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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Stallfutterungssystem.
tität und Qualität nach den höchsten Ertrag geben. Die Entwickelung und Aus-
dehnung der meisten Futterkräuter nimmt nämlich bis auf einen gewissen Punkt pro-
gressiv zu, und geht am schnellsten und stärksten vor sich, je mehr sie sich diesem höch-
sten Punkte nähert. In ihrer ersten Jugend ist dieser Zuwachs geringe in einer be-
stimmten Zeit, wird aber dann am stärksten, wenn die Blüthe sich zu entwickeln
anfängt. Wird dieser Zeitpunkt, wie bei der Weide geschiehet, nicht abgewartet,
so kann der höchste Ertrag nicht davon erfolgen. Sobald das Aufblühen aber gesche-
hen ist, steht der Wachsthum des Krautes wieder still, und bei der Bildung des Sa-
mens vermindert sich die Nahrhaftigkeit des Krautes. Dieser glückliche Zeitpunkt
kann folglich nur beim Abmähen gehörig beobachtet werden. Durch Samenansatz
ungeschwächt, macht es alsdann oft vermehrte Schüsse, die man wieder bis zu dem-
selben Grade der Vollendung kommen läßt.

c) Indem dadurch verhütet wird, daß durch das Auftreten des Viehes keine
Pflanze zerstört oder in ihrem Emporkommen gehindert werde, welches auf der
Weide mit beträchtlichem Nachtheile geschieht.

Hierdurch erreicht man der Erfahrung gemäß, daß mit höchstens der Hälfte des
zur Weide erforderlichen Landes -- den Acker von derselben Güte und derselben
Kraft angenommen -- das Vieh so reichlich und so vollkommen ernähret werden
kann, wie mit dem Ganzen, und daß man folglich wenigstens die Hälfte des Landes
zu andern Zwecken oder zur Ernährung mehreren Viehes erspart.

§. 376.

2) Der Mist, um dessenwillen das Vieh beim Ackerbau größtentheils gehalten
wird, kann nur bei dieser Wirthschaft auf das vollkommenste benutzt werden.

Bei jeder Weidewirthschaft geht immer der größere Theil des bessern Sommer-
mistes verloren. Auf den beständigen Hütungsplätzen der Felderwirthschaft verliert
ihn der Ackerbau völlig, ohne daß er selbst die Weide beträchtlich aufhülfe, indem
wir nicht bemerken, daß alter unaufgebrochener Anger, wo beständig Rindvieh wei-
det, in dem Verhältnisse des darauf gefallenen Mistes an Kraft zunehme. Der Mist
thut vielmehr oft keine andere Wirkung, als daß er dem Viehe die Stellen, worauf
er fiel, auf mehrere Jahre verleidet; weshalb man häufig die Rindviehhirten dazu
ermuntert, diesen Mist aufzusammeln und zu ihrem Vortheile zu benutzen. Nicht

Stallfutterungsſyſtem.
titaͤt und Qualitaͤt nach den hoͤchſten Ertrag geben. Die Entwickelung und Aus-
dehnung der meiſten Futterkraͤuter nimmt naͤmlich bis auf einen gewiſſen Punkt pro-
greſſiv zu, und geht am ſchnellſten und ſtaͤrkſten vor ſich, je mehr ſie ſich dieſem hoͤch-
ſten Punkte naͤhert. In ihrer erſten Jugend iſt dieſer Zuwachs geringe in einer be-
ſtimmten Zeit, wird aber dann am ſtaͤrkſten, wenn die Bluͤthe ſich zu entwickeln
anfaͤngt. Wird dieſer Zeitpunkt, wie bei der Weide geſchiehet, nicht abgewartet,
ſo kann der hoͤchſte Ertrag nicht davon erfolgen. Sobald das Aufbluͤhen aber geſche-
hen iſt, ſteht der Wachsthum des Krautes wieder ſtill, und bei der Bildung des Sa-
mens vermindert ſich die Nahrhaftigkeit des Krautes. Dieſer gluͤckliche Zeitpunkt
kann folglich nur beim Abmaͤhen gehoͤrig beobachtet werden. Durch Samenanſatz
ungeſchwaͤcht, macht es alsdann oft vermehrte Schuͤſſe, die man wieder bis zu dem-
ſelben Grade der Vollendung kommen laͤßt.

c) Indem dadurch verhuͤtet wird, daß durch das Auftreten des Viehes keine
Pflanze zerſtoͤrt oder in ihrem Emporkommen gehindert werde, welches auf der
Weide mit betraͤchtlichem Nachtheile geſchieht.

Hierdurch erreicht man der Erfahrung gemaͤß, daß mit hoͤchſtens der Haͤlfte des
zur Weide erforderlichen Landes — den Acker von derſelben Guͤte und derſelben
Kraft angenommen — das Vieh ſo reichlich und ſo vollkommen ernaͤhret werden
kann, wie mit dem Ganzen, und daß man folglich wenigſtens die Haͤlfte des Landes
zu andern Zwecken oder zur Ernaͤhrung mehreren Viehes erſpart.

§. 376.

2) Der Miſt, um deſſenwillen das Vieh beim Ackerbau groͤßtentheils gehalten
wird, kann nur bei dieſer Wirthſchaft auf das vollkommenſte benutzt werden.

Bei jeder Weidewirthſchaft geht immer der groͤßere Theil des beſſern Sommer-
miſtes verloren. Auf den beſtaͤndigen Huͤtungsplaͤtzen der Felderwirthſchaft verliert
ihn der Ackerbau voͤllig, ohne daß er ſelbſt die Weide betraͤchtlich aufhuͤlfe, indem
wir nicht bemerken, daß alter unaufgebrochener Anger, wo beſtaͤndig Rindvieh wei-
det, in dem Verhaͤltniſſe des darauf gefallenen Miſtes an Kraft zunehme. Der Miſt
thut vielmehr oft keine andere Wirkung, als daß er dem Viehe die Stellen, worauf
er fiel, auf mehrere Jahre verleidet; weshalb man haͤufig die Rindviehhirten dazu
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[365/0411] Stallfutterungsſyſtem. titaͤt und Qualitaͤt nach den hoͤchſten Ertrag geben. Die Entwickelung und Aus- dehnung der meiſten Futterkraͤuter nimmt naͤmlich bis auf einen gewiſſen Punkt pro- greſſiv zu, und geht am ſchnellſten und ſtaͤrkſten vor ſich, je mehr ſie ſich dieſem hoͤch- ſten Punkte naͤhert. In ihrer erſten Jugend iſt dieſer Zuwachs geringe in einer be- ſtimmten Zeit, wird aber dann am ſtaͤrkſten, wenn die Bluͤthe ſich zu entwickeln anfaͤngt. Wird dieſer Zeitpunkt, wie bei der Weide geſchiehet, nicht abgewartet, ſo kann der hoͤchſte Ertrag nicht davon erfolgen. Sobald das Aufbluͤhen aber geſche- hen iſt, ſteht der Wachsthum des Krautes wieder ſtill, und bei der Bildung des Sa- mens vermindert ſich die Nahrhaftigkeit des Krautes. Dieſer gluͤckliche Zeitpunkt kann folglich nur beim Abmaͤhen gehoͤrig beobachtet werden. Durch Samenanſatz ungeſchwaͤcht, macht es alsdann oft vermehrte Schuͤſſe, die man wieder bis zu dem- ſelben Grade der Vollendung kommen laͤßt. c) Indem dadurch verhuͤtet wird, daß durch das Auftreten des Viehes keine Pflanze zerſtoͤrt oder in ihrem Emporkommen gehindert werde, welches auf der Weide mit betraͤchtlichem Nachtheile geſchieht. Hierdurch erreicht man der Erfahrung gemaͤß, daß mit hoͤchſtens der Haͤlfte des zur Weide erforderlichen Landes — den Acker von derſelben Guͤte und derſelben Kraft angenommen — das Vieh ſo reichlich und ſo vollkommen ernaͤhret werden kann, wie mit dem Ganzen, und daß man folglich wenigſtens die Haͤlfte des Landes zu andern Zwecken oder zur Ernaͤhrung mehreren Viehes erſpart. §. 376. 2) Der Miſt, um deſſenwillen das Vieh beim Ackerbau groͤßtentheils gehalten wird, kann nur bei dieſer Wirthſchaft auf das vollkommenſte benutzt werden. Bei jeder Weidewirthſchaft geht immer der groͤßere Theil des beſſern Sommer- miſtes verloren. Auf den beſtaͤndigen Huͤtungsplaͤtzen der Felderwirthſchaft verliert ihn der Ackerbau voͤllig, ohne daß er ſelbſt die Weide betraͤchtlich aufhuͤlfe, indem wir nicht bemerken, daß alter unaufgebrochener Anger, wo beſtaͤndig Rindvieh wei- det, in dem Verhaͤltniſſe des darauf gefallenen Miſtes an Kraft zunehme. Der Miſt thut vielmehr oft keine andere Wirkung, als daß er dem Viehe die Stellen, worauf er fiel, auf mehrere Jahre verleidet; weshalb man haͤufig die Rindviehhirten dazu ermuntert, dieſen Miſt aufzuſammeln und zu ihrem Vortheile zu benutzen. Nicht

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/411>, abgerufen am 23.11.2024.