Was die zwote Ursache betrift, warum die Seelen- fertigkeiten nicht erhöhet werden können, nämlich weil ihnen wegen der leichten Reproducibilität der empfange- nen Jdeen, und wegen der Ungeschicklichkeit neue anzu- nehmen, die Gelegenheit entzogen wird sich mit einer solchen Anstrengung zu äußern, wie es die weitere Er- höhung der Kraft erfodern würde: so kann auch diese nur bloß den menschlichen Fertigkeiten an fernerem Wach- sen hinderlich seyn, ohne in der Seele eine solche Wir- kung zu haben. Es würde das erstere allein, daß näm- lich die schon empfangenen Vorstellungen zu leicht von selbst wieder sich darstelleten, nicht hindern, daß die Kräfte sich an andern schärfen könnten, wenn das zwey- te nicht hinzukäme, nämlich die Ungeschicklichkeit neue Eindrücke anzunehmen, und den Kräften frische Rei- zungen zu verschaffen. Aber muß diese Steifigkeit oder Unfähigkeit auch der unkörperlichen Einheit zukom- men, wenn sie gleich in den Fibern des Gehirns eine nothwendige Folge ihrer Einrichtung und ihres Gebrauchs ist? Und wenn etwas entsprechendes, ein Analogon von der körperlichen Steifigkeit, in der Seele ange- nommen werden muß: so darf dieses in dieser eben kein reelles Unvermögen zu neuen Eindrücken, oder eine Ver- minderung an Empfänglichkeit seyn, sondern kann, wie vorhero, wiederum als ein bloß respektives Unver- mögen erkläret werden, das daher entspringet, weil die Seele auf andere Arten in einem höhern Grade thä- tig ist.
Wenn die erste Ursache, warum die Vergrößerung der Vermögen aufhören und in eine Abnahme überge- hen muß, in der vergrößerten Festigkeit und Unbieg- samkeit der Fibern des Organs liegt: so ließe sich so gar begreifen, daß die Kräfte in der Seele, als Seelen- beschaffenheiten, noch fortwachsen können, indem die Kräfte im Menschen stillstehen oder schon abnehmen.
Wird
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und Entwickelung des Menſchen.
Was die zwote Urſache betrift, warum die Seelen- fertigkeiten nicht erhoͤhet werden koͤnnen, naͤmlich weil ihnen wegen der leichten Reproducibilitaͤt der empfange- nen Jdeen, und wegen der Ungeſchicklichkeit neue anzu- nehmen, die Gelegenheit entzogen wird ſich mit einer ſolchen Anſtrengung zu aͤußern, wie es die weitere Er- hoͤhung der Kraft erfodern wuͤrde: ſo kann auch dieſe nur bloß den menſchlichen Fertigkeiten an fernerem Wach- ſen hinderlich ſeyn, ohne in der Seele eine ſolche Wir- kung zu haben. Es wuͤrde das erſtere allein, daß naͤm- lich die ſchon empfangenen Vorſtellungen zu leicht von ſelbſt wieder ſich darſtelleten, nicht hindern, daß die Kraͤfte ſich an andern ſchaͤrfen koͤnnten, wenn das zwey- te nicht hinzukaͤme, naͤmlich die Ungeſchicklichkeit neue Eindruͤcke anzunehmen, und den Kraͤften friſche Rei- zungen zu verſchaffen. Aber muß dieſe Steifigkeit oder Unfaͤhigkeit auch der unkoͤrperlichen Einheit zukom- men, wenn ſie gleich in den Fibern des Gehirns eine nothwendige Folge ihrer Einrichtung und ihres Gebrauchs iſt? Und wenn etwas entſprechendes, ein Analogon von der koͤrperlichen Steifigkeit, in der Seele ange- nommen werden muß: ſo darf dieſes in dieſer eben kein reelles Unvermoͤgen zu neuen Eindruͤcken, oder eine Ver- minderung an Empfaͤnglichkeit ſeyn, ſondern kann, wie vorhero, wiederum als ein bloß reſpektives Unver- moͤgen erklaͤret werden, das daher entſpringet, weil die Seele auf andere Arten in einem hoͤhern Grade thaͤ- tig iſt.
Wenn die erſte Urſache, warum die Vergroͤßerung der Vermoͤgen aufhoͤren und in eine Abnahme uͤberge- hen muß, in der vergroͤßerten Feſtigkeit und Unbieg- ſamkeit der Fibern des Organs liegt: ſo ließe ſich ſo gar begreifen, daß die Kraͤfte in der Seele, als Seelen- beſchaffenheiten, noch fortwachſen koͤnnen, indem die Kraͤfte im Menſchen ſtillſtehen oder ſchon abnehmen.
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und Entwickelung des Menſchen.
Was die zwote Urſache betrift, warum die Seelen-
fertigkeiten nicht erhoͤhet werden koͤnnen, naͤmlich weil
ihnen wegen der leichten Reproducibilitaͤt der empfange-
nen Jdeen, und wegen der Ungeſchicklichkeit neue anzu-
nehmen, die Gelegenheit entzogen wird ſich mit einer
ſolchen Anſtrengung zu aͤußern, wie es die weitere Er-
hoͤhung der Kraft erfodern wuͤrde: ſo kann auch dieſe
nur bloß den menſchlichen Fertigkeiten an fernerem Wach-
ſen hinderlich ſeyn, ohne in der Seele eine ſolche Wir-
kung zu haben. Es wuͤrde das erſtere allein, daß naͤm-
lich die ſchon empfangenen Vorſtellungen zu leicht von
ſelbſt wieder ſich darſtelleten, nicht hindern, daß die
Kraͤfte ſich an andern ſchaͤrfen koͤnnten, wenn das zwey-
te nicht hinzukaͤme, naͤmlich die Ungeſchicklichkeit neue
Eindruͤcke anzunehmen, und den Kraͤften friſche Rei-
zungen zu verſchaffen. Aber muß dieſe Steifigkeit
oder Unfaͤhigkeit auch der unkoͤrperlichen Einheit zukom-
men, wenn ſie gleich in den Fibern des Gehirns eine
nothwendige Folge ihrer Einrichtung und ihres Gebrauchs
iſt? Und wenn etwas entſprechendes, ein Analogon
von der koͤrperlichen Steifigkeit, in der Seele ange-
nommen werden muß: ſo darf dieſes in dieſer eben kein
reelles Unvermoͤgen zu neuen Eindruͤcken, oder eine Ver-
minderung an Empfaͤnglichkeit ſeyn, ſondern kann, wie
vorhero, wiederum als ein bloß reſpektives Unver-
moͤgen erklaͤret werden, das daher entſpringet, weil
die Seele auf andere Arten in einem hoͤhern Grade thaͤ-
tig iſt.
Wenn die erſte Urſache, warum die Vergroͤßerung
der Vermoͤgen aufhoͤren und in eine Abnahme uͤberge-
hen muß, in der vergroͤßerten Feſtigkeit und Unbieg-
ſamkeit der Fibern des Organs liegt: ſo ließe ſich ſo gar
begreifen, daß die Kraͤfte in der Seele, als Seelen-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/753>, abgerufen am 25.11.2024.
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