de mitgetheilte Kraft sey, oder von dem Einflusse an- derer abhange? oder wie weit es der Seele selbst blei- bend zukomme?
Wer nur einigermaßen sich diese allgemeinen Be- griffe geläusig gemacht hat, wird es bald gewahrneh- men, daß dieses noch lange nicht alles sey, was hie- bey weiter entwickelt werden müßte, wenn durch den ganzen Zweig dieser Notionen Deutlichkeit und Einsicht gebracht werden sollte. Aber dann schlage er auch die metaphysischen Schriften nach; und ich hoffe, er werde die Klage nicht ungegründet finden, wenn ich sage, daß hier Dunkelheiten und Verwirrungen vorkommen, woran man noch die Fackel der Analyse nicht hingebracht hat.
Noch eine Anmerkung. Wenn die Wirkung, wel- che hervorgebracht wird, eine Wirkung mehrerer ver- einigten Kräfte ist, und nur derjenigen Kraft allein zu- geschrieben wird, die unter den mitwirkenden den Haupt- antheil an ihr hat: so ist diese letztere nicht in dem eigent- lichen Sinne, sondern durch eine Synekdoche die Ursache zu nennen. Und wenn die Aktion oder die Wirkung auf diese vornehmste Kraft bezogen wird, so kann nicht eher bestimmt beurtheilet werden, in wie weit sie aus ih- rer innern Eigenmacht hervorgehe, als bis der eigent- lich ihr zugehörige Antheil von dem übrigen, was an- dern Ursachen zukömmt, abgesondert wird. Nichts ist leichter zu begreifen, als diese logische Regel, und nichts scheinet doch schwerer zu seyn, als sie bey der Beurthei- lung wirklicher Dinge gehörig zu befolgen.
IX. Von
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
de mitgetheilte Kraft ſey, oder von dem Einfluſſe an- derer abhange? oder wie weit es der Seele ſelbſt blei- bend zukomme?
Wer nur einigermaßen ſich dieſe allgemeinen Be- griffe gelaͤuſig gemacht hat, wird es bald gewahrneh- men, daß dieſes noch lange nicht alles ſey, was hie- bey weiter entwickelt werden muͤßte, wenn durch den ganzen Zweig dieſer Notionen Deutlichkeit und Einſicht gebracht werden ſollte. Aber dann ſchlage er auch die metaphyſiſchen Schriften nach; und ich hoffe, er werde die Klage nicht ungegruͤndet finden, wenn ich ſage, daß hier Dunkelheiten und Verwirrungen vorkommen, woran man noch die Fackel der Analyſe nicht hingebracht hat.
Noch eine Anmerkung. Wenn die Wirkung, wel- che hervorgebracht wird, eine Wirkung mehrerer ver- einigten Kraͤfte iſt, und nur derjenigen Kraft allein zu- geſchrieben wird, die unter den mitwirkenden den Haupt- antheil an ihr hat: ſo iſt dieſe letztere nicht in dem eigent- lichen Sinne, ſondern durch eine Synekdoche die Urſache zu nennen. Und wenn die Aktion oder die Wirkung auf dieſe vornehmſte Kraft bezogen wird, ſo kann nicht eher beſtimmt beurtheilet werden, in wie weit ſie aus ih- rer innern Eigenmacht hervorgehe, als bis der eigent- lich ihr zugehoͤrige Antheil von dem uͤbrigen, was an- dern Urſachen zukoͤmmt, abgeſondert wird. Nichts iſt leichter zu begreifen, als dieſe logiſche Regel, und nichts ſcheinet doch ſchwerer zu ſeyn, als ſie bey der Beurthei- lung wirklicher Dinge gehoͤrig zu befolgen.
IX. Von
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
de mitgetheilte Kraft ſey, oder von dem Einfluſſe an-
derer abhange? oder wie weit es der Seele ſelbſt blei-
bend zukomme?
Wer nur einigermaßen ſich dieſe allgemeinen Be-
griffe gelaͤuſig gemacht hat, wird es bald gewahrneh-
men, daß dieſes noch lange nicht alles ſey, was hie-
bey weiter entwickelt werden muͤßte, wenn durch den
ganzen Zweig dieſer Notionen Deutlichkeit und Einſicht
gebracht werden ſollte. Aber dann ſchlage er auch die
metaphyſiſchen Schriften nach; und ich hoffe, er werde
die Klage nicht ungegruͤndet finden, wenn ich ſage, daß
hier Dunkelheiten und Verwirrungen vorkommen, woran
man noch die Fackel der Analyſe nicht hingebracht hat.
Noch eine Anmerkung. Wenn die Wirkung, wel-
che hervorgebracht wird, eine Wirkung mehrerer ver-
einigten Kraͤfte iſt, und nur derjenigen Kraft allein zu-
geſchrieben wird, die unter den mitwirkenden den Haupt-
antheil an ihr hat: ſo iſt dieſe letztere nicht in dem eigent-
lichen Sinne, ſondern durch eine Synekdoche die Urſache
zu nennen. Und wenn die Aktion oder die Wirkung
auf dieſe vornehmſte Kraft bezogen wird, ſo kann nicht
eher beſtimmt beurtheilet werden, in wie weit ſie aus ih-
rer innern Eigenmacht hervorgehe, als bis der eigent-
lich ihr zugehoͤrige Antheil von dem uͤbrigen, was an-
dern Urſachen zukoͤmmt, abgeſondert wird. Nichts iſt
leichter zu begreifen, als dieſe logiſche Regel, und nichts
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/88>, abgerufen am 30.01.2025.
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