entschließen, und wo das Warum so, und nicht anders, allein von der Gegenwart des Objekts abhänget, worauf sich die Kraft anwendet, wären völlig erklärt; wie müßte es sich denn in den übrigen verhalten, wo das vorzügli- che Gefallen es ist, wonach wir uns bestimmen, oder mit andern Worten, wo wir nach dem Gesetz des Besten wollen und handeln? Hier scheint der eigentliche Sitz der Schwierigkeiten zu seyn. Handeln wir da selbst, be- stimmen wir uns selbst, wenn wir das wählen, was uns gefällt? So überredet es uns unser Gefühl. Oder werden wir passive bestimmt zur Handlung, und ist die Handlung selbst zum Theil wenigstens eine Leiden- heit? So scheinet es, müsse es seyn, wenn wir darauf sehen, daß das Gefallen in der Sache uns beweget; und daß dieß Gefallen ein Empfindniß ist, wodurch das Wollen hervorgebracht wird.
3.
Es sind doch einige Vorbereitungen nöthig, ehe man geradezu diese Schwierigkeiten angreifen kann. Meine Absicht ist nicht so ausgedehnt, die ganze Be- schaffenheit unserer Selbstthätigkeit zu untersuchen. Dieß ist eine Tiefe, die uns desto unerreichbarer vor- kommt, je weiter man in sie hinabsteiget. Hier we- nigstens verlange ich nicht mehr, als nur bis zu dem Grunde zu gelangen, woraus dasjenige entspringet, was wir in unsern Gefühlen vor uns haben, und helle genug unterscheiden. Was ist in uns vorhanden, was geschieht, wenn wir mit Besinnung willkührlich wol- len, uns bestimmen, und handeln? Was ist alsdenn da, wenn wir gereizet, getrieben, gedruckt, genöthi- get werden? Warum das Eine unter diesen, das an- dere unter andern Umständen? Aber auch zu diesen Fragen ist es nöthig, sich nach einigen Erfahrungssätzen über die Selbstthätigkeit der Seele umzusehen. Sich
bestim-
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
entſchließen, und wo das Warum ſo, und nicht anders, allein von der Gegenwart des Objekts abhaͤnget, worauf ſich die Kraft anwendet, waͤren voͤllig erklaͤrt; wie muͤßte es ſich denn in den uͤbrigen verhalten, wo das vorzuͤgli- che Gefallen es iſt, wonach wir uns beſtimmen, oder mit andern Worten, wo wir nach dem Geſetz des Beſten wollen und handeln? Hier ſcheint der eigentliche Sitz der Schwierigkeiten zu ſeyn. Handeln wir da ſelbſt, be- ſtimmen wir uns ſelbſt, wenn wir das waͤhlen, was uns gefaͤllt? So uͤberredet es uns unſer Gefuͤhl. Oder werden wir paſſive beſtimmt zur Handlung, und iſt die Handlung ſelbſt zum Theil wenigſtens eine Leiden- heit? So ſcheinet es, muͤſſe es ſeyn, wenn wir darauf ſehen, daß das Gefallen in der Sache uns beweget; und daß dieß Gefallen ein Empfindniß iſt, wodurch das Wollen hervorgebracht wird.
3.
Es ſind doch einige Vorbereitungen noͤthig, ehe man geradezu dieſe Schwierigkeiten angreifen kann. Meine Abſicht iſt nicht ſo ausgedehnt, die ganze Be- ſchaffenheit unſerer Selbſtthaͤtigkeit zu unterſuchen. Dieß iſt eine Tiefe, die uns deſto unerreichbarer vor- kommt, je weiter man in ſie hinabſteiget. Hier we- nigſtens verlange ich nicht mehr, als nur bis zu dem Grunde zu gelangen, woraus dasjenige entſpringet, was wir in unſern Gefuͤhlen vor uns haben, und helle genug unterſcheiden. Was iſt in uns vorhanden, was geſchieht, wenn wir mit Beſinnung willkuͤhrlich wol- len, uns beſtimmen, und handeln? Was iſt alsdenn da, wenn wir gereizet, getrieben, gedruckt, genoͤthi- get werden? Warum das Eine unter dieſen, das an- dere unter andern Umſtaͤnden? Aber auch zu dieſen Fragen iſt es noͤthig, ſich nach einigen Erfahrungsſaͤtzen uͤber die Selbſtthaͤtigkeit der Seele umzuſehen. Sich
beſtim-
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
entſchließen, und wo das Warum ſo, und nicht anders,
allein von der Gegenwart des Objekts abhaͤnget, worauf
ſich die Kraft anwendet, waͤren voͤllig erklaͤrt; wie muͤßte
es ſich denn in den uͤbrigen verhalten, wo das vorzuͤgli-
che Gefallen es iſt, wonach wir uns beſtimmen, oder mit
andern Worten, wo wir nach dem Geſetz des Beſten
wollen und handeln? Hier ſcheint der eigentliche Sitz der
Schwierigkeiten zu ſeyn. Handeln wir da ſelbſt, be-
ſtimmen wir uns ſelbſt, wenn wir das waͤhlen, was
uns gefaͤllt? So uͤberredet es uns unſer Gefuͤhl. Oder
werden wir paſſive beſtimmt zur Handlung, und iſt
die Handlung ſelbſt zum Theil wenigſtens eine Leiden-
heit? So ſcheinet es, muͤſſe es ſeyn, wenn wir darauf
ſehen, daß das Gefallen in der Sache uns beweget;
und daß dieß Gefallen ein Empfindniß iſt, wodurch das
Wollen hervorgebracht wird.
3.
Es ſind doch einige Vorbereitungen noͤthig, ehe
man geradezu dieſe Schwierigkeiten angreifen kann.
Meine Abſicht iſt nicht ſo ausgedehnt, die ganze Be-
ſchaffenheit unſerer Selbſtthaͤtigkeit zu unterſuchen.
Dieß iſt eine Tiefe, die uns deſto unerreichbarer vor-
kommt, je weiter man in ſie hinabſteiget. Hier we-
nigſtens verlange ich nicht mehr, als nur bis zu dem
Grunde zu gelangen, woraus dasjenige entſpringet,
was wir in unſern Gefuͤhlen vor uns haben, und helle
genug unterſcheiden. Was iſt in uns vorhanden, was
geſchieht, wenn wir mit Beſinnung willkuͤhrlich wol-
len, uns beſtimmen, und handeln? Was iſt alsdenn
da, wenn wir gereizet, getrieben, gedruckt, genoͤthi-
get werden? Warum das Eine unter dieſen, das an-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/96>, abgerufen am 22.11.2024.
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