ben geschärfet werden. Dieß erfodert Kenntnisse, Witz, Vernunft und Thätigkeit. Und desto mehr, je dauer- hafter die Seligkeit gemacht werden soll. Aber mehr Kultur, als dazu erfodert wird, ist unnöthig, ist über- flüßig und wird schädlich. Mehr zu suchen, und unbe- grenzet an der Vervollkommnung der Seelenkräfte zu arbeiten, um etwan noch klüger und rechtschaffener zu werden, könnte nicht besser seyn, als die Thorheit des alten Geizhalses, der seine Kräfte verzehret um Schätze zu häufen, die er nach aller Wahrscheinlichkeit nie genießen wird.
5.
Allein es ist nicht so. Jenes ist nicht der Begriff von der Glückseligkeit, der im Herzen liegt, und auf den die Natur leitet. Jch will nichts sagen von den Begriffen, die von den Philosophen gelehrt sind, die man hier vielleicht entweder als Fiktionen, die nicht aus der Natur, oder als solche, die nur aus der verkünstel- ten und mißgebildeten Natur abstrahirt sind, ansehen möchte. Man sehe bloß auf die Aeußerungen und Wir- kungen der Naturtriebe bey dem gemeinen Haufen, in dem Ganzen der Menschheit. Sollte wohl unthätiger Genuß sinnlicher Vergnügungen das Ziel, und zwar das von der Natur gesteckte Ziel aller, seyn? Es kann es nicht seyn bey denen, die mit einer vorzüglichen An- lage zu Geistesthätigkeiten oder zu Geschäften versehen sind. Diese würden unbefriediget und ungesättiget blei- ben bey allem sinnlichen Genuß, der so wenig ihre ganze Seligkeit ausmachen könnte, als die platonische Speku- lation oder die stoische Aktivität dem Epikurer anpasset. Man kann etwas einräumen. Laß die Beobachtungen gezählet werden, und es dann seyn, daß neunzigen von hundert die Verfassung des Agathons in dem Garten der Danae, oder die Lebensart des Sir Mammon Epi-
kurs
und Entwickelung des Menſchen.
ben geſchaͤrfet werden. Dieß erfodert Kenntniſſe, Witz, Vernunft und Thaͤtigkeit. Und deſto mehr, je dauer- hafter die Seligkeit gemacht werden ſoll. Aber mehr Kultur, als dazu erfodert wird, iſt unnoͤthig, iſt uͤber- fluͤßig und wird ſchaͤdlich. Mehr zu ſuchen, und unbe- grenzet an der Vervollkommnung der Seelenkraͤfte zu arbeiten, um etwan noch kluͤger und rechtſchaffener zu werden, koͤnnte nicht beſſer ſeyn, als die Thorheit des alten Geizhalſes, der ſeine Kraͤfte verzehret um Schaͤtze zu haͤufen, die er nach aller Wahrſcheinlichkeit nie genießen wird.
5.
Allein es iſt nicht ſo. Jenes iſt nicht der Begriff von der Gluͤckſeligkeit, der im Herzen liegt, und auf den die Natur leitet. Jch will nichts ſagen von den Begriffen, die von den Philoſophen gelehrt ſind, die man hier vielleicht entweder als Fiktionen, die nicht aus der Natur, oder als ſolche, die nur aus der verkuͤnſtel- ten und mißgebildeten Natur abſtrahirt ſind, anſehen moͤchte. Man ſehe bloß auf die Aeußerungen und Wir- kungen der Naturtriebe bey dem gemeinen Haufen, in dem Ganzen der Menſchheit. Sollte wohl unthaͤtiger Genuß ſinnlicher Vergnuͤgungen das Ziel, und zwar das von der Natur geſteckte Ziel aller, ſeyn? Es kann es nicht ſeyn bey denen, die mit einer vorzuͤglichen An- lage zu Geiſtesthaͤtigkeiten oder zu Geſchaͤften verſehen ſind. Dieſe wuͤrden unbefriediget und ungeſaͤttiget blei- ben bey allem ſinnlichen Genuß, der ſo wenig ihre ganze Seligkeit ausmachen koͤnnte, als die platoniſche Speku- lation oder die ſtoiſche Aktivitaͤt dem Epikurer anpaſſet. Man kann etwas einraͤumen. Laß die Beobachtungen gezaͤhlet werden, und es dann ſeyn, daß neunzigen von hundert die Verfaſſung des Agathons in dem Garten der Danae, oder die Lebensart des Sir Mammon Epi-
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und Entwickelung des Menſchen.
ben geſchaͤrfet werden. Dieß erfodert Kenntniſſe, Witz,
Vernunft und Thaͤtigkeit. Und deſto mehr, je dauer-
hafter die Seligkeit gemacht werden ſoll. Aber mehr
Kultur, als dazu erfodert wird, iſt unnoͤthig, iſt uͤber-
fluͤßig und wird ſchaͤdlich. Mehr zu ſuchen, und unbe-
grenzet an der Vervollkommnung der Seelenkraͤfte
zu arbeiten, um etwan noch kluͤger und rechtſchaffener
zu werden, koͤnnte nicht beſſer ſeyn, als die Thorheit
des alten Geizhalſes, der ſeine Kraͤfte verzehret um
Schaͤtze zu haͤufen, die er nach aller Wahrſcheinlichkeit
nie genießen wird.
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Allein es iſt nicht ſo. Jenes iſt nicht der Begriff
von der Gluͤckſeligkeit, der im Herzen liegt, und auf
den die Natur leitet. Jch will nichts ſagen von den
Begriffen, die von den Philoſophen gelehrt ſind, die
man hier vielleicht entweder als Fiktionen, die nicht aus
der Natur, oder als ſolche, die nur aus der verkuͤnſtel-
ten und mißgebildeten Natur abſtrahirt ſind, anſehen
moͤchte. Man ſehe bloß auf die Aeußerungen und Wir-
kungen der Naturtriebe bey dem gemeinen Haufen, in
dem Ganzen der Menſchheit. Sollte wohl unthaͤtiger
Genuß ſinnlicher Vergnuͤgungen das Ziel, und zwar
das von der Natur geſteckte Ziel aller, ſeyn? Es kann
es nicht ſeyn bey denen, die mit einer vorzuͤglichen An-
lage zu Geiſtesthaͤtigkeiten oder zu Geſchaͤften verſehen
ſind. Dieſe wuͤrden unbefriediget und ungeſaͤttiget blei-
ben bey allem ſinnlichen Genuß, der ſo wenig ihre ganze
Seligkeit ausmachen koͤnnte, als die platoniſche Speku-
lation oder die ſtoiſche Aktivitaͤt dem Epikurer anpaſſet.
Man kann etwas einraͤumen. Laß die Beobachtungen
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hundert die Verfaſſung des Agathons in dem Garten
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/827>, abgerufen am 28.11.2024.
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