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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Vorrede.
Wege zum andern hinüber, und kamen wenig vorwärts, noch andere
blieben stehen, zweifelnd, welchen Weg sie einschlagen sollten. Manche
kehrten schnell zurück, wenn ihnen ein Verirrter in den Weg sprang und
zurief: "Hier ist's nicht Recht, experto crede ruperto!" Manche woll-
ten sich einen neuen Weg bahnen, den ihre Kräfte nicht zu erklimmen ver-
mochten. Andere, die es verstanden, die Mittel zu berechnen, die erfor-
derlich waren, um den Zweck früher oder später zu erreichen, stehen jedoch
auf der Höhe und rufen andern zu: "Hier bin ich, kommt mir nach!"

Dies Werk, hoffe ich, soll dergleichen Verirrungen, wozu ich durch
jenes Werk allerdings einige Veranlassung mag gegeben haben, verhüten.
Allein es ist kein hölzerner Wegweiser, den man nur ansprechen kann, wenn
man ihn eben braucht. Es ist ein Grundriß, den man studieren und ganz
vor Augen haben muß, wenn man sich auf jedem Punkte dieses Gebiets
orientiren und nirgends verirren will.

Ich fühle lebhaft, daß dieses Werk nicht frei von Mängeln sey.
Die Drangsale -- wenn gleich nicht die Zerstörungen -- des Krieges,
denen ich mit wenigen Unterbrechungen seit sieben Jahren ausgesetzt war,
manche Sorgen und häusliche Leiden lähmten die freie Thätigkeit des
Geistes, die ein solches systematisches, nicht fragmentarisches Werk in
einem Fache, welches noch nicht wissenschaftlich behandelt war, er-
forderte. Man erwarte also nichts vollkommenes, sondern nur das beste,
was ich unter diesen Umständen zu geben vermag.

Ich wünsche Kritik dieses Werks im Ganzen und im Einzelnen.
Ueber diejenige, welche gegründet scheint, werde ich mich in meinen Anna-
len bescheiden erklären, und wenn man will, sie gern darin aufnehmen.
Wenn ich aber bemerkte, daß nur jemand an mir zum Ritter werden
wollte, so würde ich ihm eben so wenig, wie einem Rückert oder Leupert
antworten. Insbesondere wünsche ich Unvollständigkeit und Ueberse-
hung gewisser nicht unerheblicher Fälle und Umstände gerügt, und solche
Rügen würde ich mit Dank zur Verbesserung nutzen, weil dadurch die
Wissenschaft gefördert wird.


Vorrede.
Wege zum andern hinuͤber, und kamen wenig vorwaͤrts, noch andere
blieben ſtehen, zweifelnd, welchen Weg ſie einſchlagen ſollten. Manche
kehrten ſchnell zuruͤck, wenn ihnen ein Verirrter in den Weg ſprang und
zurief: „Hier iſt’s nicht Recht, experto crede ruperto!“ Manche woll-
ten ſich einen neuen Weg bahnen, den ihre Kraͤfte nicht zu erklimmen ver-
mochten. Andere, die es verſtanden, die Mittel zu berechnen, die erfor-
derlich waren, um den Zweck fruͤher oder ſpaͤter zu erreichen, ſtehen jedoch
auf der Hoͤhe und rufen andern zu: „Hier bin ich, kommt mir nach!“

Dies Werk, hoffe ich, ſoll dergleichen Verirrungen, wozu ich durch
jenes Werk allerdings einige Veranlaſſung mag gegeben haben, verhuͤten.
Allein es iſt kein hoͤlzerner Wegweiſer, den man nur anſprechen kann, wenn
man ihn eben braucht. Es iſt ein Grundriß, den man ſtudieren und ganz
vor Augen haben muß, wenn man ſich auf jedem Punkte dieſes Gebiets
orientiren und nirgends verirren will.

Ich fuͤhle lebhaft, daß dieſes Werk nicht frei von Maͤngeln ſey.
Die Drangſale — wenn gleich nicht die Zerſtoͤrungen — des Krieges,
denen ich mit wenigen Unterbrechungen ſeit ſieben Jahren ausgeſetzt war,
manche Sorgen und haͤusliche Leiden laͤhmten die freie Thaͤtigkeit des
Geiſtes, die ein ſolches ſyſtematiſches, nicht fragmentariſches Werk in
einem Fache, welches noch nicht wiſſenſchaftlich behandelt war, er-
forderte. Man erwarte alſo nichts vollkommenes, ſondern nur das beſte,
was ich unter dieſen Umſtaͤnden zu geben vermag.

Ich wuͤnſche Kritik dieſes Werks im Ganzen und im Einzelnen.
Ueber diejenige, welche gegruͤndet ſcheint, werde ich mich in meinen Anna-
len beſcheiden erklaͤren, und wenn man will, ſie gern darin aufnehmen.
Wenn ich aber bemerkte, daß nur jemand an mir zum Ritter werden
wollte, ſo wuͤrde ich ihm eben ſo wenig, wie einem Ruͤckert oder Leupert
antworten. Insbeſondere wuͤnſche ich Unvollſtaͤndigkeit und Ueberſe-
hung gewiſſer nicht unerheblicher Faͤlle und Umſtaͤnde geruͤgt, und ſolche
Ruͤgen wuͤrde ich mit Dank zur Verbeſſerung nutzen, weil dadurch die
Wiſſenſchaft gefoͤrdert wird.


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[VI/0012] Vorrede. Wege zum andern hinuͤber, und kamen wenig vorwaͤrts, noch andere blieben ſtehen, zweifelnd, welchen Weg ſie einſchlagen ſollten. Manche kehrten ſchnell zuruͤck, wenn ihnen ein Verirrter in den Weg ſprang und zurief: „Hier iſt’s nicht Recht, experto crede ruperto!“ Manche woll- ten ſich einen neuen Weg bahnen, den ihre Kraͤfte nicht zu erklimmen ver- mochten. Andere, die es verſtanden, die Mittel zu berechnen, die erfor- derlich waren, um den Zweck fruͤher oder ſpaͤter zu erreichen, ſtehen jedoch auf der Hoͤhe und rufen andern zu: „Hier bin ich, kommt mir nach!“ Dies Werk, hoffe ich, ſoll dergleichen Verirrungen, wozu ich durch jenes Werk allerdings einige Veranlaſſung mag gegeben haben, verhuͤten. Allein es iſt kein hoͤlzerner Wegweiſer, den man nur anſprechen kann, wenn man ihn eben braucht. Es iſt ein Grundriß, den man ſtudieren und ganz vor Augen haben muß, wenn man ſich auf jedem Punkte dieſes Gebiets orientiren und nirgends verirren will. Ich fuͤhle lebhaft, daß dieſes Werk nicht frei von Maͤngeln ſey. Die Drangſale — wenn gleich nicht die Zerſtoͤrungen — des Krieges, denen ich mit wenigen Unterbrechungen ſeit ſieben Jahren ausgeſetzt war, manche Sorgen und haͤusliche Leiden laͤhmten die freie Thaͤtigkeit des Geiſtes, die ein ſolches ſyſtematiſches, nicht fragmentariſches Werk in einem Fache, welches noch nicht wiſſenſchaftlich behandelt war, er- forderte. Man erwarte alſo nichts vollkommenes, ſondern nur das beſte, was ich unter dieſen Umſtaͤnden zu geben vermag. Ich wuͤnſche Kritik dieſes Werks im Ganzen und im Einzelnen. Ueber diejenige, welche gegruͤndet ſcheint, werde ich mich in meinen Anna- len beſcheiden erklaͤren, und wenn man will, ſie gern darin aufnehmen. Wenn ich aber bemerkte, daß nur jemand an mir zum Ritter werden wollte, ſo wuͤrde ich ihm eben ſo wenig, wie einem Ruͤckert oder Leupert antworten. Insbeſondere wuͤnſche ich Unvollſtaͤndigkeit und Ueberſe- hung gewiſſer nicht unerheblicher Faͤlle und Umſtaͤnde geruͤgt, und ſolche Ruͤgen wuͤrde ich mit Dank zur Verbeſſerung nutzen, weil dadurch die Wiſſenſchaft gefoͤrdert wird.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/12>, abgerufen am 23.11.2024.