
beim Löschen des Kalks statt findet, und der man vormals allerlei hypothetische Ur-
sachen unterschob. Das Wasser, welches vom Kalke eingesogen wird, geht, in-
dem es sich chemisch mit der Kalkerde verbindet, aus dem flüssigen in dem festen
Zustand über. Der Wärmestoff, welchem dasselbe seinen flüssigen Zustande ver-
dankte, wird frei, und entweicht nach außen. Das mit dem Kalke verbundene
Wasser läßt sich nun ohne Glühhitze auch nicht wieder davon trennen.

§. 65.

Der einmal gelöschte Kalk läßt sich leicht mit dem Wasser vermengen, undGelöschter
Kalk.

es wird nun keine neue Wärme entwickelt. Wird er mit vielem Wasser zu-
sammengerührt, so stellt er einen zusammenhängenden Brei mit noch mehrerem
Wasser, eine milchartige Flüssigkeit, die Kalkmilch heißt, dar. Der gelöschte
Kalk ist noch ätzend, nur nicht in dem Maße, wie der ungelöschte. Er schmeckt
alkalisch, wie dieser, und verändert das mit Pflanzensäften gefärbte Papier.


Zweiter Theil. L

Die Kalkerde.
liche Materie, die ſeit undenklichen Zeiten zu Bauten gebraucht worden. Seine
Bereitung im Großen zu beſchreiben, iſt hier der Ort nicht. Wir muͤſſen aber
ſeine phyſiſchen und chemiſchen Eigenſchaften betrachten, um die vielen merkwuͤr-
digen Erſcheinungen, die er hervorbringt, und ſeine Wirkungen als Duͤngungs-
mittel und als Moͤrtel erklaͤren zu koͤnnen.

§. 64.

Der gebrannte Kalk beſitzt einen alkaliſchen, aͤtzenden, die GeſchmacksorganeGebrannter
Kalk.

ſehr beleidigenden Geſchmack. Er veraͤndert die Pflanzenfarben gleich dem Alkali.
Werden ſeine Stuͤcke mit Waſſer benetzt, ſo ſaugen ſie daſſelbe in betraͤchtlicher
Menge ein, und bleiben doch ganz trocken dabei. Nach und nach bemerkt man eine
Erhitzung, die immer ſteigt. Endlich erhalten die Stuͤcke Riſſe und Borſten, und
zerfallen in ein ſehr weißes, lockeres, milde anzufuͤhlendes und trockenes Pulver.
Der Grad der ſich hier entwickelnden Hitze kann ſo hoch ſteigen, daß er den Sie-
depunkt des Waſſers uͤbertrifft. Auch bemerkt man im Dunkeln zuweilen
ein Leuchten.

Auch wenn man den vierten Theil des Gewichts des Kalks an Waſſer ange-
wandt hat, ſo iſt der in Pulver zerfallene Kalk dennoch nicht naß. Er hat das
Waſſer gaͤnzlich eingeſchluckt, und es als Kryſtall in ſich gebunden. Sein Ge-
wicht iſt aber vergroͤßert. Hieraus erklaͤrt ſich allein die ſtarke Erhitzung, welche
beim Loͤſchen des Kalks ſtatt findet, und der man vormals allerlei hypothetiſche Ur-
ſachen unterſchob. Das Waſſer, welches vom Kalke eingeſogen wird, geht, in-
dem es ſich chemiſch mit der Kalkerde verbindet, aus dem fluͤſſigen in dem feſten
Zuſtand uͤber. Der Waͤrmeſtoff, welchem daſſelbe ſeinen fluͤſſigen Zuſtande ver-
dankte, wird frei, und entweicht nach außen. Das mit dem Kalke verbundene
Waſſer laͤßt ſich nun ohne Gluͤhhitze auch nicht wieder davon trennen.

§. 65.

Der einmal geloͤſchte Kalk laͤßt ſich leicht mit dem Waſſer vermengen, undGeloͤſchter
Kalk.

es wird nun keine neue Waͤrme entwickelt. Wird er mit vielem Waſſer zu-
ſammengeruͤhrt, ſo ſtellt er einen zuſammenhaͤngenden Brei mit noch mehrerem
Waſſer, eine milchartige Fluͤſſigkeit, die Kalkmilch heißt, dar. Der geloͤſchte
Kalk iſt noch aͤtzend, nur nicht in dem Maße, wie der ungeloͤſchte. Er ſchmeckt
alkaliſch, wie dieſer, und veraͤndert das mit Pflanzenſaͤften gefaͤrbte Papier.


Zweiter Theil. L
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[81/0125] Die Kalkerde. liche Materie, die ſeit undenklichen Zeiten zu Bauten gebraucht worden. Seine Bereitung im Großen zu beſchreiben, iſt hier der Ort nicht. Wir muͤſſen aber ſeine phyſiſchen und chemiſchen Eigenſchaften betrachten, um die vielen merkwuͤr- digen Erſcheinungen, die er hervorbringt, und ſeine Wirkungen als Duͤngungs- mittel und als Moͤrtel erklaͤren zu koͤnnen. §. 64. Der gebrannte Kalk beſitzt einen alkaliſchen, aͤtzenden, die Geſchmacksorgane ſehr beleidigenden Geſchmack. Er veraͤndert die Pflanzenfarben gleich dem Alkali. Werden ſeine Stuͤcke mit Waſſer benetzt, ſo ſaugen ſie daſſelbe in betraͤchtlicher Menge ein, und bleiben doch ganz trocken dabei. Nach und nach bemerkt man eine Erhitzung, die immer ſteigt. Endlich erhalten die Stuͤcke Riſſe und Borſten, und zerfallen in ein ſehr weißes, lockeres, milde anzufuͤhlendes und trockenes Pulver. Der Grad der ſich hier entwickelnden Hitze kann ſo hoch ſteigen, daß er den Sie- depunkt des Waſſers uͤbertrifft. Auch bemerkt man im Dunkeln zuweilen ein Leuchten. Gebrannter Kalk. Auch wenn man den vierten Theil des Gewichts des Kalks an Waſſer ange- wandt hat, ſo iſt der in Pulver zerfallene Kalk dennoch nicht naß. Er hat das Waſſer gaͤnzlich eingeſchluckt, und es als Kryſtall in ſich gebunden. Sein Ge- wicht iſt aber vergroͤßert. Hieraus erklaͤrt ſich allein die ſtarke Erhitzung, welche beim Loͤſchen des Kalks ſtatt findet, und der man vormals allerlei hypothetiſche Ur- ſachen unterſchob. Das Waſſer, welches vom Kalke eingeſogen wird, geht, in- dem es ſich chemiſch mit der Kalkerde verbindet, aus dem fluͤſſigen in dem feſten Zuſtand uͤber. Der Waͤrmeſtoff, welchem daſſelbe ſeinen fluͤſſigen Zuſtande ver- dankte, wird frei, und entweicht nach außen. Das mit dem Kalke verbundene Waſſer laͤßt ſich nun ohne Gluͤhhitze auch nicht wieder davon trennen. §. 65. Der einmal geloͤſchte Kalk laͤßt ſich leicht mit dem Waſſer vermengen, und es wird nun keine neue Waͤrme entwickelt. Wird er mit vielem Waſſer zu- ſammengeruͤhrt, ſo ſtellt er einen zuſammenhaͤngenden Brei mit noch mehrerem Waſſer, eine milchartige Fluͤſſigkeit, die Kalkmilch heißt, dar. Der geloͤſchte Kalk iſt noch aͤtzend, nur nicht in dem Maße, wie der ungeloͤſchte. Er ſchmeckt alkaliſch, wie dieſer, und veraͤndert das mit Pflanzenſaͤften gefaͤrbte Papier. Geloͤſchter Kalk. Zweiter Theil. L

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/125>, abgerufen am 22.11.2024.