ist, so verhält es sich mit unsern Vorstellungen von den Aktionen selbst. Die Aktion, das erstemal unternom- men, hinterläßt eine sehr lebhafte und starke Spur in dem Gefühl, und die erstern Wiederholungen haben die- selbige Wirkung bis dahin, daß jene anfängt uns völ- lig bekannt und geläufig zu werden. Es ist die Repro- ducibilität dieser Vorstellungen, worinn die Fertigkeit bestehet. Wenn also gleich diese noch immer um etwas anwächst, so oft die Handlung wiederholet wird, so muß dieser Anwachs zugleich so wenig beträchtlich werden, daß leicht eben so viel wiederum abgehen kann, wenn die Kraft eine Weile nicht gebraucht wird.
"Jede veränderliche Fertigkeit verlieret, wenn sie zu "einer gewissen Größe gebracht ist, schon dadurch, daß "sie nicht jedesmal mit ihrer vollen Jntension gebrau- "chet wird." Der ungebrauchte Theil hat geruhet, und wird geschwächt, mehr oder minder. Daher ist es auch zur Erhaltung dieser Fertigkeiten nöthig, so mit ihnen zu arbeiten, als wenn sie noch immer erhöhet wer- den sollten. Wenn dieß nicht geschieht, so kann das Vermögen abnehmen, ob man gleich fortfähret es anzu- wenden.
So wie die Kraft der Seele diese oder jene Vorstel- lungen von Aktionen eigenmächtig zu reproduciren zu- nimmt, so wächset auch in den Vorstellungen von den Objekten die Leichtigkeit sich reproduciren zu lassen. Aber je leichter die Jdeen für sich zu reproduciren sind, desto weniger erfodern sie das Bestreben der Eigenmacht der Seele. Sie stellen sich auf den ersten Wink von selbst dar. Von dieser leichtern Reproducibilität der Vorstellungen von den Objekten hängt die Größe in un- sern relativen Vermögen ab, die sich auf die besondern Gegenstände beziehen. Je größer also diese werden, je mehr werden die Veranlassungen vermindert, für die
abso-
und Entwickelung des Menſchen.
iſt, ſo verhaͤlt es ſich mit unſern Vorſtellungen von den Aktionen ſelbſt. Die Aktion, das erſtemal unternom- men, hinterlaͤßt eine ſehr lebhafte und ſtarke Spur in dem Gefuͤhl, und die erſtern Wiederholungen haben die- ſelbige Wirkung bis dahin, daß jene anfaͤngt uns voͤl- lig bekannt und gelaͤufig zu werden. Es iſt die Repro- ducibilitaͤt dieſer Vorſtellungen, worinn die Fertigkeit beſtehet. Wenn alſo gleich dieſe noch immer um etwas anwaͤchſt, ſo oft die Handlung wiederholet wird, ſo muß dieſer Anwachs zugleich ſo wenig betraͤchtlich werden, daß leicht eben ſo viel wiederum abgehen kann, wenn die Kraft eine Weile nicht gebraucht wird.
„Jede veraͤnderliche Fertigkeit verlieret, wenn ſie zu „einer gewiſſen Groͤße gebracht iſt, ſchon dadurch, daß „ſie nicht jedesmal mit ihrer vollen Jntenſion gebrau- „chet wird.‟ Der ungebrauchte Theil hat geruhet, und wird geſchwaͤcht, mehr oder minder. Daher iſt es auch zur Erhaltung dieſer Fertigkeiten noͤthig, ſo mit ihnen zu arbeiten, als wenn ſie noch immer erhoͤhet wer- den ſollten. Wenn dieß nicht geſchieht, ſo kann das Vermoͤgen abnehmen, ob man gleich fortfaͤhret es anzu- wenden.
So wie die Kraft der Seele dieſe oder jene Vorſtel- lungen von Aktionen eigenmaͤchtig zu reproduciren zu- nimmt, ſo waͤchſet auch in den Vorſtellungen von den Objekten die Leichtigkeit ſich reproduciren zu laſſen. Aber je leichter die Jdeen fuͤr ſich zu reproduciren ſind, deſto weniger erfodern ſie das Beſtreben der Eigenmacht der Seele. Sie ſtellen ſich auf den erſten Wink von ſelbſt dar. Von dieſer leichtern Reproducibilitaͤt der Vorſtellungen von den Objekten haͤngt die Groͤße in un- ſern relativen Vermoͤgen ab, die ſich auf die beſondern Gegenſtaͤnde beziehen. Je groͤßer alſo dieſe werden, je mehr werden die Veranlaſſungen vermindert, fuͤr die
abſo-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0747"n="717"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Entwickelung des Menſchen.</hi></fw><lb/>
iſt, ſo verhaͤlt es ſich mit unſern Vorſtellungen von den<lb/>
Aktionen ſelbſt. Die Aktion, das erſtemal unternom-<lb/>
men, hinterlaͤßt eine ſehr lebhafte und ſtarke Spur in<lb/>
dem Gefuͤhl, und die erſtern Wiederholungen haben die-<lb/>ſelbige Wirkung bis dahin, daß jene anfaͤngt uns voͤl-<lb/>
lig bekannt und gelaͤufig zu werden. Es iſt die Repro-<lb/>
ducibilitaͤt dieſer Vorſtellungen, worinn die Fertigkeit<lb/>
beſtehet. Wenn alſo gleich dieſe noch immer um etwas<lb/>
anwaͤchſt, ſo oft die Handlung wiederholet wird, ſo muß<lb/>
dieſer Anwachs zugleich ſo wenig betraͤchtlich werden,<lb/>
daß leicht eben ſo viel wiederum abgehen kann, wenn<lb/>
die Kraft eine Weile nicht gebraucht wird.</p><lb/><p>„Jede veraͤnderliche Fertigkeit verlieret, wenn ſie zu<lb/>„einer gewiſſen Groͤße gebracht iſt, ſchon dadurch, daß<lb/>„ſie nicht jedesmal mit ihrer <hirendition="#fr">vollen</hi> Jntenſion gebrau-<lb/>„chet wird.‟ Der ungebrauchte Theil hat geruhet,<lb/>
und wird geſchwaͤcht, mehr oder minder. Daher iſt es<lb/>
auch zur Erhaltung dieſer Fertigkeiten noͤthig, ſo mit<lb/>
ihnen zu arbeiten, als wenn ſie noch immer erhoͤhet wer-<lb/>
den ſollten. Wenn dieß nicht geſchieht, ſo kann das<lb/>
Vermoͤgen abnehmen, ob man gleich fortfaͤhret es anzu-<lb/>
wenden.</p><lb/><p>So wie die Kraft der Seele dieſe oder jene Vorſtel-<lb/>
lungen von Aktionen eigenmaͤchtig zu reproduciren zu-<lb/>
nimmt, ſo waͤchſet auch <hirendition="#fr">in den Vorſtellungen von<lb/>
den Objekten</hi> die Leichtigkeit ſich reproduciren zu laſſen.<lb/>
Aber je leichter die Jdeen fuͤr ſich zu reproduciren ſind,<lb/>
deſto weniger erfodern ſie das Beſtreben der Eigenmacht<lb/>
der Seele. Sie ſtellen ſich auf den erſten Wink von<lb/>ſelbſt dar. Von dieſer leichtern Reproducibilitaͤt der<lb/>
Vorſtellungen von den Objekten haͤngt die Groͤße in un-<lb/>ſern <hirendition="#fr">relativen</hi> Vermoͤgen ab, die ſich auf die beſondern<lb/>
Gegenſtaͤnde beziehen. Je groͤßer alſo dieſe werden, je<lb/>
mehr werden die <hirendition="#fr">Veranlaſſungen</hi> vermindert, fuͤr die<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">abſo-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[717/0747]
und Entwickelung des Menſchen.
iſt, ſo verhaͤlt es ſich mit unſern Vorſtellungen von den
Aktionen ſelbſt. Die Aktion, das erſtemal unternom-
men, hinterlaͤßt eine ſehr lebhafte und ſtarke Spur in
dem Gefuͤhl, und die erſtern Wiederholungen haben die-
ſelbige Wirkung bis dahin, daß jene anfaͤngt uns voͤl-
lig bekannt und gelaͤufig zu werden. Es iſt die Repro-
ducibilitaͤt dieſer Vorſtellungen, worinn die Fertigkeit
beſtehet. Wenn alſo gleich dieſe noch immer um etwas
anwaͤchſt, ſo oft die Handlung wiederholet wird, ſo muß
dieſer Anwachs zugleich ſo wenig betraͤchtlich werden,
daß leicht eben ſo viel wiederum abgehen kann, wenn
die Kraft eine Weile nicht gebraucht wird.
„Jede veraͤnderliche Fertigkeit verlieret, wenn ſie zu
„einer gewiſſen Groͤße gebracht iſt, ſchon dadurch, daß
„ſie nicht jedesmal mit ihrer vollen Jntenſion gebrau-
„chet wird.‟ Der ungebrauchte Theil hat geruhet,
und wird geſchwaͤcht, mehr oder minder. Daher iſt es
auch zur Erhaltung dieſer Fertigkeiten noͤthig, ſo mit
ihnen zu arbeiten, als wenn ſie noch immer erhoͤhet wer-
den ſollten. Wenn dieß nicht geſchieht, ſo kann das
Vermoͤgen abnehmen, ob man gleich fortfaͤhret es anzu-
wenden.
So wie die Kraft der Seele dieſe oder jene Vorſtel-
lungen von Aktionen eigenmaͤchtig zu reproduciren zu-
nimmt, ſo waͤchſet auch in den Vorſtellungen von
den Objekten die Leichtigkeit ſich reproduciren zu laſſen.
Aber je leichter die Jdeen fuͤr ſich zu reproduciren ſind,
deſto weniger erfodern ſie das Beſtreben der Eigenmacht
der Seele. Sie ſtellen ſich auf den erſten Wink von
ſelbſt dar. Von dieſer leichtern Reproducibilitaͤt der
Vorſtellungen von den Objekten haͤngt die Groͤße in un-
ſern relativen Vermoͤgen ab, die ſich auf die beſondern
Gegenſtaͤnde beziehen. Je groͤßer alſo dieſe werden, je
mehr werden die Veranlaſſungen vermindert, fuͤr die
abſo-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/747>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.