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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Arbeit im Allgemeinen.

Wenn man diese idealische Münze auf Geld reduziren will, so muß man den
Durchschnittspreis eines Scheffels Rockens etwa von zehn Jahren in seiner Provinz
oder Distrikte ausmitteln, z. B.


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Da der Arbeitslohn und die Konsumtion die wichtigsten Artikel in der Kosten-
rubrik jeder Wirthschaft ausmachen, so werden die Berechnungen, welche wir ab-
strakt und hypothetisch über die Verhältnisse der Wirthschaften zu machen haben, all-
gemein gültiger und zutreffender seyn, als wenn wir uns des Geldes, welches immer
nur den nominalen, nicht den realen Preis eines Dinges angiebt, dabei bedienten.

§. 148.

2) Vermehrung und Verminderung der Gewerbe. So wie sich2te Ursach:
Vermehrung
oder Vermin-
derung der
Gewerbe.

die Nachfrage nach Arbeitern vermehrt, suchen diese ihren Lohn natürlich höher zu
treiben, und der Arbeitspreis steigt in der ganzen Gegend. Der aus dieser Ursache
gestiegene Arbeitslohn ist für den Landwirth ohne Schaden, vielmehr vortheilhaft.
Er ist eine Folge und zugleich eine Ursach des vermehrten Wohlstandes der Gegend,
vielleicht mit höherm Vorschuß für den Landwirth verbunden, aber in der Regel mit
noch größerm Vortheile. Denn der durch Industrie vermehrte Wohlstand bewirkt
sicher eine stärkere Nachfrage nach den Produkten und einen höheren Preis derselben.

Eine Ausnahme macht es jedoch, wenn die starke Nachfrage nach Arbeitern
nicht von einer sicher begründeten Industrie und reellem Wohlstande, sondern von
einer vorübergehenden Unternehmung oder Arbeit, z. B. vom Bau einer beträcht-
lichen Chaussee, Grabung eines Kanals u. s. w. herrührt. Hier kann eine plötzliche
Steigerung des Lohns nachtheilig wirken und den Landwirth in große Verlegenheit
setzen, weshalb zu dergleichen öffentlichen Arbeiten die Menschen nie bloß aus der
Nachbarschaft, sondern von mehrern entfernten Gegenden her zusammengebracht wer-
den müßten, wenn die Regierung den Wirthschaftsbetrieb einer Gegend nicht in Ver-
wirrung bringen will.

Wenn dagegen der Gewerbsbetrieb in einem Lande herabsinkt und Arbeit weni-
ger gesucht wird, so bieten sich mehrere Arbeiter an, als man gebrauchen kann, und

Erster Theil. O
Die Arbeit im Allgemeinen.

Wenn man dieſe idealiſche Muͤnze auf Geld reduziren will, ſo muß man den
Durchſchnittspreis eines Scheffels Rockens etwa von zehn Jahren in ſeiner Provinz
oder Diſtrikte ausmitteln, z. B.


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Da der Arbeitslohn und die Konſumtion die wichtigſten Artikel in der Koſten-
rubrik jeder Wirthſchaft ausmachen, ſo werden die Berechnungen, welche wir ab-
ſtrakt und hypothetiſch uͤber die Verhaͤltniſſe der Wirthſchaften zu machen haben, all-
gemein guͤltiger und zutreffender ſeyn, als wenn wir uns des Geldes, welches immer
nur den nominalen, nicht den realen Preis eines Dinges angiebt, dabei bedienten.

§. 148.

2) Vermehrung und Verminderung der Gewerbe. So wie ſich2te Urſach:
Vermehrung
oder Vermin-
derung der
Gewerbe.

die Nachfrage nach Arbeitern vermehrt, ſuchen dieſe ihren Lohn natuͤrlich hoͤher zu
treiben, und der Arbeitspreis ſteigt in der ganzen Gegend. Der aus dieſer Urſache
geſtiegene Arbeitslohn iſt fuͤr den Landwirth ohne Schaden, vielmehr vortheilhaft.
Er iſt eine Folge und zugleich eine Urſach des vermehrten Wohlſtandes der Gegend,
vielleicht mit hoͤherm Vorſchuß fuͤr den Landwirth verbunden, aber in der Regel mit
noch groͤßerm Vortheile. Denn der durch Induſtrie vermehrte Wohlſtand bewirkt
ſicher eine ſtaͤrkere Nachfrage nach den Produkten und einen hoͤheren Preis derſelben.

Eine Ausnahme macht es jedoch, wenn die ſtarke Nachfrage nach Arbeitern
nicht von einer ſicher begruͤndeten Induſtrie und reellem Wohlſtande, ſondern von
einer voruͤbergehenden Unternehmung oder Arbeit, z. B. vom Bau einer betraͤcht-
lichen Chauſſee, Grabung eines Kanals u. ſ. w. herruͤhrt. Hier kann eine ploͤtzliche
Steigerung des Lohns nachtheilig wirken und den Landwirth in große Verlegenheit
ſetzen, weshalb zu dergleichen oͤffentlichen Arbeiten die Menſchen nie bloß aus der
Nachbarſchaft, ſondern von mehrern entfernten Gegenden her zuſammengebracht wer-
den muͤßten, wenn die Regierung den Wirthſchaftsbetrieb einer Gegend nicht in Ver-
wirrung bringen will.

Wenn dagegen der Gewerbsbetrieb in einem Lande herabſinkt und Arbeit weni-
ger geſucht wird, ſo bieten ſich mehrere Arbeiter an, als man gebrauchen kann, und

Erſter Theil. O
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[105/0135] Die Arbeit im Allgemeinen. Wenn man dieſe idealiſche Muͤnze auf Geld reduziren will, ſo muß man den Durchſchnittspreis eines Scheffels Rockens etwa von zehn Jahren in ſeiner Provinz oder Diſtrikte ausmitteln, z. B. gilt 1 Scheffel Rocken 1 Rthlr. — Gr., ſo macht 1 # 2 Gr. 8 Pf. 〃 1 〃 〃 1 〃 3 〃 〃 〃 1 # 3 〃 — 〃 〃 1 〃 〃 1 〃 12 〃 〃 〃 1 # 4 〃 — 〃 〃 1 〃 〃 2 〃 — 〃 〃 〃 1 # 5 〃 4 〃 Da der Arbeitslohn und die Konſumtion die wichtigſten Artikel in der Koſten- rubrik jeder Wirthſchaft ausmachen, ſo werden die Berechnungen, welche wir ab- ſtrakt und hypothetiſch uͤber die Verhaͤltniſſe der Wirthſchaften zu machen haben, all- gemein guͤltiger und zutreffender ſeyn, als wenn wir uns des Geldes, welches immer nur den nominalen, nicht den realen Preis eines Dinges angiebt, dabei bedienten. §. 148. 2) Vermehrung und Verminderung der Gewerbe. So wie ſich die Nachfrage nach Arbeitern vermehrt, ſuchen dieſe ihren Lohn natuͤrlich hoͤher zu treiben, und der Arbeitspreis ſteigt in der ganzen Gegend. Der aus dieſer Urſache geſtiegene Arbeitslohn iſt fuͤr den Landwirth ohne Schaden, vielmehr vortheilhaft. Er iſt eine Folge und zugleich eine Urſach des vermehrten Wohlſtandes der Gegend, vielleicht mit hoͤherm Vorſchuß fuͤr den Landwirth verbunden, aber in der Regel mit noch groͤßerm Vortheile. Denn der durch Induſtrie vermehrte Wohlſtand bewirkt ſicher eine ſtaͤrkere Nachfrage nach den Produkten und einen hoͤheren Preis derſelben. 2te Urſach: Vermehrung oder Vermin- derung der Gewerbe. Eine Ausnahme macht es jedoch, wenn die ſtarke Nachfrage nach Arbeitern nicht von einer ſicher begruͤndeten Induſtrie und reellem Wohlſtande, ſondern von einer voruͤbergehenden Unternehmung oder Arbeit, z. B. vom Bau einer betraͤcht- lichen Chauſſee, Grabung eines Kanals u. ſ. w. herruͤhrt. Hier kann eine ploͤtzliche Steigerung des Lohns nachtheilig wirken und den Landwirth in große Verlegenheit ſetzen, weshalb zu dergleichen oͤffentlichen Arbeiten die Menſchen nie bloß aus der Nachbarſchaft, ſondern von mehrern entfernten Gegenden her zuſammengebracht wer- den muͤßten, wenn die Regierung den Wirthſchaftsbetrieb einer Gegend nicht in Ver- wirrung bringen will. Wenn dagegen der Gewerbsbetrieb in einem Lande herabſinkt und Arbeit weni- ger geſucht wird, ſo bieten ſich mehrere Arbeiter an, als man gebrauchen kann, und Erſter Theil. O

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/135>, abgerufen am 23.11.2024.