ein gewisser Grad von Empfindlichkeit in dem Nerven- system erfoderlich, der die zu große Abhärtung der Muskeln im Wege steht. Jndessen kann man auch aus der Gefühllosigkeit des Körpers in Hinsicht gewisser Ar- ten von Eindrücken, wie man z. B. bey den Bewoh- nern des Feuerlandes antrift, die halb nacket Frost und Schnee ausstehen, noch nicht schließen, daß sie allge- mein sey. Dieselbigen Menschen können vielleicht ein scharfes Gefühl in den Fingern haben. Man hat noch keine Untersuchungen darüber angestellt, wie gut sie sich im Dunkeln in ihrem Lande und Wohnungen durch das Gefühl in den Händen fortzuhelfen wissen.
Die Aufmerksamkeit auf sich selbst und auf ihre ei- genen Vorstellungen ist es, woran es in diesem Stande der Sinnlichkeit und der Dummheit am meisten fehlt. Sie fühlen ihre innern Veränderungen, ihre Gemüths- bewegungen, was ihnen behaglich oder unbehaglich ist, wie wir. Aber dieß Jnnere zu vergleichen, wie Sa- chen, die den äußern Sinnen vorliegen, das ist eine Arbeit, von der der rohe Mensch am wenigsten zu wis- sen scheint. Gleichwohl ist es doch nicht so sehr eine Schwäche an Vorstellungskraft, oder am Bewußtseyn, oder Schwäche einer selbstthätigen Phantasie. Sie beweisen ein vortrefliches Gedächtniß in einigen Sachen, und eine Erfindungskraft an ihren Bogen, Pfeilen, Kähnen, Stricken, die sie mit den schlechtesten Jnstru- menten verfertigen, und davon einige einen Witz zeigen, der dem Witz eines europäischen Baumeisters gleich kommt. Der gedachte Mangel an Reflexion über sich selbst liegt mehr in der Richtung, die die vorstellende und fühlende Kraft erhält, indem sie fast niemals auf die Bemerkung des Jnnern geführt wird. Eben dieses hindert auch die Anwendung der höhern Verstandeskräfte. Es läßt sich ein ähnlicher Grund von dem Mangel der innern Selbst- thätigkeit angeben. Die wahre Freyheit der Seele, die
über
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
ein gewiſſer Grad von Empfindlichkeit in dem Nerven- ſyſtem erfoderlich, der die zu große Abhaͤrtung der Muſkeln im Wege ſteht. Jndeſſen kann man auch aus der Gefuͤhlloſigkeit des Koͤrpers in Hinſicht gewiſſer Ar- ten von Eindruͤcken, wie man z. B. bey den Bewoh- nern des Feuerlandes antrift, die halb nacket Froſt und Schnee ausſtehen, noch nicht ſchließen, daß ſie allge- mein ſey. Dieſelbigen Menſchen koͤnnen vielleicht ein ſcharfes Gefuͤhl in den Fingern haben. Man hat noch keine Unterſuchungen daruͤber angeſtellt, wie gut ſie ſich im Dunkeln in ihrem Lande und Wohnungen durch das Gefuͤhl in den Haͤnden fortzuhelfen wiſſen.
Die Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt und auf ihre ei- genen Vorſtellungen iſt es, woran es in dieſem Stande der Sinnlichkeit und der Dummheit am meiſten fehlt. Sie fuͤhlen ihre innern Veraͤnderungen, ihre Gemuͤths- bewegungen, was ihnen behaglich oder unbehaglich iſt, wie wir. Aber dieß Jnnere zu vergleichen, wie Sa- chen, die den aͤußern Sinnen vorliegen, das iſt eine Arbeit, von der der rohe Menſch am wenigſten zu wiſ- ſen ſcheint. Gleichwohl iſt es doch nicht ſo ſehr eine Schwaͤche an Vorſtellungskraft, oder am Bewußtſeyn, oder Schwaͤche einer ſelbſtthaͤtigen Phantaſie. Sie beweiſen ein vortrefliches Gedaͤchtniß in einigen Sachen, und eine Erfindungskraft an ihren Bogen, Pfeilen, Kaͤhnen, Stricken, die ſie mit den ſchlechteſten Jnſtru- menten verfertigen, und davon einige einen Witz zeigen, der dem Witz eines europaͤiſchen Baumeiſters gleich kommt. Der gedachte Mangel an Reflexion uͤber ſich ſelbſt liegt mehr in der Richtung, die die vorſtellende und fuͤhlende Kraft erhaͤlt, indem ſie faſt niemals auf die Bemerkung des Jnnern gefuͤhrt wird. Eben dieſes hindert auch die Anwendung der hoͤhern Verſtandeskraͤfte. Es laͤßt ſich ein aͤhnlicher Grund von dem Mangel der innern Selbſt- thaͤtigkeit angeben. Die wahre Freyheit der Seele, die
uͤber
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
ein gewiſſer Grad von Empfindlichkeit in dem Nerven-
ſyſtem erfoderlich, der die zu große Abhaͤrtung der
Muſkeln im Wege ſteht. Jndeſſen kann man auch aus
der Gefuͤhlloſigkeit des Koͤrpers in Hinſicht gewiſſer Ar-
ten von Eindruͤcken, wie man z. B. bey den Bewoh-
nern des Feuerlandes antrift, die halb nacket Froſt und
Schnee ausſtehen, noch nicht ſchließen, daß ſie allge-
mein ſey. Dieſelbigen Menſchen koͤnnen vielleicht ein
ſcharfes Gefuͤhl in den Fingern haben. Man hat noch
keine Unterſuchungen daruͤber angeſtellt, wie gut ſie
ſich im Dunkeln in ihrem Lande und Wohnungen durch
das Gefuͤhl in den Haͤnden fortzuhelfen wiſſen.
Die Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt und auf ihre ei-
genen Vorſtellungen iſt es, woran es in dieſem Stande
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Sie fuͤhlen ihre innern Veraͤnderungen, ihre Gemuͤths-
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chen, die den aͤußern Sinnen vorliegen, das iſt eine
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ſen ſcheint. Gleichwohl iſt es doch nicht ſo ſehr eine
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oder Schwaͤche einer ſelbſtthaͤtigen Phantaſie. Sie
beweiſen ein vortrefliches Gedaͤchtniß in einigen Sachen,
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Kaͤhnen, Stricken, die ſie mit den ſchlechteſten Jnſtru-
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dem Witz eines europaͤiſchen Baumeiſters gleich kommt.
Der gedachte Mangel an Reflexion uͤber ſich ſelbſt liegt
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Kraft erhaͤlt, indem ſie faſt niemals auf die Bemerkung
des Jnnern gefuͤhrt wird. Eben dieſes hindert auch die
Anwendung der hoͤhern Verſtandeskraͤfte. Es laͤßt ſich
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/710>, abgerufen am 23.11.2024.
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