Es kömmt aber hier, wie bei allen Gegenständen der Staatswirthschaft, nur darauf an, daß man sich auf einen höheren Standpunkt erhebe und in klarem Lichte des Verstandes das Ganze überschaue. Dann wird man sich durch einzelne Beispiele, die ihrer verfehlten Einrichtung wegen das Gute den kurzsichtigen Au- gen zweifelhaft machen, nicht blenden, wohl aber jene Beispiele zur Warnung dienen lassen, um ähnliche Fehler bei einer an sich trefflichen Sache zu vermeiden.
Man hatte nämlich nicht nur den so unsichern und veränderlichen Maaßstab des Geldes zur Werthschätzung der Güter allein gebraucht, sondern auch nach der damals noch so niedrig stehenden Ackerbaukunst den Ertragsanschlag zu geringe ge- macht, und manche Pertinenzen, die durch einige Kultur zu hoher Benutzung zu bringen waren, ganz übersehen. Es zeigte sich also bald, daß die Kontrakte zum größten Nachtheile des Grundherrn und zu einem zu überwiegenden Vortheil des Erbpächters abgeschlossen waren, so daß man sich deshalb auch in einem gewissen Staate berechtigt glaubte, diese Vererbpachtungen durch souveraine Macht wieder aufzuheben. Hierdurch war die Sache noch in üblern Ruf gekommen, und hatte nun selbst das Mißtrauen der Pächter gegen sich.
Indessen ist die Sache in verschiedenen Ländern wieder aufgenommen worden, und des dagegen erhobenen Geschrei's ungeachtet glücklich ausgefallen. Insbeson- dere hat es sich gezeigt, daß bei vererbpachteten und zerschlagenen Domainen nicht nur die öffentlichen Kassen, sondern auch die allgemeine Produktion, die Bevöl- kerung und der Wohlstand der Unterthanen beträchtlich gewonnen habe, und wenn auch die erstern neuern Versuche dieser Art nicht ganz fehlerfrei und nicht zum möglich höchsten Vortheil der öffentlichen Kassen eingerichtet seyn mögen; so haben sie dennoch die Sache wieder in Gang gebracht und diejenige Ueberzeugung bewirkt, die nur der Erfolg geben kann.
§. 130.
Das Wesentlichste bei diesem Geschäfte ist, daß man den Werth des GrundBestimmung des Kanon nach dem Durchschnitts- preise des Getreides. und Bodens oder dasjenige, was er nach Abzug aller Kosten und des billigen Vor- theils des Pächters tragen kann, richtig schätze, und zwar nicht nach dem verän- derlichen Werthe des Geldes, sondern nach einem bestimmten Getreidemaaße, dessen Werthverhältniß gegen alle übrige Dinge sich im größern Durchschnitt seit jeher gleich geblieben ist und gleich bleiben wird. Es verändert sich zwar von einem Jahre zum andern, und ist in kurzer Zeit noch veränderlicher wie der Werth
Erster Theil. M
Die Erbpacht.
Es koͤmmt aber hier, wie bei allen Gegenſtaͤnden der Staatswirthſchaft, nur darauf an, daß man ſich auf einen hoͤheren Standpunkt erhebe und in klarem Lichte des Verſtandes das Ganze uͤberſchaue. Dann wird man ſich durch einzelne Beiſpiele, die ihrer verfehlten Einrichtung wegen das Gute den kurzſichtigen Au- gen zweifelhaft machen, nicht blenden, wohl aber jene Beiſpiele zur Warnung dienen laſſen, um aͤhnliche Fehler bei einer an ſich trefflichen Sache zu vermeiden.
Man hatte naͤmlich nicht nur den ſo unſichern und veraͤnderlichen Maaßſtab des Geldes zur Werthſchaͤtzung der Guͤter allein gebraucht, ſondern auch nach der damals noch ſo niedrig ſtehenden Ackerbaukunſt den Ertragsanſchlag zu geringe ge- macht, und manche Pertinenzen, die durch einige Kultur zu hoher Benutzung zu bringen waren, ganz uͤberſehen. Es zeigte ſich alſo bald, daß die Kontrakte zum groͤßten Nachtheile des Grundherrn und zu einem zu uͤberwiegenden Vortheil des Erbpaͤchters abgeſchloſſen waren, ſo daß man ſich deshalb auch in einem gewiſſen Staate berechtigt glaubte, dieſe Vererbpachtungen durch ſouveraine Macht wieder aufzuheben. Hierdurch war die Sache noch in uͤblern Ruf gekommen, und hatte nun ſelbſt das Mißtrauen der Paͤchter gegen ſich.
Indeſſen iſt die Sache in verſchiedenen Laͤndern wieder aufgenommen worden, und des dagegen erhobenen Geſchrei’s ungeachtet gluͤcklich ausgefallen. Insbeſon- dere hat es ſich gezeigt, daß bei vererbpachteten und zerſchlagenen Domainen nicht nur die oͤffentlichen Kaſſen, ſondern auch die allgemeine Produktion, die Bevoͤl- kerung und der Wohlſtand der Unterthanen betraͤchtlich gewonnen habe, und wenn auch die erſtern neuern Verſuche dieſer Art nicht ganz fehlerfrei und nicht zum moͤglich hoͤchſten Vortheil der oͤffentlichen Kaſſen eingerichtet ſeyn moͤgen; ſo haben ſie dennoch die Sache wieder in Gang gebracht und diejenige Ueberzeugung bewirkt, die nur der Erfolg geben kann.
§. 130.
Das Weſentlichſte bei dieſem Geſchaͤfte iſt, daß man den Werth des GrundBeſtimmung des Kanon nach dem Durchſchnitts- preiſe des Getreides. und Bodens oder dasjenige, was er nach Abzug aller Koſten und des billigen Vor- theils des Paͤchters tragen kann, richtig ſchaͤtze, und zwar nicht nach dem veraͤn- derlichen Werthe des Geldes, ſondern nach einem beſtimmten Getreidemaaße, deſſen Werthverhaͤltniß gegen alle uͤbrige Dinge ſich im groͤßern Durchſchnitt ſeit jeher gleich geblieben iſt und gleich bleiben wird. Es veraͤndert ſich zwar von einem Jahre zum andern, und iſt in kurzer Zeit noch veraͤnderlicher wie der Werth
Erſter Theil. M
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Die Erbpacht.
Es koͤmmt aber hier, wie bei allen Gegenſtaͤnden der Staatswirthſchaft, nur
darauf an, daß man ſich auf einen hoͤheren Standpunkt erhebe und in klarem
Lichte des Verſtandes das Ganze uͤberſchaue. Dann wird man ſich durch einzelne
Beiſpiele, die ihrer verfehlten Einrichtung wegen das Gute den kurzſichtigen Au-
gen zweifelhaft machen, nicht blenden, wohl aber jene Beiſpiele zur Warnung
dienen laſſen, um aͤhnliche Fehler bei einer an ſich trefflichen Sache zu vermeiden.
Man hatte naͤmlich nicht nur den ſo unſichern und veraͤnderlichen Maaßſtab
des Geldes zur Werthſchaͤtzung der Guͤter allein gebraucht, ſondern auch nach der
damals noch ſo niedrig ſtehenden Ackerbaukunſt den Ertragsanſchlag zu geringe ge-
macht, und manche Pertinenzen, die durch einige Kultur zu hoher Benutzung zu
bringen waren, ganz uͤberſehen. Es zeigte ſich alſo bald, daß die Kontrakte zum
groͤßten Nachtheile des Grundherrn und zu einem zu uͤberwiegenden Vortheil des
Erbpaͤchters abgeſchloſſen waren, ſo daß man ſich deshalb auch in einem gewiſſen
Staate berechtigt glaubte, dieſe Vererbpachtungen durch ſouveraine Macht wieder
aufzuheben. Hierdurch war die Sache noch in uͤblern Ruf gekommen, und hatte
nun ſelbſt das Mißtrauen der Paͤchter gegen ſich.
Indeſſen iſt die Sache in verſchiedenen Laͤndern wieder aufgenommen worden,
und des dagegen erhobenen Geſchrei’s ungeachtet gluͤcklich ausgefallen. Insbeſon-
dere hat es ſich gezeigt, daß bei vererbpachteten und zerſchlagenen Domainen nicht
nur die oͤffentlichen Kaſſen, ſondern auch die allgemeine Produktion, die Bevoͤl-
kerung und der Wohlſtand der Unterthanen betraͤchtlich gewonnen habe, und wenn
auch die erſtern neuern Verſuche dieſer Art nicht ganz fehlerfrei und nicht zum
moͤglich hoͤchſten Vortheil der oͤffentlichen Kaſſen eingerichtet ſeyn moͤgen; ſo haben
ſie dennoch die Sache wieder in Gang gebracht und diejenige Ueberzeugung bewirkt,
die nur der Erfolg geben kann.
§. 130.
Das Weſentlichſte bei dieſem Geſchaͤfte iſt, daß man den Werth des Grund
und Bodens oder dasjenige, was er nach Abzug aller Koſten und des billigen Vor-
theils des Paͤchters tragen kann, richtig ſchaͤtze, und zwar nicht nach dem veraͤn-
derlichen Werthe des Geldes, ſondern nach einem beſtimmten Getreidemaaße,
deſſen Werthverhaͤltniß gegen alle uͤbrige Dinge ſich im groͤßern Durchſchnitt ſeit
jeher gleich geblieben iſt und gleich bleiben wird. Es veraͤndert ſich zwar von
einem Jahre zum andern, und iſt in kurzer Zeit noch veraͤnderlicher wie der Werth
Beſtimmung
des Kanon
nach dem
Durchſchnitts-
preiſe des
Getreides.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/119>, abgerufen am 16.02.2025.
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