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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
langt werden, keinesweges kann er aber für den Erfolg einstehen, weil die Anord-
nung selbst fehlerhaft gewesen seyn, und den Grund des schlechten Erfolges in sich
gehabt haben kann. Diese Lage hat ungemein große Schwierigkeiten für beide
Theile, und wenn dabei nicht inniges persönliches Wohlwollen und liberale Nach-
sicht eintritt, so kann ein solches Verhältniß schwerlich bestehen. Zufälligkeiten
machen oft die Ausführung auf die vorgeschriebene oder verabredete Weise unmög-
lich. Soll nun der Stellvertreter eine Abänderung, die von der Vorschrift mehr
oder minder abweicht, -- aber je mehr sie abweicht, den Zweck um so sicherer zu
erreichen scheint -- machen oder nicht? Diese Frage kann allein nach dem Grade
des Zutrauens, welches der eigentliche Wirthschaftsdirektor auf ihn setzt, entschie-
den werden. Macht jener nur die mindest mögliche, durch die Umstände nothwen-
dig erforderte Abänderung, so thut er, was man nach strengem Rechte von ihm
fordern kann. Er thut aber zum Vortheile des Ganzen vielleicht sehr wenig, und,
vielleicht nach seiner eigenen Ueberzeugung, etwas wirklich Schädliches und Un-
rechtes, und müßte als selbstständiger Mann ganz anders verfahren. Thäte er
dieses aber, und der Zufall begünstigte dann seine getroffene, mehr als nothwen-
dige Abänderung nicht, oder bemächtigte sich eine eigensinnige Laune seines Prin-
zipals, so setzte er sich allerdings Vorwürfen aus, die er bei der mindest möglichen
Abweichung hätte vermeiden können.

Ein solches Verhältniß ist in der That so sehr delikat, daß man es höchst sel-
ten lange bestehend findet, ohne daß Uneinigkeit und Unzufriedenheit es häufig
trübt, wo es dann nur durch gegenseitiges Bedürfniß noch fortdauernd erhalten
wird, wobei aber in der Wirthschaft alles schleppt und wackelt.

§. 204.

Noch schwieriger und verwickelter ist der Fall, wo ein Eigenthümer aus
selbstgefühltem Mangel an Kenntnissen und Fähigkeit die Direktion der Wirth-
schaft einem andern überträgt, zu dessen Kenntnissen und Talenten er wenigstens
im Zeitpunkte der Uebertragung das vollkommenste Zutrauen haben mußte. Er
kann zwar im Allgemeinen die Ueberzeugung beibehalten, daß sein Wirthschafts-
direktor die Sache weit besser, wie er, verstehe; aber dennoch wird ihm die Vor-
stellung leicht kommen, oder vielleicht von andern zugebracht werden, daß dieses
oder jenes verbessert werden und dann einen größern Erfolg haben könne. Hier

Direktion der Wirthſchaft.
langt werden, keinesweges kann er aber fuͤr den Erfolg einſtehen, weil die Anord-
nung ſelbſt fehlerhaft geweſen ſeyn, und den Grund des ſchlechten Erfolges in ſich
gehabt haben kann. Dieſe Lage hat ungemein große Schwierigkeiten fuͤr beide
Theile, und wenn dabei nicht inniges perſoͤnliches Wohlwollen und liberale Nach-
ſicht eintritt, ſo kann ein ſolches Verhaͤltniß ſchwerlich beſtehen. Zufaͤlligkeiten
machen oft die Ausfuͤhrung auf die vorgeſchriebene oder verabredete Weiſe unmoͤg-
lich. Soll nun der Stellvertreter eine Abaͤnderung, die von der Vorſchrift mehr
oder minder abweicht, — aber je mehr ſie abweicht, den Zweck um ſo ſicherer zu
erreichen ſcheint — machen oder nicht? Dieſe Frage kann allein nach dem Grade
des Zutrauens, welches der eigentliche Wirthſchaftsdirektor auf ihn ſetzt, entſchie-
den werden. Macht jener nur die mindeſt moͤgliche, durch die Umſtaͤnde nothwen-
dig erforderte Abaͤnderung, ſo thut er, was man nach ſtrengem Rechte von ihm
fordern kann. Er thut aber zum Vortheile des Ganzen vielleicht ſehr wenig, und,
vielleicht nach ſeiner eigenen Ueberzeugung, etwas wirklich Schaͤdliches und Un-
rechtes, und muͤßte als ſelbſtſtaͤndiger Mann ganz anders verfahren. Thaͤte er
dieſes aber, und der Zufall beguͤnſtigte dann ſeine getroffene, mehr als nothwen-
dige Abaͤnderung nicht, oder bemaͤchtigte ſich eine eigenſinnige Laune ſeines Prin-
zipals, ſo ſetzte er ſich allerdings Vorwuͤrfen aus, die er bei der mindeſt moͤglichen
Abweichung haͤtte vermeiden koͤnnen.

Ein ſolches Verhaͤltniß iſt in der That ſo ſehr delikat, daß man es hoͤchſt ſel-
ten lange beſtehend findet, ohne daß Uneinigkeit und Unzufriedenheit es haͤufig
truͤbt, wo es dann nur durch gegenſeitiges Beduͤrfniß noch fortdauernd erhalten
wird, wobei aber in der Wirthſchaft alles ſchleppt und wackelt.

§. 204.

Noch ſchwieriger und verwickelter iſt der Fall, wo ein Eigenthuͤmer aus
ſelbſtgefuͤhltem Mangel an Kenntniſſen und Faͤhigkeit die Direktion der Wirth-
ſchaft einem andern uͤbertraͤgt, zu deſſen Kenntniſſen und Talenten er wenigſtens
im Zeitpunkte der Uebertragung das vollkommenſte Zutrauen haben mußte. Er
kann zwar im Allgemeinen die Ueberzeugung beibehalten, daß ſein Wirthſchafts-
direktor die Sache weit beſſer, wie er, verſtehe; aber dennoch wird ihm die Vor-
ſtellung leicht kommen, oder vielleicht von andern zugebracht werden, daß dieſes
oder jenes verbeſſert werden und dann einen groͤßern Erfolg haben koͤnne. Hier

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[183/0213] Direktion der Wirthſchaft. langt werden, keinesweges kann er aber fuͤr den Erfolg einſtehen, weil die Anord- nung ſelbſt fehlerhaft geweſen ſeyn, und den Grund des ſchlechten Erfolges in ſich gehabt haben kann. Dieſe Lage hat ungemein große Schwierigkeiten fuͤr beide Theile, und wenn dabei nicht inniges perſoͤnliches Wohlwollen und liberale Nach- ſicht eintritt, ſo kann ein ſolches Verhaͤltniß ſchwerlich beſtehen. Zufaͤlligkeiten machen oft die Ausfuͤhrung auf die vorgeſchriebene oder verabredete Weiſe unmoͤg- lich. Soll nun der Stellvertreter eine Abaͤnderung, die von der Vorſchrift mehr oder minder abweicht, — aber je mehr ſie abweicht, den Zweck um ſo ſicherer zu erreichen ſcheint — machen oder nicht? Dieſe Frage kann allein nach dem Grade des Zutrauens, welches der eigentliche Wirthſchaftsdirektor auf ihn ſetzt, entſchie- den werden. Macht jener nur die mindeſt moͤgliche, durch die Umſtaͤnde nothwen- dig erforderte Abaͤnderung, ſo thut er, was man nach ſtrengem Rechte von ihm fordern kann. Er thut aber zum Vortheile des Ganzen vielleicht ſehr wenig, und, vielleicht nach ſeiner eigenen Ueberzeugung, etwas wirklich Schaͤdliches und Un- rechtes, und muͤßte als ſelbſtſtaͤndiger Mann ganz anders verfahren. Thaͤte er dieſes aber, und der Zufall beguͤnſtigte dann ſeine getroffene, mehr als nothwen- dige Abaͤnderung nicht, oder bemaͤchtigte ſich eine eigenſinnige Laune ſeines Prin- zipals, ſo ſetzte er ſich allerdings Vorwuͤrfen aus, die er bei der mindeſt moͤglichen Abweichung haͤtte vermeiden koͤnnen. Ein ſolches Verhaͤltniß iſt in der That ſo ſehr delikat, daß man es hoͤchſt ſel- ten lange beſtehend findet, ohne daß Uneinigkeit und Unzufriedenheit es haͤufig truͤbt, wo es dann nur durch gegenſeitiges Beduͤrfniß noch fortdauernd erhalten wird, wobei aber in der Wirthſchaft alles ſchleppt und wackelt. §. 204. Noch ſchwieriger und verwickelter iſt der Fall, wo ein Eigenthuͤmer aus ſelbſtgefuͤhltem Mangel an Kenntniſſen und Faͤhigkeit die Direktion der Wirth- ſchaft einem andern uͤbertraͤgt, zu deſſen Kenntniſſen und Talenten er wenigſtens im Zeitpunkte der Uebertragung das vollkommenſte Zutrauen haben mußte. Er kann zwar im Allgemeinen die Ueberzeugung beibehalten, daß ſein Wirthſchafts- direktor die Sache weit beſſer, wie er, verſtehe; aber dennoch wird ihm die Vor- ſtellung leicht kommen, oder vielleicht von andern zugebracht werden, daß dieſes oder jenes verbeſſert werden und dann einen groͤßern Erfolg haben koͤnne. Hier

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/213>, abgerufen am 27.11.2024.