Denn eine solche Vorstellung enthält angenehme wieder- erweckte Empfindungen. Allein dagegen ist sie auch theils für sich allein, als Vorstellung, ein nur mattes Bild, in Vergleichung mit der wirklich gefühlten Thätigkeit; theils wird das aus ihr entstehende angenehme Empfindniß durch entgegengesetzte unterdrücket. Laß sie eine Vor- stellung von einer Thätigkeit zum Objekt haben, und also eine Nachbildung von Thätigkeit oder einen Ansatz dazu enthalten: so ist selbst dieser Ansatz so schwach in Vergleichung mit dem stärkern, den man fühlet, wenn man in sich selbst die Thätigkeit erneuert, wie es eine schwache Einbildung in Vergleichung mit ihrer Empfin- dung ist. Wenn die vorgestellte Kraft oder Thätigkeit uns nicht zukommt, so offenbaret sich dieß sogleich, in- dem wir nur den Versuch machen, die Vorstellung zur Empfindung zu erheben. Wir fühlen Widerstand, und Unvermögen; und dieß Gefühl des Mangels muß noth- wendig alsdenn stärker seyn, als das angenehme Em- pfindniß aus der Vorstellung für sich ist. Eben so ver- hält es sich bey allen unsern Vorstellungen von Gütern und Vorzügen, die wir uns als fremde, andern, nicht uns selbst, zukommende gedenken.
Wir sehen hieraus zugleich, wie es zugehe, daß uns die Vergnügungen aus dem Besitz der Kräfte und Vermögen viel wichtiger sind, als die einzelnen Ver- gnügen, die uns ihre Anwendung in besondern Fällen gewähren kann. Jene entspringen aus dem Gefühl eines Ganzen; die letztern aus den Gefühlen von einzel- nen Theilen, die aber alsdenn freilich mehr entwickelt und voller sind, als dorten in dem Ganzen, und daher auch zuweilen eben so stark den Sinn beschäftigen, als zur andern Zeit die ganze Vorstellung von dem Vermögen es thut. Dem Durstigen kann ein einziger Trunk
Wassers,
und Entwickelung des Menſchen.
Denn eine ſolche Vorſtellung enthaͤlt angenehme wieder- erweckte Empfindungen. Allein dagegen iſt ſie auch theils fuͤr ſich allein, als Vorſtellung, ein nur mattes Bild, in Vergleichung mit der wirklich gefuͤhlten Thaͤtigkeit; theils wird das aus ihr entſtehende angenehme Empfindniß durch entgegengeſetzte unterdruͤcket. Laß ſie eine Vor- ſtellung von einer Thaͤtigkeit zum Objekt haben, und alſo eine Nachbildung von Thaͤtigkeit oder einen Anſatz dazu enthalten: ſo iſt ſelbſt dieſer Anſatz ſo ſchwach in Vergleichung mit dem ſtaͤrkern, den man fuͤhlet, wenn man in ſich ſelbſt die Thaͤtigkeit erneuert, wie es eine ſchwache Einbildung in Vergleichung mit ihrer Empfin- dung iſt. Wenn die vorgeſtellte Kraft oder Thaͤtigkeit uns nicht zukommt, ſo offenbaret ſich dieß ſogleich, in- dem wir nur den Verſuch machen, die Vorſtellung zur Empfindung zu erheben. Wir fuͤhlen Widerſtand, und Unvermoͤgen; und dieß Gefuͤhl des Mangels muß noth- wendig alsdenn ſtaͤrker ſeyn, als das angenehme Em- pfindniß aus der Vorſtellung fuͤr ſich iſt. Eben ſo ver- haͤlt es ſich bey allen unſern Vorſtellungen von Guͤtern und Vorzuͤgen, die wir uns als fremde, andern, nicht uns ſelbſt, zukommende gedenken.
Wir ſehen hieraus zugleich, wie es zugehe, daß uns die Vergnuͤgungen aus dem Beſitz der Kraͤfte und Vermoͤgen viel wichtiger ſind, als die einzelnen Ver- gnuͤgen, die uns ihre Anwendung in beſondern Faͤllen gewaͤhren kann. Jene entſpringen aus dem Gefuͤhl eines Ganzen; die letztern aus den Gefuͤhlen von einzel- nen Theilen, die aber alsdenn freilich mehr entwickelt und voller ſind, als dorten in dem Ganzen, und daher auch zuweilen eben ſo ſtark den Sinn beſchaͤftigen, als zur andern Zeit die ganze Vorſtellung von dem Vermoͤgen es thut. Dem Durſtigen kann ein einziger Trunk
Waſſers,
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und Entwickelung des Menſchen.
Denn eine ſolche Vorſtellung enthaͤlt angenehme wieder-
erweckte Empfindungen. Allein dagegen iſt ſie auch theils
fuͤr ſich allein, als Vorſtellung, ein nur mattes Bild, in
Vergleichung mit der wirklich gefuͤhlten Thaͤtigkeit; theils
wird das aus ihr entſtehende angenehme Empfindniß
durch entgegengeſetzte unterdruͤcket. Laß ſie eine Vor-
ſtellung von einer Thaͤtigkeit zum Objekt haben, und
alſo eine Nachbildung von Thaͤtigkeit oder einen Anſatz
dazu enthalten: ſo iſt ſelbſt dieſer Anſatz ſo ſchwach in
Vergleichung mit dem ſtaͤrkern, den man fuͤhlet, wenn
man in ſich ſelbſt die Thaͤtigkeit erneuert, wie es eine
ſchwache Einbildung in Vergleichung mit ihrer Empfin-
dung iſt. Wenn die vorgeſtellte Kraft oder Thaͤtigkeit
uns nicht zukommt, ſo offenbaret ſich dieß ſogleich, in-
dem wir nur den Verſuch machen, die Vorſtellung zur
Empfindung zu erheben. Wir fuͤhlen Widerſtand, und
Unvermoͤgen; und dieß Gefuͤhl des Mangels muß noth-
wendig alsdenn ſtaͤrker ſeyn, als das angenehme Em-
pfindniß aus der Vorſtellung fuͤr ſich iſt. Eben ſo ver-
haͤlt es ſich bey allen unſern Vorſtellungen von Guͤtern
und Vorzuͤgen, die wir uns als fremde, andern, nicht
uns ſelbſt, zukommende gedenken.
Wir ſehen hieraus zugleich, wie es zugehe, daß uns
die Vergnuͤgungen aus dem Beſitz der Kraͤfte und
Vermoͤgen viel wichtiger ſind, als die einzelnen Ver-
gnuͤgen, die uns ihre Anwendung in beſondern Faͤllen
gewaͤhren kann. Jene entſpringen aus dem Gefuͤhl
eines Ganzen; die letztern aus den Gefuͤhlen von einzel-
nen Theilen, die aber alsdenn freilich mehr entwickelt und
voller ſind, als dorten in dem Ganzen, und daher auch
zuweilen eben ſo ſtark den Sinn beſchaͤftigen, als zur
andern Zeit die ganze Vorſtellung von dem Vermoͤgen
es thut. Dem Durſtigen kann ein einziger Trunk
Waſſers,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 829. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/859>, abgerufen am 22.11.2024.
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