Art sey, wie sie verwaltet wird, wovon ihr Gutes und ihr Schlimmes abhängt. Es hat Despotismus genug in Freystaaten gegeben, der die natürliche Freyheit und das Eigenthum des Bürgers wenig geachtet. Dage- gen hat der Unterthan in Monarchien wahre Freyheit genossen, und geniesset sie noch, unter der Regierung der Gesetze, und was die Hauptsache ist, (denn sonsten giebt es auch eine Sklaverey unter Gesetzen) unter der Regierung solcher Gesetze, welche die natürlichen Rechte, Besitzungen und Freyheiten des Bürgers als ein Heilig- thum ansehen, worinn, das abgerechnet, was zu dem gemeinen Besten aufgeopfert werden muß und wobey doch die Einzelnen am Ende gewinnen, außer dem Noth- fall kein Eingriff geschehen darf. Je mehr die Auf- klärung des Verstandes und die Freyheit des Geistes zu- nimmt, desto mehr, läßt sich auch hoffen, werde diese Mil- de der Regierungen allgemeiner werden.
7.
Dieß sind schöne Möglichkeiten. Das Bild von dem künftigen Zustande der Menschheit, das sie uns zeigen, würde ungemein reizend seyn, wenn jemand Lust hätte es auszumalen. Viele Menschenfreunde haben hierauf ihre Vorhersagung gegründet, die Kultur der Menschheit werde noch größer und allgemeiner werden, als sie jemalen auf der Erde gewesen ist. Aber sollte ihr edles Herz, welches vor andern so leicht das Gute hoffet, das es selbst zu leisten willig ist, ihre Aufmerksamkeit nicht zu weit von den großen Hindernissen abgezogen haben, die jenen wirkenden Ursachen entgegenstehen? Wozu kann ein einzelner Mensch gemacht werden? Wel- cher Entwickelung ist er fähig; welcher Aufklärung und welches Wohls für sich allein genommen? Dieß ist eine andre Frage, als die folgende: was kann aus der gan- zen Menschheit, aus dem ganzen Jnbegriff aller Jndivi- duen werden, die nebeneinander auf der Erde zu ver-
voll-
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Art ſey, wie ſie verwaltet wird, wovon ihr Gutes und ihr Schlimmes abhaͤngt. Es hat Deſpotismus genug in Freyſtaaten gegeben, der die natuͤrliche Freyheit und das Eigenthum des Buͤrgers wenig geachtet. Dage- gen hat der Unterthan in Monarchien wahre Freyheit genoſſen, und genieſſet ſie noch, unter der Regierung der Geſetze, und was die Hauptſache iſt, (denn ſonſten giebt es auch eine Sklaverey unter Geſetzen) unter der Regierung ſolcher Geſetze, welche die natuͤrlichen Rechte, Beſitzungen und Freyheiten des Buͤrgers als ein Heilig- thum anſehen, worinn, das abgerechnet, was zu dem gemeinen Beſten aufgeopfert werden muß und wobey doch die Einzelnen am Ende gewinnen, außer dem Noth- fall kein Eingriff geſchehen darf. Je mehr die Auf- klaͤrung des Verſtandes und die Freyheit des Geiſtes zu- nimmt, deſto mehr, laͤßt ſich auch hoffen, werde dieſe Mil- de der Regierungen allgemeiner werden.
7.
Dieß ſind ſchoͤne Moͤglichkeiten. Das Bild von dem kuͤnftigen Zuſtande der Menſchheit, das ſie uns zeigen, wuͤrde ungemein reizend ſeyn, wenn jemand Luſt haͤtte es auszumalen. Viele Menſchenfreunde haben hierauf ihre Vorherſagung gegruͤndet, die Kultur der Menſchheit werde noch groͤßer und allgemeiner werden, als ſie jemalen auf der Erde geweſen iſt. Aber ſollte ihr edles Herz, welches vor andern ſo leicht das Gute hoffet, das es ſelbſt zu leiſten willig iſt, ihre Aufmerkſamkeit nicht zu weit von den großen Hinderniſſen abgezogen haben, die jenen wirkenden Urſachen entgegenſtehen? Wozu kann ein einzelner Menſch gemacht werden? Wel- cher Entwickelung iſt er faͤhig; welcher Aufklaͤrung und welches Wohls fuͤr ſich allein genommen? Dieß iſt eine andre Frage, als die folgende: was kann aus der gan- zen Menſchheit, aus dem ganzen Jnbegriff aller Jndivi- duen werden, die nebeneinander auf der Erde zu ver-
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Art ſey, wie ſie verwaltet wird, wovon ihr Gutes und
ihr Schlimmes abhaͤngt. Es hat Deſpotismus genug
in Freyſtaaten gegeben, der die natuͤrliche Freyheit und
das Eigenthum des Buͤrgers wenig geachtet. Dage-
gen hat der Unterthan in Monarchien wahre Freyheit
genoſſen, und genieſſet ſie noch, unter der Regierung
der Geſetze, und was die Hauptſache iſt, (denn ſonſten
giebt es auch eine Sklaverey unter Geſetzen) unter der
Regierung ſolcher Geſetze, welche die natuͤrlichen Rechte,
Beſitzungen und Freyheiten des Buͤrgers als ein Heilig-
thum anſehen, worinn, das abgerechnet, was zu dem
gemeinen Beſten aufgeopfert werden muß und wobey
doch die Einzelnen am Ende gewinnen, außer dem Noth-
fall kein Eingriff geſchehen darf. Je mehr die Auf-
klaͤrung des Verſtandes und die Freyheit des Geiſtes zu-
nimmt, deſto mehr, laͤßt ſich auch hoffen, werde dieſe Mil-
de der Regierungen allgemeiner werden.
7.
Dieß ſind ſchoͤne Moͤglichkeiten. Das Bild von
dem kuͤnftigen Zuſtande der Menſchheit, das ſie uns
zeigen, wuͤrde ungemein reizend ſeyn, wenn jemand Luſt
haͤtte es auszumalen. Viele Menſchenfreunde haben
hierauf ihre Vorherſagung gegruͤndet, die Kultur der
Menſchheit werde noch groͤßer und allgemeiner werden,
als ſie jemalen auf der Erde geweſen iſt. Aber ſollte ihr
edles Herz, welches vor andern ſo leicht das Gute hoffet,
das es ſelbſt zu leiſten willig iſt, ihre Aufmerkſamkeit
nicht zu weit von den großen Hinderniſſen abgezogen
haben, die jenen wirkenden Urſachen entgegenſtehen?
Wozu kann ein einzelner Menſch gemacht werden? Wel-
cher Entwickelung iſt er faͤhig; welcher Aufklaͤrung und
welches Wohls fuͤr ſich allein genommen? Dieß iſt eine
andre Frage, als die folgende: was kann aus der gan-
zen Menſchheit, aus dem ganzen Jnbegriff aller Jndivi-
duen werden, die nebeneinander auf der Erde zu ver-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/814>, abgerufen am 21.11.2024.
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